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      Kooperationsprojekt rückt die tragenden Rollen von Frauen in den Fokus

      Starke Schultern

      Frauen in Deutschland und in Tansania stellen sich gemeinsam die Frage: Wissen wir vom „Gepäck“ der anderen – und wie kann Solidarität daraus entstehen? Das Besondere an diesem Projekt: Drei kirchliche und drei nicht-kirchliche Fachstellen tun sich zusammen; mit dabei ist auch die Frauenseelsorge des Bistums Würzburg, vertreten durch Sabine Mehling-Sitter, Gemeindereferentin und Referentin für Frauenseelsorge.

      Was verbirgt sich hinter dem Kooperationsprojekt?

      Es geht um ein Bewusstmachen, was Frauen in unserer Gesellschaft hier in Deutschland aber auch in Tansania tatsächlich tragen. Und ich meine das Tragen in seiner ganzen Bandbreite. Physisch tragen sie Tag für Tag Taschen, Körbe, Kinder, Kisten. Aber eben auch im übertragenen Sinne: Verantwortung im Beruf, in der Familie, in der Politik, in der Wirtschaft und in der Kirche. Darüber ­hinaus ertragen Frauen sehr viel: Ungerechtigkeiten, Diskriminierung, Rassismus, Sexismus, Machismus. Es geht um Frauen-Solidarität. Nur wenn wir voneinander wissen, können wir uns stärken. Und Stärkung ist nötig. Oft stehen und wirken Frauen im Hintergrund. Es ist selbstverständlich, sie oder ihre Arbeit werden nicht wertgeschätzt. Das Ziel der Gleichstellung aller Geschlechter ist ein hohes Ziel und beginnt im Kleinen.

      Gestartet ist das Projekt kürzlich mit einer Podiumsdiskussion, bei der sich Frauen aus unterschiedlichen Kulturkreisen ausgetauscht haben. Wie haben Sie das Zusammentreffen erlebt?

      Der Abend war erfüllend und sehr bereichernd. Die sechs Frauen auf dem Podium haben von ihren tragenden Rollen und Aufgaben erzählt in Gesellschaft, Wirtschaft, Politik und Kirche. Bei jeder Frau spürte man deren Leidenschaft und ihr Herzblut für die Sache; das war beeindruckend. Fakt ist, dass wir Frauen noch viel mehr davon erzählen müssen, was wir tun und was uns bewegt, um sichtbarer zu werden – damit dies Mädchen und junge Frauen ermutigt, ihren Weg zu finden.

      Was gab den Anstoß dazu?

      Die Idee kommt von Kolleginnen aus Augsburg, als Spendenaktion für das Frauenmissionswerk. Aber für uns war es eben mehr als nur eine Taschensammelaktion. Wichtig ist uns die Bewusstseins- und Bildungsarbeit zu dem großen Thema Gleichstellung.

      Wer sind die Projektbeteiligten?

      Es ist ein buntes Team aus einerseits kirchlichen Stellen und Verbänden: dem Frauenbund, der Diözesanstelle Weltkirche, der Frauenseelsorge. Und andererseits der Stadt Würzburg in Form der Gleichstellungsstelle und dem Internationalen Büro, sowie dem Verein Mwanza e.V., der sich um die Städtepartnerschaft zwischen Würzburg und Mwanza kümmert.

      Verbunden mit dem Projekt soll eine besondere Aktion im Juli stattfinden ...

      Höhepunkt und Abschluss ist der Taschenflohmarkt am 7. Juli von 15 bis 21 Uhr auf dem Würzburger Domvorplatz. Der Erlös kommt Frauenprojekten in Tansania und Projekten des Frauenmissionswerks zugute. Seit Wochen sammeln Frauen in ganz Unterfranken eifrig ihre noch gut erhaltenen Taschen und Rucksäcke und geben sie bei uns für den Flohmarkt ab.

      Sind weitere konkrete Projekte in diesem Jahr geplant?

      Ja, es gibt einiges in Kooperation mit anderen Veranstaltern zum Thema Gleichstellung, Equal Pay, Equal Care, aber auch kunstpädagogische, theologische und spirituelle Themen. Dazu gibt es bald das Heft der Stadt Würzburg „Würzburg sagt JA zur Gleichstellung von Frauen und Männern und aller anderen Geschlechter“.

      Wie ist Kirche Ihrer Ansicht nach in punkto Gleichstellung aufgestellt?

      Das ist ja ein seit Jahren in der römisch-katholischen Kirche viel diskutiertes Thema. Auch ist es ein Hauptthema des Synodalen Wegs. In den deutschen Diözesen bemüht man sich, den Frauenanteil bei der Besetzung von Führungspositionen zu erhöhen. Das eigentliche Problem ist jedoch die Verquickung von Leitung und Weiheamt. Und da den Frauen der Zugang zu den Weiheämtern versagt wird, ist letztlich Gleichberechtigung nicht möglich. Die pastorale Arbeit in den Gemeinden, den Verbänden wird überwiegend ehrenamtlich von Frauen getragen. Viele hauptamtliche Seelsorgerinnen vor Ort sind für die Menschen Ansprechpartnerinnen und Repräsentantinnen der Kirche – aber im letzten sind sie immer abhängig vom Wohlwollen der Männer der Amtskirche. Das frustriert viele. Dass es anders geht, zeigen die evangelischen, anglikanischen oder altkatholischen Schwesterkirchen. Meine große Hoffnung ist, dass auch die römisch-katholische Kirche die Zeichen der Zeit erkennt und einen Schritt Richtung Zukunft wagt.

      Was fordern andere, die mit in der Runde saßen?

      Ein Diskussionsthema war die Notlage von Schwangeren und die medizinische Versorgung bei einem eventuellen Schwangerschaftsabbruch; aber auch die Forderung nach guten Betreuungsangeboten für Kinder beziehungsweise die Möglichkeit für Mädchen (in Tansania), kostenlos zur Schule zu gehen; politisch wurde eine Geschlechter-Parität in der parlamentarischen Demokratie gefordert („Frauen-Quote“); die Umsetzung der Istanbul-Konvention auch in Deutschland, zum Beispiel durch Koordinierung von Anlaufstellen bei Gewalterfahrungen; das Einmischen bei Diskriminierungserfahrungen, sei es aufgrund des Geschlechts oder der Hautfarbe/Herkunft; mit Blick auf den drohenden Pflegenotstand die Forderung nach ganz konkreten Maßnahmen dagegen; Anerkennung von außereuropäischen Schul- und Bildungsabschlüssen; die Ermöglichung für Asylsuchende, hier ihren Platz zu finden und sich integrieren zu können; die Beseitigung des sogenannten „Gender-Gap“, dass also Frauen immer noch weniger verdienen als männliche Kollegen, und das Bewusstmachen von drohender Altersarmut besonders von Frauen, die gar nicht oder nur Teilzeit gearbeitet haben; eine erhöhte Aufmerksamkeit zum Beispiel gegen sexistische Werbung beziehungsweise das Frauenbild, das durch Pornographie und Prostitution vermittelt wird; insgesamt die Beachtung der Würde der Frau.

      Gibt es Planungen oder gar schon Konkretes mit den Partnerbistümern Würzburgs in Tansania und Brasilien?
      Tatsächlich wollten wir aktiv die Menschen in der Partnerdiözese Mbinga mit einbeziehen. Allerdings hat sich herausgestellt, dass es durch die kulturellen Unterschiede schwierig ist, das Thema dort bildungstechnisch zur Sprache zu bringen. Aber wir bleiben dran. Immerhin schicken uns tansanische Frauen demnächst ihre selbstgenähten Taschen, damit wir sie beim Flohmarkt anbieten. Das ist schon mal ein Anfang.

      Wie kann es Ihrer Meinung nach gelingen, Frauen in aller Welt in ihren Rollen zu stärken?
      Da fallen mir drei Punkte ein: Bildung, Kommunikation, Solidarität. Wichtig ist es meiner Meinung nach zuerst, dass Frauen die Möglichkeit haben, ihre Rollen selbst zu wählen – also eine Entscheidungsfreiheit, wie sie ihr Leben gestalten wollen. Denn durch die Ermöglichung von Bildung – einen Beruf zu erlernen, finanziell unabhängig zu werden – stärken wir die Chancen auf Wahlmöglichkeiten. Dann die Kommunikation: Ich muss von den anderen wissen, wie es ihnen geht, damit ich sie unterstützen oder Hilfe anbieten kann. Viele Frauen schämen sich, von ihrer finanziellen oder emotionalen Notlage zu erzählen. Das darf kein Tabu-Thema mehr sein. Und nicht zuletzt die Solidarität. Frauen wie Männer müssen bereit sein, andere Rollenverständnisse und Lebensentwürfe zu akzeptieren oder zumindest zu respektieren. Unterschiedliche Lebensentwürfe sollten angenommen und als Bereicherung für die Gesellschaft wahrgenommen werden. Solidarität würde sich außerdem in der Ermöglichung von Kinderbetreuungsangeboten oder mehr Homeoffice sowie besseren Teilzeitarbeits- oder Fortbildungsangeboten ausdrücken. Gleichstellung beginnt in den Köpfen aller. Und nicht zuletzt müssen wir uns vehement für die Würde der Menschen (egal welchen Geschlechts) einsetzen – in Würzburg, in Deutschland, in Tansania und weltweit.    

      Interview: Judith Bornemann

      Taschen-Spende
      Informationen zur Taschen-Spende gibt die Frauenseelsorge, Am Kürsch­nerhof 2, Kilianshaus, 97070 Würzburg, Telefon: 0931/386-65 203, Internet: www.frauenseelsorge.bistum-wuerzburg.de.