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      Willkommen in Farbe

      Mel, ich brauch mehr Gelb!“, ruft der kleine Nduka quer durch den Raum und deutet grinsend auf sein buntes Weinlaubbild.
      Neben ihm taucht Hannes seinen Korken in tiefes Weinrot und stempelt Traube um Traube auf sein Gemälde. Kaum hat Melinda Hillion den Wunsch nach leuchtendem Herbstgelb erfüllt, rührt Nduka bereits in der cremigen Masse und setzt selbstbewusst einen großzügigen Fingerstrich auf sein Blatt.    Das freie Arbeiten mit Farbe macht dem Jungen aus Nigeria sichtlich Spaß. Obwohl er und sein Bruder Daniel in einer Flüchtlingsunterkunft in Kitzingen wohnen, kommen beide fast jeden Samstag zu Melinda Hillion nach Mainstockheim. Warum? „Weil es Spaß macht“, begründen die beiden kurz. Auch Shihan aus Syrien sowie Hannes und Greta haben dem nichts hinzuzufügen. Ohne weiteren Kommentar wenden sie sich ihren Bildern zu und fachsimpeln weiter über die nächste Farbe.    „Spaß an der Arbeit mit Kindern“ ist das, was auch Melinda Hillion als Hauptmotivation für ihr kostenloses Kinder-Kunst-Angebot nennt. Mit viel Liebe zum Detail hat die aus Frankreich stammende Künstlerin im März 2016 das alte Gasthaus Stern in Mainstockheim zu einem Atelier für Kinder umgestaltet. Fließendes Wasser gibt es zwar nicht, dafür atmet der Besucher mit jedem Atemzug Kreativität ein: Bunte Bilder an den Wänden regen zum Schmunzeln und Weiterschauen an, Farben verlocken zum Pinseln und Patzen, die weit geöffneten Fenster lassen Licht und Leben herein.   

      Licht und Leben

      Fünf bis 15 Kinder im Alter zwischen sechs und zwölf Jahren kommen jeden Samstag für ein bis zwei Stunden in Melinda Hillions Atelier für Kinder. Die Idee dahinter ist denkbar einfach: „Wir wollen einfach zusammen sein und Spaß haben“, sagt die Künstlerin und ehrenamtliche Caritas-Flüchtlingshelferin mit dem charmanten französischen Akzent. Was andere als richtungsweisendes Integra­tionsprojekt bezeichnen würden, ist für sie einfach ein Gebot der Stunde.   „Ich hasse den Begriff Integration“, betont sie: „Da steckt zu viel Politik drin.“ Mit ihrem Angebot wolle sie „einfach nur zu einem guten Zusammenleben verschiedener Nationen“ beitragen. „Ich kann keinen Deutsch-Unterricht geben, aber ich kann die Kinder und ihre Eltern spüren lassen: Ihr seid willkommen! Wir können zusammen Spaß haben und etwas auf die Beine stellen!“   Wie wichtig dieses Gefühl des Willkommen-Seins ist, weiß Melinda Hillion aus eigener Erfahrung. 1972 in Auray in der Bretagne geboren, verbrachte sie Kindheit und Jugend in Marokko und an der Elfenbeinküste. Weitere Stationen führten sie nach Frankreich, Kalifornien und Dänemark. Heute lebt und arbeitet die Künstlerin mit ihrem Mann Peter Brandner und den drei Söhnen in Mainstockheim.   

      Tür zur Freiheit

      Da sie selbst Arabisch spricht, fällt ihr der Brückenbau zu arabischsprechenden Kindern besonders leicht. Doch auch Kinder aus Nigeria, Togo und Deutschland kommen gerne zu ihr und lassen sich von der Kunst anstecken. Denn: „Kultur ist eine große Tür, die uns zur Freiheit führt.“   Um den Kindern ein Ziel zu geben, bindet Melinda Hillion ihr Angebot immer wieder in Buch-Projekte ein: Für „Ich bin du“ hat sich jedes Kind zunächst einmal selbst gemalt. Dann wurden die Bilder in drei Teile – Kopf, Körper, Beine – geteilt, so dass mit jedem Umblättern neue Kombinationen entstehen. Die Aussage dahinter ist einfach, aber wertvoll: „Wir sind alle gleich, ganz egal ob Du Junge oder Mädchen bist, schwarz oder weiß, aus Deutschland oder Syrien kommst.“   Mit dem Buchprojekt „Heim sweet Heim“ hat sich Melinda Hillion gemeinsam mit den Kindern dem Begriff Heimat angenähert. „Im ersten Schritt haben die Kinder ihr neues Zuhause gemalt“, erzählt sie. Im zweiten Schritt habe sich dann jeder Einzelne gefragt, was ihm an seiner neuen Heimat besonders wichtig ist. „Im Malen, Zeichnen und Darüber-Sprechen haben sich die Kinder ihre Heimat, die ihnen durch Flucht oder Vertreibung genommen wurde, zurückgeholt“, so Hillion. Und so öffnen die Kinder in ihren Bildern nicht nur die Türen ihrer neuen Häuser, sondern lassen den Betrachter auch einen Blick in ihr Herz werfen. Doch damit nicht genug – Melinda Hillions kreativer Einsatz für Flüchtlinge reicht noch weiter: Für ihr Projekt „WIR – Werkstatt.Integration.Runde“ wurde die Künstlerin im Oktober 2016 mit dem Integrationspreis der Regierung von Unterfranken ausgezeichnet.  

      Samen für Aleppo

      Jeden Mittwoch treffen sich Flüchtlinge und Bewohner des Alten- und Pflegeheims „Schloss Ebracher Hof“ in Mainstockheim zum Kochen, Backen, Basteln und Plaudern und spüren dabei „Wir brauchen uns – wir helfen uns“. Kinder – Einheimische wie Flüchtlinge – lädt sie einmal im Monat zu einem Ausflug ins Theater, Kino oder eine Ausstellung ein, um sie „für Kunst und Kultur zu sensibilisieren“. Manche Kulturschaffende wie das Theater Ensemble, der Kulturspeicher oder der Hiphop-Tänzer Dominik Blenk sponsern die Gruppe auch spontan. Mit einem Teil des Preisgelds hat die umtriebige Französin zudem ein Gartenprojekt gestartet, bei dem Flüchtlinge und Senioren Tomaten, Paprika, Kürbisse und Blumen anbauen. Die Ernte wird im Herbst an Familien verschenkt, die es brauchen können. Und die Samen der Pflanzen? „Die gehen als Hoffnungsbringer nach Aleppo“, strahlt Melinda Hillion – „damit wir dem Traum von einer Welt ohne Rassismus und Diktatur, in der alle Menschen frei und ohne Angst leben können, ein Stückchen näher kommen“.   Anja Legge