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      Schauen, Staunen, Singen: Leser des Sonntagsblatts unterwegs im Baltikum

      Wo ein Lied auf den Lippen liegt

      Dass das Singen im Baltikum eine wichtige Rolle spielt, war bereits am ersten Tag nach der Ankunft im Baltikum beim Besuch einer riesigen Sängerbühne klar. Zur Reise durch die drei baltischen Länder Estland, Lettland und Litauen hatten sich 31 sangesfreudige Leser des Sonntagsblatts aufgemacht. Die Reiseführerin brachte ihnen nicht nur die Region im Nordosten Europas näher – sie führte auch an Orte, wo man gerne singt.

      Die beeindruckende Kulisse der riesigen Sängerbühne in Estlands Hauptstadt Tallinn schüchtert die Sonntagsblattleser nicht ein. 31 Stimmen lassen mit Blick auf die zur Sowjetzeit erbaute und bis zu 30 000 Sänger fassende Bühne samt Ostseepanorama das Frankenlied erklingen. Eine andere Gruppe blickt erstaunt herüber. Die seien fast ein bisschen „neidisch“ auf den Gesang der Franken gewesen, sagt Reiseführerin Laila Steinberga später im Bus auf dem Weg in die Altstadt.

      Dort führt die 60-Jährige die Gruppe routiniert durch die verwinkelten Gassen. Die Lettin arbeitet seit 15 Jahren als Reiseführerin. Die mehr als 1000 Kilometer lange Tour von Tallinn über Riga, weiter auf die Kurische Nehrung und nach Vilnius, dem Endpunkt der Reise, macht sie in der Saison regelmäßig.

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      In Tallinn, mit 450 000 Einwohnern Estlands größte Stadt, zeigt Laila – so will sie genannt werden – den Gästen zunächst die Obere Stadt mit der russisch-orthodoxen Alexander-Newski-Kathedrale, die Ende des 19. Jahrhunderts im Rahmen der Russifizierung erbaut wurde, und die Domkirche Sankt Marien. In der Unteren Stadt folgt das Alte Rathaus. Mit der Rekonstruktion der mittelalterlichen Altstadt Tallinns hatte man, laut Laila, schon zu Sowjetzeiten begonnen. Sie sei heute eine „sehr gute Rekonstruktion“.

      Ordensritter und ein Bischof

      Dass die im Norden traditionell beliebte Sauna früher ein heiliger Ort war, erfahren die Reisenden beim nachmittäglichen Besuch des Freilichtmu- seums Rocca al Mare vor den Toren Tallinns. In den Schwitzhütten fanden Geburten und Heilungen statt. Auch Sterbende brachte man dorthin, erklärt Museumsführerin Signe Paalandi. Saunas galten so als „Energieorte“.

      Zeit die eigenen Energiereserven aufzufüllen haben die Reisenden am nächsten Tag auf der 400 Kilometer langen Busfahrt nach Riga. Auf der Autobahn geht es zügig voran. Verlässt man sie, gleichen die Straßen im Baltikum oft noch Buckelpisten. Baustellen sieht man häufig.

      Bei einem Zwischenstopp an der Ordensburgruine im lettischen Sigulda lassen sich die meisten vom Regen nicht abhalten, einen Blick auf das große rote Kreuz im Giebel zu werfen. Einst kündete es weithin vom Herrschaftsanspruch der Ordensritter. Sie missionierten im Mittelalter große Teile des Baltikums. Heute sind die Esten überwiegend konfessionslos, Lettlands Bevölkerung ist größtenteils evangelisch und Litauens katholisch.

      Die lettische Hauptstadt Riga, von Bischof Albert im Jahr 1201 nach dem Vorbild Bremens errichtet, beeindruckt die Sonntagsblattleser am Folgetag mit seiner Jugendstilarchitektur, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstand. Etwa 700 Jugendstilgebäude gibt es hier, so Laila, die mit der Gruppe während eines Regenschauers kurzerhand in einer Kirche Unteschlupf sucht. In der katholischen St.-Jakobs-Kathedrale stimmen die Reisenden das Lied „Großer Gott wird loben dich“ an.

      Rigas Altstadt steht, wie die von Tallinn und Vilnius, auf der Unesco-Welterbeliste. In den baltischen Hauptstädten versteht man es dabei Vergangenheit und Moderne zu verbinden – alle drei waren bereits Kulturhauptstädte Europas. In Riga macht seit 2014 die wellenförmige Nationalbibliothek von sich reden.

      Volkslieder und ein Wallfahrtsort

      Das Reden ist Lailas Hauptbeschäftigung. Ob auf der Busfahrt in den lettischen Badeort Jurmala am Nachmittag oder auf der etwa 300 Kilometer langen Weiterfahrt am nächsten Tag nach Palanga, einem der beliebtesten Badeorte Litauens nahe der kurischen Nehrung: Unterwegs gibt Laila Informationen zum Baltikum. Sie erklärt beispielsweise, dass die baltischen Staaten im Zweiten Weltkrieg von Russland besetzt wurden und erst – angestoßen durch die sogenannte „Singende Revolution“ – 1990 und 1991 ihre Unabhängigkeit wiedererlangten.

      Das Singen hat mit den regionaltypischen Dainas, lettischen Volksliedern, und den Sängerfesten als Ausdruck des Nationalbewusstseins im Baltikum eine lange Tradition. Auch viele junge Menschen singen in einem Chor. „Wo man singt, da lass dich nieder; böse Menschen haben keine Lieder“, sagt Günther Albrecht aus Hammelburg im Bus vergnügt zu seiner Frau Annemirl.

      An Litauens bekanntestem Wallfahrtsort, dem „Berg der Kreuze“, den 1993 auch Papst Johannes Paul II. besuchte, besichtigt die Guppe die unzähligen großen und kleinen Kreuze. Sie werden hier seit dem 19. Jahrhundert aufgestellt – etwa für nach Sibirien deportierte Litauer. Eine Tradition, die selbst sowjetische Funktionäre nicht unterbinden konnten. Auf dem Rückweg zum Bus sagt der Hösbacher Rudolf Schüßler über die Kreuze: „Da stecken viele Schicksale dahinter.“

      In Klaipeda, jener Stadt an der Ostsee, die einst der Nordostzipfel Ostpreußens war und bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs Memel hieß, singen die Sonntagsblattleser das dritte Lied dieser Reise. Vor dem Brunnen mit der Figur des berühmten Ännchen von Tharau, einer Pastorentochter, lassen sie das gleichnamige Lied erschallen.

      Bootsfahrt und ein Gottesdienst

      Am nächsten Tag, einem Sonntag, geht es mit der Fähre auf die Kurische Nehrung. Die knapp 100 Kilometer lange Halbinsel gehört im Norden zu Litauen, im Süden zu Russland. Nachdem Petrus mit dem Sonnenschein in den vergangenen Tagen eher gegeizt hatte, genießen die Reisenden heute bestes Wetter. Manch einer, wie etwa Gertrud Heinrich aus Kahl, taucht am Ostseestrand sogar die Füße ins Wasser.

      Der Höhepunkt beim Besuch der Kurischen Nehrung ist, neben dem Bernsteinmuseum und dem Thomas-Mann-Haus in Nida, aber eine Bootsfahrt auf dem Haff, also der Wasserfläche zwischen Halbinsel und Festland. Vom Wasser aus blicken die Reisenden auf die Dünen. Der Kapitän muss jede Fahrt anmelden, denn die Grenze zum russischen Gebiet ist nahe. In der Ferne kreuzen Patrouillenboote. Zurück in Klaipeda besucht die Gruppe in der Kirche „Maria Königin des Friedens“ eine katholische Messe – auf Litauisch. Doch die Abläufe sind selbst in der Fremde vertraut. Das „Salve Regina“ am Ende singen die Gäste natürlich mit.

      Tags darauf geht es, mit Zwischenhalt an der Wasserburg in Trakai, weiter ins 350 Kilometer entfernte Vilnius. Die Stadt ist wegen vieler italienischer Baumeister als „kleines Rom“ bekannt. Auch hier gibt es viel zu entdecken. Laila zeigt die Schwarze Madonna, die spätgotische Bernhardinerkirche und die älteste Universität des Baltikums. Bevor es mit dem Flieger zurück nach Hause geht, empfiehlt sie noch den Aufstieg auf den Turm an der Sankt-Johannes-Kirche. „Das hat sich gelohnt“, sagt Thomas Bernard aus Pottenstein. So wie die ganze Reise durch das Baltikum.    

      Anna-Lena Herbert