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      Die Kapelle Amorsbrunn wurde vor 500 Jahren errichtet

      Quellheiligtum und mystischer Kraftort

      Es ist eine fast magische Stätte: Viele Besucher kommen zur idyllisch gelegenen Kapelle Amorsbrunn bei Amorbach, um dort Quellwasser zu holen, den spätgotischen Wurzel-Jesse-Altar zu bestaunen oder einfach nur die Kraft des Ortes auf sich wirken zu lassen. Die Kapelle in ihrem heutigen Erscheinungsbild wurde 1521 – also vor 500 Jahren – errichtet. Die Geschichte von Amorsbrunn reicht jedoch erheblich weiter zurück.


      Der Legende nach ist der Amorsbrunn der Ursprungsort des Amorbacher Benediktinerklosters, das über 1000 Jahre lang bis 1803 bestand. Auch wenn weder Urkunden noch archäologische Funde dies belegen können, deutet tatsächlich einiges darauf hin, dass sich iroschottische Wandermönche im 8. Jahrhundert dort niederließen und erste Klosterzellen gründeten. Die spätere Abtei entstand in rund zwei Kilometer Entfernung. Historisch greifbar wird der Ort im 12. Jahrhundert, als in der Nähe einer Quelle ein Kirchlein errichtet wurde. Mehrere romanische Fenster, die bei Renovierungsarbeiten 1940 freigelegt wurden, zeugen noch heute davon. Erst nach dem Bau haben sich die Namen „Amorbach“ und „Amorsbrunn“ etabliert.

      Amorsbrunn wird zum Wallfahrtsort

      Um 1440 mehren sich Berichte von Wunderheilungen an „Sankt Amors Bronn“. Egal ob Zahnweh, Fieber, Augenleiden, Geschwüre, Knochenbrüche, Schwangerschaftsprobleme oder vielerlei andere Leiden – das Wasser vom Amorsbrunn konnte helfen. Die Heilungserfolge des prosperierenden Wallfahrtsortes vermochten durch allerlei Rituale noch verstärkt zu werden und wurden in letzter Instanz der Fürsprache eines Heiligen Amor zugeschrieben. Er wurde zwar fortan als Beistand der Hilfesuchenden verehrt, doch es gab ein großes Problem: Wer war dieser Heilige? Vor Ort wusste man in dieser Phase nichts über den vermeintlichen Heilsbringer.

      Den rettenden Gedanken hatte ein Geistlicher, der Mitte des 15. Jahrhunderts für einige Zeit im Kloster weilte: Wurde nicht im belgischen Münsterbilsen ein Heiliger mit diesem Namen verehrt? Mit einem Empfehlungsschreiben des Abtes machte er sich dorthin auf und kehrte tatsächlich mit einigen Reliquien, einer Lebensbeschreibung sowie Abbildungen des Heiligen Amor von Münsterbilsen zurück. Dass weder die Lebensdaten noch die Biografie des Belgiers mit der eigenen Klostertradition kompatibel waren, störte in Amorbach niemanden – im Gegenteil: Bald nach 1500 wurde der Heilige Amor sogar als erster Abt des Klosters angesehen und als solcher verehrt. Die Gläubigen hinterfragten dies wenig, hatten aber nun am Amorsbrunn einen greifbaren Fürsprecher, was der Wallfahrt einen enormen Aufschwung brachte.

      Quellwasser in der Kapelle

      Das romanische Kirchlein hatte zwar immerhin eine Grundfläche von rund 65 Quadratmeter, wurde aber für die rasant anwachsende Zahl von Pilgern bald zu klein. So plante man einen Neubau, der 1521 von „Meister Niklas“ und seinen Handwerkern errichtet wurde. Teile des alten Baus wurden in die Wände integriert, weshalb noch heute einige romanische Fenster erkennbar sind.

      Der Neubau bot nicht nur doppelt so viel Platz, sondern konnte auch eine raffinierte Idee realisieren: In einem unterirdischen Kanal wurde das Quellwasser nun in die Kapelle geleitet, wo man im Fußboden eine Entnahmeöffnung einfügte. So konnten die Gläubigen das gesundmachende Nass direkt im Gebäude schöpfen, es trinken oder lädierte Körperteile damit einreiben. Wer ganz sicher gehen wollte, läutete anschließend noch kräftig, indem er mit dem zu heilenden Körperteil am Glockenseil zog. Für Ganzkörperanwendungen stand seit 1565 ein über 20 Quadratmeter großes Bassin außerhalb der Kapelle zur Verfügung; hier konnten Kranke und Wallfahrer ihren Körper komplett waschen oder im heilenden Wasser untertauchen.

      Zwei Heilige mit Namen Amor

      1734 feierte die Amorbacher Benediktinerabtei ihr 1000-jähriges Bestehen; Ignaz Gropp fertigte hierfür eine ausführliche Klosterchronik an. Man erkannte hierin die Chance, die Unstimmigkeiten in der Amor-Verehrung zu korrigieren und Gropp wurde beauftragt, diese geradezurücken. Sehr langatmig versucht er folglich zu erklären, dass der vermutete Patron aus Belgien der falsche wäre. Der Verantwortliche für die Amorsbrunner Wunder sei eine ganz andere Person: Der Heilige Amor von Amorbach. Er stamme aus Frankreich und sei mit dem Heiligen Pirmin in den Odenwald gekommen. Dieser habe ihn schließlich zum ersten Abt des neuen Klosters berufen. Am 17. August 767 sei er gestorben.

      Obwohl sich die Bevölkerung lange gegen diesen Heiligenwechsel und die damit verbundene Verlegung des Gedenktages auf den 17. August gesträubt hatte, erfreute sich auch die Verehrung des „neuen“ Heiligen Amor bald großer Beliebtheit. Seitdem existierten somit zwei unterschiedliche Heilige dieses Namens: Der Heilige Amor von Münsterbilsen (beziehungsweise von Maastricht) und der Heilige Amor von Amorbach. Patronin der Kapelle war und ist jedoch die Gottesmutter Maria.

      Von Heilungen zur Fruchtbarkeit

      Über Jahrhunderte hinweg zog die Hoffnung, von verschiedensten Krankheiten und Leiden geheilt zu werden, die Menschen zum Amorsbrunn. Bald nach 1700 wurde jedoch eine andere Wirkung des Wassers populär. Eine fast lebensgroße hölzerne Amor-Skulptur, 1735 von einem Würzburger Stadtrat gestiftet, liefert den ersten konkreten Beleg dafür. Laut Inschrift wurde die Figur aus Dankbarkeit „für glücklich erhaltene Leibesfrucht“ in die Kapelle gebracht; tatsächlich war der Familie im Jahr zuvor der lang ersehnte Stammhalter geboren worden. Auch andere Stiftungen des 18. Jahrhunderts – selbst aus dem habsburgischen Kaiserhaus – sowie seinerzeit in Massen vorhandene Votivgaben deuten darauf hin, dass dem Amorsbrunner Wasser mit dem Fruchtbarkeitssegen nun eine Spezialwirkung zugeschrieben wurde.

      Ungebrochene Anziehungskraft

      Bemerkenswertestes Ausstattungsstück der Kapelle ist der spätgotische Flügelaltar von beachtlicher Qualität. Das Werk eines unbekannten Bildhauers zeigt in anschaulicher Weise den Stammbaum Jesu: Aus der Brust des schlafend daliegenden Jesse wächst ein Baum. Er trägt zwölf seiner königlichen Nachfahren und als edelsten Spross die Gottesmutter Maria mit dem Jesuskind.

      Doch nicht nur wegen der Kunstwerke zieht der Ort noch heute Menschen in seinen Bann. Auch wenn die großen Wallfahrten zum Amorsbrunn nachgelassen haben, kommen regelmäßig Besucher zur Kapelle und viele erleben das Areal als wahren Kraftort; neuzeitliche Votivgaben belegen zudem, dass weiterhin auch religiöse Aspekte eine Rolle spielen.

      Ganz gleich, welche Kraft man beim Amorsbrunn zu spüren glaubt oder aus welcher Motivation seit Jahrhunderten Menschen hierher kommen: Alle ließen und lassen sich von einem geheimnisvollen Zauber einfangen, den das alte Quellheiligtum augenscheinlich versprüht. Bedenkt man, wie viele Gläubige hier schon Trost und Hilfe suchten, wie viele Hoffnungen, Wünsche und Träume schon zum Amorsbrunn getragen wurden und wie viel Heil und Segen Menschen hier schon zu erfahren glaubten, so wird die Bedeutung dieses Platzes offensichtlich.

      Bernhard Springer