Eigentlich stammt der Begriff Resilienz aus der Physik. Er beschreibt, wie ein elastischer Stoff sich nach einer äußeren Einwirkung wieder in seinen Ursprungs­zustand zurückformt. Auf den Menschen bezogen bezeichnet Resilienz „unsere Stehaufmännchen-Qualitäten“, erklärt Anja Bayer, Heilpraktikerin auf dem Gebiet der Psychotherapie und Logotherapeutin, die nach eigener schwerer Krankheit selbst weiß, wie es sich anfühlt, wenn das Leben einen beutelt. „Es ist die Fähigkeit, eine Krise gut durchzustehen oder sogar an ihr zu wachsen. Resilienz ist innere Stärke, seelische Widerstandskraft. Sie schützt uns auch vor Stress.“ Grundsätzlich lehre das Leben selbst Resilienz, so Bayer weiter. Wer sich ins Bewusstsein rufe, was er alles schon überstanden und gemeistert hat, stärke seine Resilienz auf ganz natürliche Weise.

Dinge akzeptieren

Doch in manchen Situationen reicht die Kraft einfach nicht aus, es braucht Impulse von außen. Deshalb bietet Anja Bayer in ihrer Münchner Praxis seit 2020 auch Resilienz-Coachings an. Angenommen wird das von Menschen in ganz unterschiedlichen Situationen: Da ist etwa die junge Mutter, die sich liebevoll, aber bestimmt gegen die Erwartungen der Schwiegereltern abgrenzen möchte, der Firmengründer, der vor einem Rechtsstreit seine Kräfte bündeln will oder die Bankerin, die ihrem Burnout mit Entspannung und Selbstfürsorge begegnen will.

Was Anja Bayer im Training als erstes vermittelt, ist die entschlossene Akzeptanz des Ausgangszustandes. Indem wir die Dinge akzeptieren, wie sie sind, setzen wir „ungeahnte Kräfte frei und bahnen der Selbstwirksamkeit den Weg“. Konkret bedeutet das: Verantwortung für die eigene Situation übernehmen, mit sich selbst und der Gegenwart in Kontakt sein, lösungsorientiert denken. Wer sich also in der Krise Hilfe holt, ist den ersten Schritt zu mehr Resilienz bereits gegangen. Der Weg zu mehr Gelassenheit und innerer Stärke hat dann je nach Person und Situation verschiedenste Facetten. Wer sich selbst auf die Entdeckungsreise machen will, kann dabei folgende Schritte gehen:

➢Lernen Sie Ihre Grenzen kennen und achten Sie diese!

Wer seine Grenzen spürt und ernst nimmt, läuft weniger Gefahr, sich zu verausgaben. Wir müssen nicht alles können und nicht immer 100 Prozent leisten. Wenn andere zu hohe Forderungen stellen, heißt es, auf die innere Stimme zu hören, die eigenen Grenzen notfalls auch mal nach außen zu verteidigen und sich zu trauen, freundlich, aber bestimmt Nein zu sagen.

➢Beobachten Sie Ihre Gedanken und lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit!

Welche Auswirkungen äußere Belastungen auf das innere Wohlbefinden haben, hängt maßgeblich davon ab, wie wir sie bewerten und mit welcher Einstellung wir ihnen begegnen. Belastende Gefühle entstehen zum größten Teil durch negative Gedanken – Zukunftssorgen, Selbstzweifel, Vorwürfe gegen sich oder andere. Entlarven Sie zunächst Gedanken als das, was sie sind: Gedanken. Probieren Sie dann aus, was passiert, wenn Sie den negativen Gedanken positive, optimistische Gedanken zur Seite stellen. Lenken Sie Ihre Gedanken schließlich auf etwas, was Sie persönlich als so sinnvoll erleben, dass Sie sich dem gerne widmen. Das können achtsame Beziehungen ebenso sein wie eine erfüllende berufliche Tätigkeit oder ein Hobby.

➢Nehmen Sie Ihren Körper wahr und finden Sie Entspannung!

Eine liebevolle Beziehung zum eigenen Körper ist essenziell. Der Körper sendet als erster Warnsignale, wenn etwas aus der Balance geraten ist. Und er ist auch der erste, der uns dankt, wenn wir in die Balance zurückfinden. Dauerstress oder wiederkehrende negative Gedankenmuster versetzen den Körper in permanente Alarmbereitschaft, chronische Erschöpfung ist die Folge, was wiederum die Stressempfindlichkeit erhöht. Meditation, Achtsamkeitspraxis, Autogenes Training oder Progressive Muskelentspannung sind wichtige Werkzeuge zur Stressbewältigung. Entscheidend ist dabei nicht die Technik, sondern das Tun. Als Faustregel gilt: Lieber wenige Minuten täglich als einmal pro Woche eine Stunde. Bewegen Sie sich außerdem regelmäßig an der frischen Luft und Sie werden spüren, wie die inneren Selbstheilungskräfte aktiviert werden.

➢Machen Sie sich auf die Suche nach Sinn und gehen Sie liebevoll mit sich um!

Wir brennen am schnellsten aus, wenn wir dauerhaft Tätigkeiten nachgehen, die wir als sinnwidrig empfinden. Und wir verlieren dort am meisten Energie, wo wir im Streit mit uns selbst liegen. Wer dagegen die Weichen im Leben so stellt, dass das, was er oder sie persönlich als sinnvoll empfindet, genug Raum bekommt, sagt nicht nur Ja zu seinen Entscheidungen, sondern auch zu sich selbst. So geht es raus aus der Problemtrance und rein in den Flow.

➢Geben Sie der Spiritualität Raum!

Als „Resilienzfaktor mit besonderer Tragweite“ bezeichnet Anja Bayer den persönlichen Zugang zu Spiritualität. „Es gibt einen größeren Sinn, den wir nicht erfüllen können, weil er aus sich selbst heraus immer schon erfüllt ist“, sagt die gläubige Christin. „Wir alle sind bereits Teil von diesem größeren Sinn, und sich von ihm tragen zu lassen, verlangt nur ein bisschen Hingabe: Dasein. Geschehen lassen. Ganz sein. Bewusst sein. Gegenwart.“ Wie das geht? „Indem wir immer wieder Kontakt zum Hier und Jetzt aufnehmen. Indem wir die Lebendigkeit des Lebens wahrnehmen. Indem wir Bewusstsein für den Atem entwickeln, für den inneren und den umgebenden Raum. Indem wir die Stille entdecken und ab und zu in ihr zur Ruhe kommen.“ Wer sich immer wieder der spirituellen Dimension des Lebens öffne, flieht nicht etwa vor der Wirklichkeit, sondern kann sich dem Leben voller Freude und Energie widmen.

Anja Legge

Sieben Soforthilfen zur Stärkung der Seelenkräfte

1) Täglich 30 Minuten Bewegung oder Sport an der frischen Luft.

2) Mindestens einmal am Tag bewusst etwas Gesundes essen.

3) Täglich ein Gespräch mit einem Menschen, der mir guttut oder dem ich guttue.

4) Jeden Tag eine Sache machen, die mir Freude bereitet.

5) Jedem Tag eine klare Struktur geben.

6) Öfter mal eine Verschnaufpause ­einlegen – innehalten, die Augen schließen, drei Atemzüge lang das Nichtstun genießen.

7) Lächeln – auf der Straße, im Videocall, im Hausflur, beim Kartoffelschälen, beim Staubsaugen, in der Me­ditation, im Spiegel und im Herzen.

Das Resilienz-Wochenende „Wie wir unsere seelischen Widerstandskräfte stärken“ findet von Freitag, 14. April 2023 (15 Uhr), bis Sonntag, 16. April 2023 (13 Uhr), im Exerzitienhaus Himmelspforten in Würzburg statt. Der Kurs vermittelt zentrale Aspekte der Resilienz, bietet Gelegenheit zu Selbsterfahrung und Austausch und gibt praktische Hilfen für zu Hause an die Hand. Kosten: 370 Euro inkl. Verpflegung, Kursgebühr und Übernachtung. Anmeldung und Kontakt: ­Exerzitienhaus Himmelspforten, ­Mainaustraße 42, 97082 Würzburg, Telefon: 0931/386-68000, E-Mail info@himmelspforten.net.