Christen sind daran gewohnt, bei diesen Erzählungen vor allem auf Jesus zu achten. Er ist die Hauptfigur. Zachäus und Bartimäus erscheinen da wie Nebenfiguren, die für die Bibel deshalb wichtig sind, weil durch sie die Heilkraft und Göttlichkeit Jesu erkennbar wird. Diese Sichtweise ist fragwürdig. Denn Zachäus wie auch Bartimäus gelingt Wunderbares, noch bevor Jesus überhaupt in Aktion tritt.
Als klein gewachsener Mensch könnte Zachäus resignieren und sagen: Mit meiner Körpergröße habe ich in der Menge sowieso keine Chance. Das tut er nicht. Zachäus erkennt, dass er sportlicher ist als manch anderer unter den Schaulustigen. Also klettert er auf einen Baum und gleicht so seinen körperlichen Nachteil aus. Zachäus hat Vertrauen zu sich selbst. Noch deutlicher wird das bei Bartimäus. Er ist blind und lebt am Rand der Gesellschaft. Die meisten Menschen nehmen keine Notiz von ihm. Aber Bartimäus kennt die Kraft seiner Stimme. Er ahnt, dass er die Menschenmenge übertönen kann. Daher lärmt er so herum, als Jesus auftaucht. Bartimäus hat Vertrauen zu sich selbst – so dass ihn selbst Befehle, den Mund zu halten, nicht einschüchtern.
Wie ist das bei uns? Würde unser Selbstvertrauen an das der beiden Männer heranreichen? Falls nicht, wäre es wichtig, dieses Vertrauen zu entwickeln. Indem wir die gelungenen Ergebnisse eigenen Könnens und Handelns erkennen und uns bewusst gutschreiben. Denn auch Zachäus und Bartimäus bekamen ihr Selbstvertrauen offenbar nicht von Jesus geschenkt. Es ging dem Kontakt mit Jesus voraus. Wer sich selbst vertrauen kann, kann seine Seele für andere aufschließen. Dann sind heilsame Begegnungen möglich.
Ulrich Bausewein