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      Einblicke in die Tätigkeit eines Militärseelsorgers

      Was die Menschen bewegt, ist überall gleich

      Der Deutsche Bundestag hat das Mandat der Bundeswehr für den Afghanistaneinsatz bis Ende Januar 2022 verlängert. Ein Einsatz von vielen, in dem die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr dienen. Jeder Auftrag bringt Stress und Gefahr mit sich. Um die Soldaten im Ausland, aber auch in der Heimat zu begleiten, gibt es seit 1955 die Militärseelsorge der Bundeswehr. Sie kümmert sich ums religiöse Leben bei der Armee, bietet Hilfe und Beratung an und erteilt „Lebenskundlichen Unterricht“. Wie die Arbeit eines Seelsorgers der Bundeswehr genau aussieht, erzählt Andreas Rudiger, Militärpfarrer bei der 10. Panzerdivision in Veitshöchheim.

      „Die Menschen sind überall gleich, und was sie bewegt, auch“, sagt Rudiger beim Gespräch in der Balthasar-Neumann-Kaserne. Der gebürtige Badener ist seit anderthalb Jahren für die rund 1100 Soldaten und zivilen Beschäftigten in Veitshöchheim und ihre etwa 1300 Kameraden aus der Mainfranken-Kaserne in Volkach zuständig. In seinem Beruf als Militärseelsorger hat er eigentlich die gleichen Aufgaben wie jeder andere Pfarrer auch: Gottesdienste feiern, Beichtgespräche führen oder Wallfahrten organisieren. Aber er kümmert sich eben auch um ganz andere Dinge, etwa die Betreuung der Soldaten im Auslandseinsatz. Von September bis November wird Rudiger selbst ins Ausland gehen und mit Kontingenten der ersten Deutschen Panzerdivision nach Afghanistan ziehen.

      Staatliche und kirchliche Pflichten

      Dass Rudiger irgendwann einmal Militärpfarrer werden würde und sogar in einen Auslandseinsatz geht, zeichnete sich in seinem Leben früh ab. „Ich war von 1982 bis 1984 Zeitsoldat und Ausbilder in der 12. Panzerdivision. Und in dieser Bundeswehrzeit hat sich eigentlich bei mir die Berufung zum Priester herauskristallisiert. Ich habe in der Zeit viel gelesen und viel erlebt, was meinen Glauben intensiviert hat. Das war für mich eine sehr gesegnete Zeit.“ Nach der Bundeswehr, bei der er auch zum Reserveoffizier ausgebildet wurde, machte Rudiger dann erstmal eine Zimmermannslehre, während der er auch das erste Mal ins Heilige Land pilgerte. Danach habe er dann in Freiburg sein Theologiestudium begonnen. Über seinen früheren Bezug zur Bundeswehr sei er dann nach seiner Promotionszeit und den Jahren als Priester in Kenzingen, Freiburg und Konstanz schließlich in die Militärseelsorge gekommen.

      In diesem besonderen Bereich der Seelsorge, sei er nicht nur für die Kirche, sondern auch für den Staat tätig. „Die Militärseelsorge ist ein ganz spezifisches Konstrukt“, erklärt Rudiger. Es handele sich erstmal um eine staatliche Oberbehörde. Kirchlich gesehen sei die Militärseelsorge eine Personaldiözese, die sich über das ganze Bundesgebiet erstreckt, sowie über die Auslandsstandorte der Bundeswehr. Die Leitung hat Militärbischof Franz-Josef Overbeck. Vom Militärbischofsamt in Berlin aus, wird über einen Generalvikar die katholische Seelsorge der Bundeswehr geregelt. Die jeweiligen Militärpfarrer an den Standorten, werden – ebenso wie Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten – für die Dauer ihres Dienstes von den Diözesen freigestellt.

      Während dieses Dienstes kommen auf die Seelsorger besondere Aufgaben zu. Zuerst die normalen Aufgaben eines Pfarrers, aber eben auch Militär-Spezifisches. „Der Militärseelsorger hat zwei Hüte auf, den staatlichen und den kirchlichen. Staatliche Pflichten sind etwa die Erteilung von Lebenskundlichem Unterricht, der für alle Soldatinnen und Soldaten verbindlich ist. Er wird als Ethikunterricht zu bestimmten Themenbereichen gehalten. Das andere sind Angebote wie Weltfriedenstage, Pilgerreisen ins Heilige Land und religiöse Werkwochen sowie Familienwochenenden. Die Gemeinschaftserfahrung gehört ebenso dazu wie das Feiern von Gottesdiensten, das Gespräch über religiöse Themen oder gemeinsame Wanderungen und Ausflüge, ein bisschen wie früher im Zeltlager.“

      Auslandseinsätze

      Generell sei die Familienarbeit ein besonders wichtiger Aspekt der Militärseelsorge. Dazu werden regelmäßig Standortgottesdienste in der Veitshöchheimer Kuratiekirche „Heilige Dreifaltigkeit“ gefeiert oder aktuell auch Corona-Bittgottesdienste, die zuletzt im Freien in der Kaserne stattfanden. Für die verschiedenen Gottesdienste, Wallfahrten und Pilgerreisen gibt das Militärpfarramt jedes Jahr ein Programm heraus. Feste Zeiten, etwa für Sonntags-Gottesdienste, seien aber schwierig, da die meisten Soldaten Pendler seien: „Sonntags ist hier nichts los. Ab Freitagmittag sind nur noch wenige Soldaten und Wachpersonal in der Kaserne“, erklärt Rudiger.

      Natürlich gebe es auch besondere Begebenheiten, auf die man sich als Seelsorger bei der Bundeswehr einstellen müsse: „Du hast es eben mit den konkreten Problemen der Soldaten zu tun. Das sind oft familiäre Probleme, weil die Soldaten im Dienst, gerade auch im Ausland, von ihren Familien getrennt sind. Dann gibt es natürlich nach Auslandseinsätzen auch Soldatinnen und Soldaten mit posttraumatischer Belastungsstörung. Dort muss man sich dann auch mit Ärzten, Psychologen und Sozialarbeitern absprechen.“ Den Dienst im Ausland, auch als Pfarrer, empfinde er als besonders wichtig: „Das Kerngeschäft steht mir jetzt noch bevor, also der Auslandseinsatz, wo die Soldaten mich am meisten brauchen und die Hemmschwelle am niedrigsten ist, auch Seelsorge in Anspruch zu nehmen.“

      Ein zentraler Punkt in der Seelsorge im Ausland sei sicherlich der Umgang mit Verwundung und Tod. Auch das Überbringen der Todesnachricht an Angehörige gehöre mit dazu oder das spontane und trotzdem würdevolle Leiten von Abschiedsgottesdiensten oder Feiern für gefallene Soldaten: „Es ist wichtig, dass man die Sprachlosigkeit, die Ohnmacht, die Verzweiflung, die Ängste verbalisieren kann.“ Das sei im Grunde der Auftrag des Militärseelsorgers, so Rudiger.

      Corona-Einsatz

      Er verstehe seinen bevorstehenden Auslandseinsatz auch als eine Feuertaufe. Im Ausland trage er wie alle anderen auch eine Uniform, nehme ganz normal am Leben im Camp teil, müsse sich vorher ärztlich seine Tauglichkeit für den Auslandseinsatz bescheinigen lassen. Als Seelsorger glaube er, dann besser mit Soldaten über ihre Erlebnisse im Einsatz reden zu können, einfach,weil er es dann selbst erlebt habe. Von Militärpfarrern werde erwartet, dass sie etwa alle zwei Jahre ins Ausland gehen: „Gezwungen werden wir nicht, aber wenn man sich mal unsere Kernkompetenzen anschaut, dann werden wir im Ausland am meisten gebraucht. Manche Soldaten kriegen überhaupt erst im Ausland mit, was die Seelsorge eigentlich so alles leistet.“

      Doch nicht nur im Ausland, auch in der Heimat müsse man als Seelsorger für die Soldaten da sein. Gerade helfen rund 25.000 Angehörige der Bundeswehr dabei, die Corona-Pandemie zu bekämpfen und unterstützen – bei Pflege, Impfungen und Teststrecken. „Ich habe schon zwei Debriefings gemacht, zusammen mit einer Oberfeldärztin, um mit den Soldaten in einer offenen Runde über ihren Einsatz gegen die Pandemie zu sprechen. Da kamen auch krasse Dinge raus, die zum Teil eine gewisse Hilflosigkeit widerspiegeln. Man wird ja mit Leid konfrontiert und mit Tod. Die Quintessenz war unter dem Strich aber trotzdem, dass die Soldaten die Erfahrung nicht missen wollten und ihnen dieser Dienst wichtig war.“

      Außerdem merke man durch den verstärkten Einsatz der Soldaten in der Corona- Bekämpfung, dass wieder vermehrt eine gewisse Anerkennung für den Soldatenberuf aufkomme. Durch die Abschaffung der Wehrpflicht sei die Bundeswehr aus dem Leben vieler Menschen verschwunden, Krisen wie die aktuelle machten den Menschen wieder augenscheinlich, wozu die Bundeswehr eigentlich da ist, nämlich um das Land zu beschützen und bei Katastrophen die Bevölkerung zu unterstützen. Die Militärseelsorge ist vielseitig, von der Familienarbeit bis zur Motorradwallfahrt, gibt es zahlreiche Angebote. Auch die Ökumene ist ein wichtiger Faktor. Die Soldaten seien nicht mehr so klar konfessionell gebunden wie früher, erklärt Rudiger. Heute sei nur noch etwa die Hälfte zuzuordnen, und auch von denen seien längst nicht alle praktizierend religiös: „Im Grunde ist das ein Spiegel der Bevölkerung.“ Daher feiere man in den beiden Standorten Veitshöchheim und Volkach abwechselnd katholische Messen und evangelische Gottesdienste. Wo gerade was gefeiert wird, das wechsle regelmäßig. Im Sinne der Ökumene seien immer
      alle Interessierten eingeladen, an allen Formen von Gottesdiensten teilzunehmen.

      Beschützen

      Andreas Rudiger hat in seinem Beruf als Militärpfarrer eine seelsorgerische Heimat gefunden. Die Tatsache, dass er als Geistlicher für eine Armee arbeite, die im Ernstfall auch zum Kämpfen da ist, widerspreche dem Christentum dabei überhaupt nicht: „In der Bundeswehr haben wir durch das Konzept der Inneren Führung eine christliche Grundlage. Die Innere Führung meint, dass der Soldat nicht nur Befehlen, sondern vor allem dem Grundgesetz unterworfen ist, und wie christlich das eigentlich ist, wissen viele gar nicht.“ Es gebe außerdem den Gedanken des „gerechten Krieges“, den Thomas von Aquin formulierte. „Diese Grundsätze kann man bis heute anwenden. Kriege entstehen nicht nur aus Mordlust und imperialistischen Gedanken, sondern auch etwa, wenn irgendwo ein Machtvakuum entsteht. Dann zur Friedenssicherung auch Gewalt anzuwenden, oder um Menschen zu beschützen, das ist durchaus christlich.“

      Dieser Gedanke des Beschützens sei ein Kernanliegen der Bundeswehr: „Das ist etwas, das Soldaten auszeichnet, dass sie im Einsatz ihre eigene Haut zu Markte tragen und dabei für das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes einstehen. Immer in dem Bewusstsein, ich mache mich gerade verwundbar oder komme, um meinen Auftrag zu erfüllen, sogar ums Leben.“ Diesen Männern und Frauen als Seelsorger zur Seite zu stehen sei daher absolut wichtig: „Schließlich war auch der erste, den Jesus nach seinem Tod bekehrte der Hauptmann der römischen Soldaten unter dem Kreuz, der sagte ,Wahrhaftig, das ist Gottes Sohn‘. Das ist kein Widerspruch Soldat und Christ zu sein.“

      Raphael Schlimbach