Mit der Aussage, dass sich etwas ändern müsse, stößt man derzeit wohl allgemein auf große Zustimmung, egal ob es nun um die Gesellschaft geht, die Politik, die Wirtschaft, die Umwelt oder auch die Kirche. Hat in Politik und Gesellschaft vor allem die Corona-Pandemie den Veränderungsdruck erhöht, so war und ist es in der Kirche der Missbrauchsskandal.
Absolut in die Zeit passt somit das Motto der diesjährigen Misereor-Fastenaktion, die einen Themenschwerpunkt in dieser Ausgabe bildet (siehe die Seiten 7 sowie 35 bis 37). Es lautet: „Es geht! Anders.“ Zum einen steckt darin die Aufforderung zur Veränderung, zur Änderung beispielsweise des eigenen Verhaltens, der eigenen Lebensweise. Welche Zeit wäre dafür geeigneter als die Fastenzeit? Ist doch Umkehr einer der zentralen spirituellen Leitbegriffe, um die es in diesen 40 Tagen geht. Zum anderen steckt in dem Motto, so wie es formuliert und auch dargestellt ist, die Ermutigung, aktiv zu werden, Veränderung anzugehen. „Es geht!“ Und als drittes Element, die Aufforderung, den Blickwinkel zu wechseln. Dieses abgesetzte „Anders“ bedeutet nicht nur, dass es anders gehen kann und wohl auch muss als bisher. Es bedeutet wohl auch, dass es anders gehen könnte, als ich mir das vorstelle.
Damit sind wir wieder bei den eingangs erwähnten Wünschen, ja Rufen nach Veränderung. So berechtigt die auch sein mögen, sind sie eigentlich immer an das Gegenüber, die andere Seite gerichtet. Das ist im kirchlichen Umfeld, etwa beim Synodalen Weg oder in der Ökumene, nicht anders als in Politik und Gesellschaft, wo ja ständig – meist über die Medien – Forderungen erhoben werden. Ebenso ist es im privaten Bereich, obwohl es eine Binsenweisheit ist, dass man unbefriedigende Situationen leichter löst, wenn man versucht, sich selbst zu ändern und nicht den anderen. Weil es schlichtweg einfacher ist. Auch das steckt für mich in dem Leitwort von Misereor: Richte beim Verändern-Wollen den Blick erst einmal auf dich selbst!
Wolfgang Bullin