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      Eine Ausstellung zeigt, wie religiöse Kleindenkmale einer Region Identität verleihen

      Steinerne Gebete säumen das Madonnenland

      Am 4. Juni eröffnet in Walldürn, passend zum Wallfahrtsmonat, die Ausstellung „Das Madonnenland – Sakrallandschaft Badisch Franken“. Zu sehen sind dann Bildstöcke, Kreuze und Kapellen, die alle von einem persönlichen Glauben erzählen und zugleich stellvertretend für ihre Zeit stehen. Felicitas Zemelka dokumentiert seit über 30 Jahren den Bestand und weiß auch vom Einfluss des Bistums Würzburg zu berichten. Das Sonntagsblatt begleitet sie auf einem Rundgang durch den Wallfahrtsort.

      Wer mit Felicitas Zemelka einen Spaziergang durch Walldürn macht, entdeckt etliche religiöse Kleindenkmale – darunter Kreuze und Bildstöcke, überwiegend mit Marienmotiven. Manche sind meterhoch, in exponierter Lage blicken sie auf den Beobachter von oben herunter. Wer die Inschrift kleinerer Denkmale entziffern möchte, muss sich gar bücken, versteckt lugen sie aus verwinkelten Gasse zwischen krummen Fachwerkhäusern hervor. Im Wallfahrtsort gibt es 85 Objekte, jedes erzählt seine eigene Geschichte. Ein kurzer Blick auf das Denkmal – und aus der Expertin sprudelt es nur so heraus: „Das ist ein typisches Missionskreuz, 1850. Die Inschrift lautet meistens ,Rette deine Seele‘. Diese Art von Kleindenkmalen erinnert an die katholischen Volksmissionen. Das hier ist eine Gemeinschaftsstiftung.“

      Begehrtes Diebesgut Kleindenkmale

      Bevor der Rundgang weitergeht, ein paar Worte zur Ausstellungskuratorin und zur Region. „Das Madonnenland – Sakrallandschaft Badisch Franken“ ist das Ergebnis von 38 Jahren Arbeit. Alles hatte 1985 begonnen. Antiquitätensammler waren auf die Reliefs und Figuren aufmerksam geworden. Köpfe von Bildstöcken verschwanden, Polizei und Landesdenkmalamt sprachen von einer Diebstahlserie. Nachweisen ließ sich diese Annahme aber nur schwer, es gab kein Dokumentationsmaterial. So nahm Felicitas Zemelka, Lehrerin und Mutter zweier kleiner Kinder, den Auftrag an, den Bestand an religiösen Kleindenkmalen im Madonnenland zu dokumentieren. „Im Grunde bin ich bloß mit einem Messstab, einem Dokumentationsblatt und einer Kamera losgelaufen“, erinnert sich die Frau aus Hettingenbeuern.

      Fünf Jahre lang spazierte sie im Neckar-Odenwald-Kreis von Ort zu Ort, lief über Flur-, Feld- und Waldwege, ließ sich von vorbeilaufenden Wanderern Hinweise geben. „Es gab nur eine lückenhafte Auflistung, deshalb musste ich suchen“, erzählt sie. Das Madonnenland erstreckt sich grob vom Neckar bis zum Main, genauer vom Altkreis Buchen bis hin zum Altkreis Tauberbischofsheim, wobei das Zentrum rund um Buchen liegt. Eine Region in Baden, die bis 1803 zu Franken zählte und in weiten Teilen der Kurmainz und dem Hochstift Würzburg angehörte.

      Katholisch geprägtes Baden

      Die Bevölkerung des Madonnenlandes war einst überwiegend katholisch, so lassen sich auch die vielen Stiftungen erklären. Laut Zemelka gebe es auch in protestantisch gewordenen Gegenden Denkmale, allerdings stammen sie entweder aus vorreformatorischen Zeiten oder seien jüngeren Datums. Zemelka sagt: „Die Verbundenheit mit dem katholischen Glauben und mit fränkischen Traditionen wirkt im Madonnenland bis heute nach.“

      Die Expertin berichtet über den Einfluss der ehemaligen Benediktinerabtei Amorbach, über die Marienverehrung und die Wallfahrten, die vom Bistum Würzburg und aus dem Aschaffenburger Raum ins Madonnenland ausstrahlten. Woran sie das festmacht? „Schon auf den frühen Bildstöcken aus dem 16. Jahrhundert begegnet einem die Pietà-Darstellung, die schmerzvolle Muttergottes mit dem gekreuzigten Jesus in ihren Armen. Auch als fränkisches Vesperbild bekannt.“ Zemelka nimmt an, dass Wallfahrer aus dem Madonnenland mit dem Eindruck dieser Mariendarstellung, etwa aus Maria Buchen, Dettelbach oder Schmerlenbach, zurückkamen und religiöse Kleindenkmale stifteten.

      Schicksale auf Buntsandstein

      Als Zemelka 1990 fertig geworden war, zählte sie 1650 Objekte. Sie vermaß jedes einzelne Kreuz, jeden Bildstock und jede Kapelle auf den Zentimeter genau, lokalisierte, datierte, bewertete den Zustand und legte Epoche, Stilrichtung und Stifter fest. Nicht selten stöberte sie in Archiven, suchte in alten Kirchenbüchern und Ortschroniken nach Hinweisen. Am Ende füllte sie 29 Aktenordner mit Dokumentationsunterlagen, wohlwissend, dass sie weite Teile des Madonnenlandes noch gar nicht erfasst hat – lag der Fokus doch zunächst auf dem Neckar-Odenwald-Kreis rund um Buchen. Zu religiösen Kleindenkmalen zählt die Expertin alle Objekte, die freistehend, ortsgebunden und von Menschen aus festem Material gefertigt sind. Der Baustoff des Madonnenlandes ist der Buntsandstein, über Jahrhunderte abgebaut in regionalen Steinbrüchen. Besonders faszinierend findet Zemelka aber die Geschichten hinter jedem Objekt. Stifternamen und Stiftungsanlässe aus den vergangenen sieben Jahrhunderten haben die Zeit überdauert. Individuelle Schicksale wie Tod und Krankheit, aber auch Bitt- und Dankanlässe sind zu lesen. Deshalb nennt Zemelka die Objekte gerne auch „steinernes Gebet“. Die Inschrift ist der Schlüssel. Und die Kunst des Entzifferns beherrscht die Expertin gut.

      Kulturpark Madonnenland

      Zurück zum Rundgang durch Walldürn. „Hier den Berg runter ist eine Nepomukstatue.“ Dann gleiten ihre Finger über den Text. Aber sie liest nicht, sondern fängt an zu rechnen. „Das ist ein Chronogramm. Auf den ersten Blick sind auf der Inschrift nur Buchstaben zu erkennen. Doch einige sind größer und stehen für römische Ziffern. Die Statue ist von 1755.“ 200 Meter weiter, auf Kopfsteinpflaster entlang, entdeckt die Expertin eine von vielen Mariendarstellungen. Ohne lange zu überlegen, sagt sie: „Ganz klar eine Immaculata. Zwölf Sterne um das Haupt, Demutshaltung, Halbmondsichel, Engel, 1753.“ Es geht weiter, den Berg hoch in Richtung Basilika. „Das ist eine original barocke Marienfigur. Sie ist vermutlich restauriert worden.“ Danach zeigt sie auf den Wallfahrtsplatz. „Dahinten, da ist eine Mariengrotte, 1890 erbaut. Das ist ein typischer Nebenschauplatz. Nach der Marienerscheinung in Lourdes wurde die Vision der Bernadette Soubirous vielfach kopiert.“

      Die Erforschung von Kleindenkmalen ist für Zemelka schnell zum Hobby geworden, eine digitale Bilddatenbank entstand. Bislang sind 2000 Objekte darin verzeichnet, deutlich mehr sind bekannt und stetig kommen weitere hinzu – aktuell vor allem aus dem Altkreis Tauberbischofsheim. Seit Langem arbeitet die Expertin mit Heimatvereinen zusammen. Sie sagt: „Insgesamt rechnen wir mit 4000 Kleindenkmalen im Madonnenland. Die Dokumentation ist als Einzelkämpferin gar nicht zu schaffen.“ 2016 gründete sie deshalb mit weiteren Ehrenamtlichen den Verein „Kulturpark Madonnenland“. Das EU-Förderprogramm LEADER, das Entwicklung im ländlichen Raum fördert, ermöglichte schließlich eine Wanderausstellung. „Damit kann ich auch Menschen erreichen, die sich zufällig in die Ausstellung verirrt haben.“ Und vielleicht inspiriere das auch den ein oder anderen, die Wanderschuhe auszupacken.

      Prägend für die Region

      Zemelka treibt der Wunsch an, die religiösen Kleindenkmale als Kulturschätze in der öffentlichen Wahrnehmung zu verankern. Trotz Ressentiments gegenüber der Kirche hofft sie, dass das religiöse Erbe für die Menschen im badischen Hinterland zum Teil ihrer Identität wird. „Diese Schätze prägen die Region stark, verweisen auf die Zeit, in der sie entstanden sind. Sie sind ein Stück Frömmigkeitsgeschichte, die wir wertschätzen sollten“, erklärt Zemelka und betont, dass Kleindenkmale weder bloßes Produkt der Gegenreformation seien, noch ein Relikt vergangener Zeit. „Seit sieben Jahrhunderten werden kontinuierlich Bildstöcke, Kreuze und Kapellen gestiftet. Auch heute.“ Wer Zemelka zuhört, dem wird schnell klar, dass es ihr nicht nur um eine Beschreibung von Wegkreuzen und Kapellen geht. In den „steinernen Gebeten“ schlagen sich auch der gesellschaftliche Wandel, wichtige geschichtliche Ereignisse, kunsthistorische Strömungen, die Volksfrömmigkeit und das persönliche Glaubensleben nieder – alles Themen der Ausstellung. Zum Schluss noch ein kleines Beispiel aus Walldürn. Direkt vor der Fassade der Basilika, wohlgemerkt freistehend, bleibt die Expertin vor einem Kreuzdenkmal stehen: Steinsockel, Kreuz und Korpus. So weit, so unauffällig. Zemelka: „Kreuz und Korpus sind separat gefertigt, das sieht man vermehrt ab dem 18. Jahrhundert. Die frühen Kleindenkmale zeigen Jesus als Relief, er setzt sich plastisch vom Hintergrund ab, sozusagen aus einem Teil gefertigt.“     

      Galina Bauer

      Stichwort „Madonnenland“

      Die Regionsbezeichnung „Madonnenland“ taucht erstmals 1927 in dem Roman „Peter Brunnkant“ von Hermann Eris Busse auf. Der Autor lässt seinen Titelhelden durch Baden wandern und lässt ihn die Gegend – auch den nördlichsten Teil, der bis 1803 zu Franken gehörte, – charakterisieren. Wegen der zahlreichen Mutter-Gottes-Darstellungen bezeichnet der Held die Region als „Madonnenland“. Ab den 50er Jahren taucht der Name in Touristenführern und Prospekten auf und ist für die Bevölkerung identitätsstiftend geworden.

      Die Ausstellung

      Die Ausstellung „Madonnenland – Sakrallandschaft Badisch Franken“ zeigt steingewordene Zeichen einer christlich geprägten Vergangenheit Badisch-Frankens. Die Ausstellung stellt die „steinernen Gebete“ als Zeugnisse der Kirchen- und Kunstgeschichte sowie Glaubens- und Frömmigkeitspraxis in den Kontext verschiedener Epochen, geschichtlicher Ereignisse und gesellschaftlichen Wandels. Besucher erwarten über 50 Ausstellungstafeln von Bildstöcken, Kapellen, Kreuzen, Stiftungsanlässen und deren Einordnung; Wendetafeln mit Heiligenviten, die am häufigsten auf Kleindenkmalen vertreten sind; Multimediastationen, darunter auch ein Angebot für Kinder ...

      Die Ausstellung ist bis Mitte August in der „Galerie Fürwahr“ in der Hauptstraße 26–28 in Walldürn zu sehen. Geöffnet ist immer sonntags, sowie an den Donnerstagen am 8., 15. und 29. Juni, jeweils von 14 bis 17 Uhr. Zusätzliche Öffnungszeiten, Termine und weitere Ausstellungsorte findet man auf der Homepage www.kulturpark-madonnenland.de. Vereinbarung von Terminen für Besuchergruppen und Führungen unter info@kulturpark-madonnenland.de.