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      Gedanken zum Sonntagsevangelium von Birgit Pottler, Würzburg.

      Raum zum Aufbruch

      Gedanken zum Sonntagsevangelium von Birgit Pottler, Würzburg.
      Evangelium
      Es war einige Tage vor dem Osterfest. Als sie in die Nähe von Jerusalem kamen, nach Betfage und Betanien am Ölberg, schickte Jesus zwei seiner Jünger voraus. Er sagte zu ihnen: Geht in das Dorf, das vor euch liegt; gleich wenn ihr hineinkommt, werdet ihr einen jungen Esel angebunden finden, auf dem noch nie ein Mensch gesessen hat. Bindet ihn los, und bringt ihn her! Und wenn jemand zu euch sagt: Was tut ihr da?, dann antwortet: Der Herr braucht ihn; er lässt ihn bald wieder zurückbringen. Da machten sie sich auf den Weg und fanden außen an einer Tür an der Straße einen jungen Esel angebunden, und sie banden ihn los. Einige, die dabeistanden, sagten zu ihnen: Wie kommt ihr dazu, den Esel loszubinden? Sie gaben ihnen zur Antwort, was Jesus gesagt hatte, und man ließ sie gewähren. Sie brachten den jungen Esel zu Jesus, legten ihre Kleider auf das Tier, und er setzte sich darauf. Und viele breiteten ihre Kleider auf der Straße aus; andere rissen auf den Feldern Zweige von den Büschen ab und streuten sie auf den Weg. Die Leute, die vor ihm hergingen und die ihm folgten, riefen: Hosanna! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn! Gesegnet sei das Reich unseres Vaters David, das nun kommt. Hosanna in der Höhe!
      Markus 11,1–10
       
      Eine halbe Million Menschen sollen es gewesen sein. Noch vor acht Wochen erlebte Berlin eine der größten Friedensdemonstrationen der Nachkriegszeit. Männer, Frauen und Kinder zogen über die kilometerlange Strecke zwischen Siegessäule und Brandenburger Tor. Mehr als doppelt so viele Menschen gingen zeitgleich in Rom auf die Straße. Schals und Fahnen in Regenbogenfarben schwenkten die Gläubigen beim sonntäglichen Angelusgebet auf dem Petersplatz.
      Doch die Anti-Kriegs-Märsche erlebten ihren Höhepunkt, noch bevor der Kampf im Irak überhaupt begonnen hatte. Das schon lange unausweichlich Scheinende ist geschehen, Resignation greift um sich. Nach nur einer Woche Krieg waren es vor allem noch Schüler und Schauspieler, deren Proteste in der Öffentlichkeit laut wurden. Und die anderen? Kein Interesse?
      Wie viele Menschen sind wohl damals in Jerusalem auf die Straße gegangen? Bei diesem Friedensmarsch vor 2000 Jahren? Juden und Römer lagen seit Jahrzehnten im Klinsch, die Bevölkerung war gespalten, litt unter Straßenkämpfen und mangelnder Versorgung, die Großmacht hatte bereits einen Statthalter installiert und es war nur eine Frage der Zeit, wann der große Schlag kommen würde. Mit Jesus wird sich nach dem Glauben der Leute alles ändern. Er ist der „Friedensfürst“. Hier zieht ein Mann ein, der ein Reich von Frieden und Gerechtigkeit versprochen hat. Scharen schließen sich ihm an, ziehen mit Jesus durch die Straßen. Sie breiten ihre Kleider aus – Friedensfahnen der besonderen Art. Im Laufe seiner Tage in Jerusalem werden die Anhänger weniger, auch sie haben sich nur für kurze Zeit mitreißen lassen – wie die Friedensdemonstranten.
      Aber ist es wirklich Desinteresse? Ich meine nicht. Zum einen ist der Rückzug ins Private seit Jahrhunderten die ganz menschliche Reaktion auf politische Unruhen und gesellschaftliche Krisen, eine Möglichkeit, mit Problemen umzugehen. Zum anderen bietet unser Alltag wenig Raum für derartige Störungen und Unterbrechungen. „Das Leben geht weiter“, heißt es im Volksmund so schön. Resignation ist sicher fehl am Platz, aber dass wir uns ohnmächtig und hilflos fühlen ist menschlich und allzu verständlich. Ich muss diese Ohnmacht nur zugeben und nicht hinter Geschäftigkeit und scheinbar unaufschiebbaren Dingen verstecken.
      Mit meinem Glauben geht es mir manchmal ähnlich. Fehlt mir nicht oft die Kraft für große Taten, der Elan für klare Worte, die andere mitreißen? Wie oft suche ich den „Draht nach oben“ und bilde mir ein, keinen Grund für fromme Gebete zu haben? Begeisterung für das, was mir im Leben wirklich wichtig ist, zeige ich doch selten ungeschützt in der Öffentlichkeit, und „Hosanna“ gehört nun nicht gerade zu meinem alltäglichen Wortschatz.
      Ob Jesus die stürmische Begeisterung und Hosanna-Rufe für seine Person so erwartet hatte? Provoziert hat er sie laut Evangelium jedenfalls nicht. Auf den ersten Blick ist sein Aufzug völlig unscheinbar. Der Esel war Last- und Reittier für jedermann und kurz vor dem Passahfest dürften Menschentrauben nach Jerusalem unterwegs gewesen sein. Viele sind wohl erst durch die Rufe der Anhänger auf ihn aufmerksam geworden. Und dennoch: Jesus bricht in den Alltag von Jerusalem ein, er unterbricht das Geschäftstreiben, bricht die Ströme der Pilger auf. Wer sich ihm anschließt, tut es freiwillig, ohne Zwang, einfach weil ihn Person und Botschaft überzeugt.
      Und heute? Die Karwoche zeigt eindrücklich, was passiert, wenn wir in unserem Alltag hin und wieder Störungen zulassen und manchmal Unterbrechungen Raum geben: Am Ende steht der Aufbruch. Ein Aufbruch gegen Resignation und Langeweile, ein Aufbruch für unsere Überzeugungen, ein Aufbruch für den Frieden.
       
      Die Autorin ist Diplomtheologin und arbeitet als Assistentin des Generalvikars.