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      In Deutschland wird der Müll sortiert – Ob sinnvoll oder nicht: Eine Alternative ist nicht in Sicht

      Wenn ein Sack das Gewissen beruhigt

      In Deutschland wird der Müll sortiert – Ob sinnvoll oder nicht: Eine Alternative ist nicht in Sicht
      Er liegt regelmäßig am Straßenrand, gelb, aufgebläht, oft in Gesellschaft mit anderen. Doch wird er kaum wahrgenommen. Man hat sich an seinen Anblick, seinen rund zehnjährigen Einsatz, gewöhnt: der große Müllbeutel aus dünner Folie, wegen seines Farbtons als Gelber Sack bezeichnet. Das Gewissen des Verbrauchers ist beruhigt, sobald er diesen Sack fleißig füllt und an den Straßenrand stellt. Was anschließend damit geschieht, welchen Weg der sorgsam getrennte Müll nimmt, dafür interessieren sich die wenigsten.
       
      In den vergangenen Jahren ist es ruhig geworden um die anfangs heftig diskutierte Einführung des Dualen Systems Deutschland (DSD), eines zweiten (dualen) Wegs, um in Deutschland Verpackungsmüll zu entsorgen. Das System ist flächendeckend im gesamten Bundesgebiet eingeführt. Auch in Würzburg liegen die Gelben Säcke 14-tägig am Straßenrand und warten auf den Abtransport. Grundlage für diese Art der Abfallentsorgung ist die Verpackungsverordnung. Seit In-Kraft-Treten dieses Gesetzes müssen Unternehmen ihren Verpackungsmüll zurücknehmen. Dies können sie entweder selbst tun oder die Aufgabe gegen Zahlung einer Gebühr an das private und monopolistische Unternehmen DSD AG übertragen. Gezahlt wird ein Lizenzbetrag. Ein grüner Punkt auf der Verpackung kennzeichnet diese Lizenz.
       
      Recycling wird
      von Köln aus organisiert

      Seitdem kümmert sich die DSD AG um die Verpackungsabfälle, die Entsorgung des Restmülls bleibt Aufgabe der Kommunen. Direkt in Kontakt mit Verpackungsmüll kommt das Unternehmen DSD aber nicht. Von seinem Sitz in Köln aus delegiert es das Sammeln, Sortieren und Wiederverwerten an Firmen. Oder die Kommunen werden selbst tätig. So wie in der Stadt Würzburg, wo die Stadtreiniger die Säcke bei den privaten Haushalten abholen. Auch sortiert wird in Würzburg. Da das Abholen und Sortieren der Säcke keine städtische Pflicht ist, erhält Würzburgs Kämmerer hierfür jährlich ungefähr drei Millionen Euro vom DSD. Der Landkreis Würzburg dagegen hat selbst keinen eigenen Entsorgungsbetrieb. Hier holt eine Firma aus Gemünden im Auftrag des DSD die Säcke ab. Diese werden in Gemünden zum Teil automatisch, zum großen Teil aber per Hand sortiert. Berge von Folien, Hohlkörpern, PET-Produkten und Mischkunststoffen sammeln sich dann. Aber auch Tetra Paks oder Aluminium – so genannte Verbundstoffe, das heißt aus unterschiedlichen Materialien zusammengesetzte Stoffe – aus blauen Säcken landen in Gemünden. Die Blauen Säcke gibt es im Landkreis zusätzlich zu den Gelben. Die Stadt Würzburg verzichtet darauf und sammelt alles zusammen im Gelben Sack. Zwei unterschiedliche Sammelsysteme der beiden Kommunen, die sich aber auf das spätere Recycling nicht auswirken.
       
      Verbraucher zahlt im Jahr durchschnittlich 21 Euro
      Interessanter ist da schon, was aus den Säcken an falschem Inhalt mühsam aussortiert werden muss. 19 Prozent Fehlwurfquote im Landkreis, weit über 30 Prozent in der Stadt Würzburg. In anderen Städten ist die Quote sogar noch höher. Müll, der nach langem Abholen, Herumfahren und Sortieren schließlich im Würzburger Müllheizkraftwerk im Osten der Stadt landet. Mülltourismus nennt man dies heute oft sarkastisch. Auch dafür zahlt der Bürger. Nicht unmittelbar, aber doch indirekt als Aufschlag für jedes Produkt mit dem Grünen Punkt – durchschnittlich 21 Euro im Jahr.
       
      „Neues Chaos wäre
      vorprogrammiert“

      Das Duale System also als teures und noch dazu umweltfeindliches Machwerk der Abfallpolitik?
      „Eine Alternative ist überhaupt nicht in Sicht“, meint dazu Eva Leonhard, zuständig für den Fachbereich Abfall in der Berliner Geschäftsstelle des Bund Naturschutz (BUND). Zwar sei das DSD reformbedürftig und als „geringstes Übel“ anzusehen, doch es habe in den vergangenen Jahren viele technische Verbesserungen gegeben. So zum Beispiel das automatische Sortieren mit Nah-Infrarot oder verschiedene Verarbeitungsverfahren für Kunststoffe. Würde man das Müll-Trennen aufgeben, „wäre neues Chaos vorprogrammiert“. Die Abfallmengen sind nach Eva Leonhards Ansicht aber nur ein Symptom für die Ausrichtung unserer Gesellschaft: „Wir bauen auf Wachstum, das ist die Kernkrankheit.“
      Auch Dr. Hartmut Hoffmann vom Bund Naturschutz in Bayern und BUND-Sprecher des „Arbeitskreises Abfall“ sieht das jetzige System der Mülltrennung positiv. Ein Verbrennen des Abfalls im Müllheizkraftwerk sei zwar billiger, aber nicht ökologisch. Die hohen Kosten der DSD AG seien vielfach Personalkosten, vor allem für die vielen Entsorgerfirmen. Würde man das DSD abschaffen, fielen viele Arbeitsplätze weg.
       
      Hausmüllanalysen zeigen:
      Verpackungen im Restmüll

      Mülltrennen und -sortieren bietet Arbeitsplätze. Und das lässt momentan niemanden kalt, schon gar nicht die politisch Verantwortlichen. Doch das Argument „Arbeitsplatzschaffung“ sagt noch nichts aus über ein sinnvolles Abfallkonzept. Jüngste Hausmüllanalysen haben ergeben, dass im Restmüll erhebliche Mengen an lizensierten Verpackungen zu finden sind. Der Verbraucher zahlt hier für die Produkte mit dem Grünen Punkt den Verwertungsaufschlag und dann nochmals für die Entsorgung über die Restmülltonne. Vom „Unsinn in Tonnen“ sprach deshalb Georg Küffner in einem Kommentar auf der Titelseite der Frankfurter Allgemeinen Zeitung im Sommer dieses Jahres. Er plädierte dafür, die Mülltrennung nur auf wirtschaftlich lohnende Recyclingmaterialien wie Papier, Glas oder Plastikflaschen zu beschränken.
       
      „Jedes Recycling spart
      Rohstoffe und Energie“

      Doch davon hält Cornelia Mertens, Abfallberaterin des Landkreises Würzburg, wenig. Das Wichtigste sei, Rohstoffe einzusparen. „Das DSD-System ist umweltfreundlicher als die Billigschiene“, sagt sie überzeugt. Würde man das Sammeln und Trennen einschränken, wäre das ein Rückschritt, der Verbraucher wäre verunsichert und irritiert. Außerdem habe man für viele Produkte die sinnvolle Verwertung erst nach und nach entwickelt. Hätte man diese Produkte nicht gesammelt, wäre gar kein Anreiz für die Forschung auf dem Recyclingsektor da gewesen. Ähnlich sieht das auch ihr Kollege Gerhard Heimbucher, Abfallberater der Stadt Würzburg: „Jedes Recycling spart Rohstoffe und Energie, das System jetzt abzuschaffen, halte ich nicht für sinnvoll.“
      Doch ein Problem bleibt. Was in die Gelben Säcke darf, ist von Region zu Region unterschiedlich. In Würzburg sollen zum Beispiel Blechdosen in den Sack, andernorts gibt es dafür wieder extra Sammelbehälter. Die Bevölkerung ist überfordert. Auch das erklärt die großen Fehlwurfquoten. Dass man einen Joghurtbecher nicht auszuspülen braucht, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Denn aus dem Becher wird kein neuer Becher gemacht, sondern es entstehen Produkte, die mit Lebensmitteln nicht mehr in Berührung kommen. Doch was tun mit der kaputten Gießkanne, den alten Gummistiefeln, mit den Blumentöpfen, Rührschüsseln oder dem Spielzeug aus Plastik? Die meisten Bürger sind sich hier schon nicht mehr so sicher. Dabei dürfen all diese Produkte nicht in den Sack, sondern gehören in die Restmülltonne und werden verbrannt. Die Artikel bestehen allesamt aus Mischkunststoffen. Sie wieder zu trennen, ist zu schwierig, zu teuer.
       
      Wiederverwertung von
      Papier und Glas unbestritten

      Der Aufwand, die Kosten – Kriterien, die vor allem Kritiker des Gelben Sacks ins Feld führen. Viele Produkte seien gar nicht sinnvoll zu recyceln. Einigkeit herrscht noch bei Papier und Glas. Das Recyceln hat sich hier über Jahre bewährt. Auch Metall-Sammeln lohnt sich, wobei dieses auch magnetisch aus dem Restmüll herausgezogen werden könnte. Anders sieht das Ganze bei Kunststoffen aus. Verpackungen aus Kunststoff werden zwar immer beliebter, denn das Material ist langlebig, widerstandsfähig und wiegt wenig. Doch einfach ist eine Wiederverwertung nicht.
      Zu Beginn des DSD fing man an, Plastik getrennt zu sammeln, obwohl es noch keinerlei Anlagen gab, die Plastik auch verwerten konnten. Als dann die eingesammelten Verpackungen illegal auf ostdeutschen Müllkippen oder nach Afrika und Asien „entsorgt“ wurden, stand im Sommer 1993 der Grüne Punkt kurz vor dem Aus. Mittlerweile muss das DSD jedes Jahr nachweisen, was produziert, eingesammelt und recycelt wurde. Und auch die Technik des Kunststoffrecyclings ist einige Schritte weiter. Bei einer Zahnpastatube oder einem winzigen Milchdöschen bleibt zwar nur die so genannte rohstoffliche Verwertung als Methanol für die chemische Industrie oder als fossiler Brennstoffersatz zur Eisengewinnung im Hochofen. Sortenreine Kunststoffe können dagegen werkstofflich verwertet werden. Sie werden zu Granulat verarbeitet und es entstehen daraus Recyclingprodukte wie Kabelrohre, Rasengittersteine, Palisaden oder die Gelben Säcke.
      Auch die im Raum Würzburg gesammelten Kunststoffverpackungen enden so. Die Deutsche Gesellschaft für Kunststoffrecycling (DKR) holt die sortierten Verpackungen ab und bestimmt, wohin sie kommen, zum Beispiel in Verwertungsanlagen nach Arzberg oder Eisfeld.
       
      Müllsystem ist weltweit
      eines der teuersten

      Uli Martin, DKR-Leiter für Unternehmenskommunikation, verweist auf die Fortschritte durch das DSD. Zwar seien die Stückzahlen an Verpackungen nicht zurückgegangen, Umfang und Gewicht seien aber deutlich geringer geworden. „Ein Joghurtbecher wiegt heute weniger als noch vor einigen Jahren“, sagt er. Da Verpackungen (Lizenz-) Geld kosten, sei ein Anreiz für die Hersteller gegeben, sie leichter und dünner zu machen. Reduziert hat das die Verpackungsflut in Deutschland bisher aber nicht.
      Der fehlende Anreiz zur Abfallvermeidung ist als Kritikpunkt von allen Seiten zu hören. Dazu kommt, dass Deutschland sich weltweit eines der teuersten Müllsysteme leistet. Wohl deshalb hat sich im Oktober 2001 Konkurrenz zum DSD gebildet. Die Drogerieketten DM, Schlecker, Rossmann und Müller sind aus dem Dualen System ausgeschieden und lassen ihre Verpackungsabfälle kostengünstiger über die Firma Belland Vision im fränkischen Pegnitz entsorgen.
      Ökologische Ziele waren dafür nicht ausschlaggebend. Es kostet einfach rund ein Drittel weniger als beim DSD. „Konkurrenz belebt das Geschäft“, meint man dazu bei der Firma Belland Vision und verweist auf ähnlich positive Auswirkungen bei der Öffnung des Strom- und Telekommunikationsmarktes. Belland verwaltet und organisiert dabei, ähnlich wie die DSD AG, nur die Entsorgung.
       
      Bundeskartellamt überprüft Monopolstellung der DSD AG
      Das passte der Firma DSD überhaupt nicht. Es kam zum Rechtsstreit, der mittlerweile zugunsten der Konkurrenten entschieden ist. Momentan hat das Bundeskartellamt drei Verfahren gegen die DSD AG eingeleitet. In zwei Fällen soll der Kölner Entsorgungsriese dazu aufgerufen haben, Konkurrenzunternehmen zu boykottieren. Das dritte und interessanteste Verfahren betrifft die Monopolstellung des DSD. Als marktbeherrschender Anbieter eines Entsorgungssystems verstößt das Unternehmen möglicherweise gegen das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen. Laut Auskunft des Bundeskartellamts fällt eine Entscheidung erst im Sommer 2003. Ende 2003 laufen auch die Verträge der Entsorgungsfirmen und Kommunen mit dem DSD aus. Dann muss neu verhandelt werden.
      Letztlich ändert die Konkurrenzsituation am derzeitigen System der Abfallpolitik aber wenig. Denn Firmen wie Belland arbeiten nicht flächendeckend, sondern schneiden sich bisher nur einen kleinen Teil vom großen „Entsorgungskuchen“ ab. Der Verbraucher merkt davon aber kaum etwas. Der neue Entsorgungsweg läuft mit komplizierten Aufrechnungsverfahren und Entsorgungsquoten für ihn unbemerkt hinter den Kulissen ab. Eine Alternative bietet sich – lässt man den Wettbewerb und die damit mögliche Kostenersparnis für den Verbraucher außer Acht – schon gar nicht.
      Die Rückkehr zu einem „Ein-Tonnen-System“ wäre ein anderer Weg. Ein Pilotprojekt im hessischen Lahn-Dill-Kreis, das aber nicht weitergeführt wurde, ging diesen Weg. Bis auf Papier, Plastikflaschen und Bioabfälle wurde der gesamte Müll in einer Tonne gesammelt. Metall und Glas filterte man anschließend heraus, alles andere wurde getrocknet und als hochwertiger Brennstoff im Müllheizkraftwerk verbrannt. Doch was ökonomisch reizvoll ist, wäre in ökologischer Hinsicht ein Rückschritt, meint man vor allem beim Bund Naturschutz. Denn eines steht fest: Für die Ressourcenschonung ist das vom damaligen Bundesumweltminister Klaus Töpfer auf den Weg gebrachte System noch immer am sinnvollsten. Es aufzubauen war schwierig genug, zerstört man es wieder, hätte der bisher fleißig trennende Verbraucher jeden Glauben an den Nutzen von Recycling verloren.
       
      „Der Grüne Punkt
      führt zur Sorglosigkeit“

      Allerdings hat das in den 90er Jahren aufgebaute Duale System sein wichtigstes ursprüngliches Ziel nicht erreicht: Das Abfallaufkommen je Einwohner ist nahezu unverändert geblieben. Nur das Gewissen der Konsumenten ist aufgrund verschiedener Sammelbehälter und fleißiger Trennerei beruhigt.
      So sieht das auch Edmund Gumpert, seit Dezember 1990 Umweltbeauftragter der Diözese Würzburg. Der Start des DSD und sein Einstieg in den Job verliefen fast parallel. Und so hatte er sich „in der Anfangszeit sehr mit der Abfallproblematik beschäftigt“. „Der Grüne Punkt führt zur Sorglosigkeit“, prophezeite er bereits im Frühjahr 1992 in einem Artikel der Tageszeitung „Fränkisches Volksblatt“. Und auch heute sieht er sich noch bestätigt: „Abfallvermeidung funktioniert nicht, ist in den Hintergrund geraten.“ Die Bereitschaft der Bürger zu trennen sei zwar positiv, aber oftmals nur „ein Alibi für Umweltbewusstsein“, sagt Gumpert. Als Beispiel bringt er einen kleinen Joghurtbecher: „Ökologisch unsinnig, aber schön und praktisch, daher wird er produziert.“
       
      Probleme von riesigen
      Abfallmengen sind ungelöst

      In den kirchlichen Einrichtungen der Diözese, zum Beispiel bei der Caritas oder im Bischöflichen Ordinariat, wird das Duale System genauso wie in Durchschnittshaushalten genutzt. Doch Edmund Gumpert drängt hier auf Abfallvermeidung: Lieferanten werden beauftragt, in Gebinden (größere Behältnisse) zu liefern, statt in kleinen Portionsverpackungen. Oder in kirchlichen Küchen lautet die Devise: Frischprodukte aus der Region. „Gegen das Duale System als solches“ hat Gumpert nichts: „Ich weiß kein besseres System.“
      Mittlerweile gibt es den Grünen Punkt in 15 europäischen Ländern. Niemand weiß derzeit eine akzeptable Alternative. Gerade deshalb ist es ruhig geworden um die Müllentsorgung, auch in den Medien. Die Probleme von riesigen Abfallmengen sind damit nicht gelöst. Und spätestens, wenn nach 2005 kein unbehandelter Müll mehr auf deutschen Deponien abgelagert werden darf, werden auch die Diskussionen wieder einsetzen.