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      Wärmendes Glas

      Wenn man in größeren deutschen Städten auf Weihnachtsmärkte kommt oder im Advent durch die Straßen läuft, hat man manchmal den Eindruck, es gäbe irgend­eine Vorschrift, möglichst einheitlichen und wenig kreativen Weihnachtsschmuck aufzuhängen. Die Ausstellung „Christbaumschmuck aus Glas“ im Glasmuseum in Wertheim in Tauberfranken zeigt, wie viele kreative Möglichkeiten, welche Vielfalt, es in Wahrheit gibt. Drei Stockwerke und ein Nebenhaus – da gibt es viel zu sehen, eigentlich alles, was mit Christbaumschmuck zu tun hat.

      Das Kleine Haus zeigt die Entwicklung des historischen Christbaumschmucks in Thüringen als Grundlage für die Wertheimer Laborglasindustrie. Zu sehen sind rund 1000 Objekte aus der Zeit von 1840 bis in die Gegenwart, während im Haupthaus zehn in verschiedenen Moden und Epochenstilen geschmückte Naturbäume die Besucher erwarten. Da gibt es etwa einen nur mit weißen Figurinen geschmückten Jugendstilbaum, eine üppig herausgeputzte Belle Époque-Tanne und im Kontrast dazu einen streng geometrischen Baum im Bauhaus-Stil, der auch gar keinen Naturbaum mehr braucht, sondern nur noch ein technisch-industriell konzipiertes Gestell in Pyramidenform. An den Bäumen hängt alles Mögliche von handwerklich gearbeiteten Früchten aus Glas ab 1840 über erste maschinell geblasene Kugeln bis hin zu einem Potpourri aus modischem Schnickschnack.

      Ludwig und die Ente

      Der reicht von der poppigen, grellen Comicfigur über die kitschige König Ludwig II.-Büste bis hin zur massentaugliche chinesischen Grinsekatze – alles zum an den Baum hängen. „Derzeit sind Fahrzeuge en vogue“, sagt Museumsleiterin Marianne Tazlari, und tatsächlich hängen da kleine, putzige VW-Käfer, 2CV-Enten, Doppeldeckerbusse und Traktoren aufgereiht. Überraschen muss das nicht, denn früher hatte man bereits Graf Zeppelin-Luftschiffe am Weihnachtsbaum hängen – sicher alles nicht unbedingt christliche Motive.

      Das Glasmuseum ist nicht nur ein Anschau-Museum. Wo in anderen Museen Sirenen losgehen, wenn man sich einem Exponat nähert, fordern hier Plakate geradezu zum Anfassen auf. Es gibt auch eine Glasbläserwerkstatt, wo sich jeder Besucher seine eigene Christbaumkugel blasen kann und überall laden vielfältige Mitmachstationen zur Auseinandersetzung mit dem Gesehenen ein. Dabei gibt es unerwartete Aha-Effekte.

      Preussen am Baum

      Wer hätte gedacht, dass die Weihnachtsschmuckproduktion nur ein Folgeprodukt der industriellen Glasfertigung ist? Wer hätte nicht die großen, weißen,wuscheligen Faserbüschel, die in einer Ecke hängen, für Erzeugnisse aus „Plaste und Elaste“ gehalten? In Wahrheit sind’s Glasfasern, die als Dämmmaterial dienten und dann „Engelshaar“ wurden. Sie fühlen sich nicht wie kaltes Glas an, sondern sind warm und kuschelig.

      Und wer wüsste schon, dass die Christbaumspitze erst um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert aufkam und tatsächlich der preußischen Pickelhaube nachempfunden ist? Ach, noch was: Woran mag es wohl liegen, dass Vögel als Christbaumschmuck so beliebt sind? „Das liegt daran, dass Glasbläser Vogelkäfige in ihren Werkstätten hatten“, erklärt Museumsleiterin Tazlari, „denn beim Glasblasen wurde Sauerstoff verbraucht, und wenn die Vögel aufhörten zu zwitschern und die Flügel hängen ließen, wusste man: Es ist höchste Zeit zu lüften!“

      Der Islamische Baum

      Unter den zehn dekorierten Bäumen befinden sich neben dem pyramidenförmigen Bauhaus-„Baum“, dessen Form nach Plato für das Feuer steht, auch ein „Antiker Lichterbaum“, der eigentlich ein „Islamischer Lichterbaum“ ist. Wie das? Im Islam gibt es doch gar kein Weihnachten? Stimmt, aber was an diesem Baum hängt, ist Christbaumschmuck, der einer iranischen Öllampe aus dem 8. Jahrhundert nachempfunden ist, die in einer Moschee hing. Wahrscheinlich ist dieser Baum, der zu allem Überfluss keine Tanne, sonder eine Kiefer ist, sogar der authentischste Weihnachtsbaum von allen, da er am meisten an Bäume aus dem Heiligen Land erinnert, das nicht gerade für seine Tannen berühmt ist.

      Leonisches Strahlen

      Gleich dahinter steht der wohl heimeligste Baum des ganzen Museums, der „Leonische Baum“ aus der Belle Époque. Dieser Lichterbaum bezieht sein Strahlen aus feinen „Leonischen Drähten“, die sich um Kugeln und anderen Baumschmuck winden oder als Girlanden zwischen den Zweigen hängen. Sie haben nichts mit Leo, dem Löwen, zu tun, sondern stammen ursprünglich aus der spanischen Stadt León und aus dem französischen Lyon. Es handelt sich um glänzende Messingfäden, wobei zu den „Leonischen Waren“ auch Blattgold und Rauschgold gerechnet wird. „Selbst die Posamente in liturgischen Gewändern, die mit Metallfäden durchwirkt sind, zählen dazu“, erläutert Tazlari. In Nürnberg soll im 16. Jahrhundert der Franzose Anthoni Fournier erstmals Leonische Waren produziert haben. Noch heute ist dort der Sitz der Leoni AG, die Drähte und Kabel herstellt.

      Die Kehrseite

      Und wie haben die Glasbläser gelebt, die die Herrlichkeiten einst hergestellt haben? Ein Zuckerschlecken war ihr Leben wahrlich nicht. 16 Stunden am Tag haben sie geschuftet für kärglichen Lohn und Arbeits-, Wohn- und Schlafraum waren eins, selbst- redend verbunden mit enormen gesundheitlichen Risiken. 1910 bekannte ein Hersteller: „Ich habe acht Kinder und alle bis zum Jüngsten helfen bei der Arbeit, da kann ich leicht Preise machen, zu denen ein anderer nicht liefern kann.“ Das ist die andere Seite des schönen Christbaumschmucks.    

      Jerzy Staus