„Gemeinsam ist beiden nicht nur, dass sie nun als Selige verehrt werden dürfen, gemeinsam ist ihnen auch, dass ihre Seligsprechung nicht nur auf Zustimmung stößt. (...) Die Kritik entzündet sich auch an den Personen selbst; mit Verweis auf Begrenztheiten und Fehlverhalten wird ihr Vorbildcharakter angezweifelt. Aber worin besteht dieser Vorbildcharakter? In Vollkommenheit oder Perfektionismus? Nein – auch Selige, auch Heilige haben ihre Ecken und Kanten, sind unvollkommen, haben Schuld auf sich geladen. Das bringt das Leben auf dieser Welt mit sich. Und deswegen darf es bei einer Seligsprechung auch nicht darum gehen, das zu verschweigen oder zu kaschieren – aber auch nicht zu glorifizieren.
Selige und Heilige sind Menschen, in deren Leben und Wirken – zumindest stellenweise – das Wirken Gottes deutlich spür- und erfahrbar geworden ist. Zu dieser Heiligkeit sind wir alle berufen. Was ist da mehr Motivation zur Nachfolge? Wenn diejenigen, denen von der Kirche dieser Grad und damit Vorbildcharakter zugesprochen wird, auch Schwächen und Grenzen erkennen lassen? Oder wenn sie als makellose Idealgestalten gezeichnet werden, an deren Tugendgrad eh niemand herankommt? (...) Man findet solche Vorbilder nämlich keineswegs nur im Heiligenkalender, sondern auch im Hier und Heute, in der eigenen Umgebung.“ Aktuell genügt dafür ein Bilck in die vom Hochwasser betroffenen Gebiete, könnte man heute – zehn Jahre später – noch hinzufügen.
Wolfgang Bullin