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      Vor einem Jahr sorgte die Initiative #OutInChurch für Wirbel

      Offen queer sein in der Kirche

      Vor einem Jahr, am 24. Januar, ging die Initiative #OutInChurch an die Öffentlichkeit. Eine Bewegung kirchlicher Mitarbeitender, die sich als queer outen. Queer ist ein Sammelbegriff für Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen. Klinik- seelsorger Stephan Schwab (Foto: Fabian Gebert) ist Teil dieser Bewegung und blickt auf das vergangene Jahr zurück.

      Herr Schwab, warum sind Sie Teil von #OutInChurch?

      Für mich war es ein wichtiges Anliegen, weil ich aus diesem Versteckspiel heraus wollte. Ich wollte klar machen: Ja, auch ich gehöre dazu. Und wenn viele mitmachen, dann stehe nicht mehr ich als Person im Vordergrund, sondern das Thema an sich und da wollte ich unbedingt dabei sein.

      Was hat sich verändert, seit #Out-InChurch an die Öffentlichkeit gegangen ist?

      Die ARD hat zeitgleich die Dokumentation „Wie Gott uns schuf“ veröffentlicht. Das hat noch mal eine grö-
      ßere Betroffenheit ausgelöst, auch bei den Verantwortlichen in der Kirche, vor allem den Bischöfen. Sie haben sich sehr positiv über queere Menschen in der Kirche geäußert und sind ins Nachdenken gekommen: Wie können wir dafür sorgen, dass Kirche angstfreier wird? Einige Bischöfe haben Selbstverpflichtungs-
      erklärungen erstellt, wodurch sie ihre eigene Macht begrenzen und sagen, wenn queere Menschen in der Kirche tätig sind, wird es keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen für sie haben.

      Das hat im Herbst letzten Jahres dazu geführt, dass das kirchliche Arbeitsrecht überarbeitet wurde. Hier im Bistum Würzburg und in anderen Bistümern wird es seit dem 1. Januar angewendet. Allerdings ist das noch nicht überall der Fall. Wir haben in der Bundesrepublik einen Flickenteppich.

      Was heißt das für Sie?

      Für mich als Priester hat es keine direkten Auswirkungen. Ich falle nicht unter das Arbeitsrecht, sondern unter das Kirchenrecht. Hier müsste die kirchliche Lehre verändert werden. Aber bereits beim Synodalen Weg ist das Grundsatzpapier vom Forum „Leben in gelingenden Beziehungen“ gescheitert. Die deutschen Bischöfe haben unterschiedliche, fast unvereinbare Positionen. Das macht es schwierig, dass es zu einer Änderung der kirchlichen Lehre kommt. Und schauen wir nach Rom, dann wird es noch schwieriger. Da sind noch mal ganz andere Kräfte unterwegs.

      Positiv ist trotzdem, dass beim Ad-limina-Besuch der deutschen Bischöfe im Herbst letzten Jahres die Bischöfe dieses Anliegen mit nach Rom genommen haben. Wir können gespannt sein, wie das dort jetzt weitergeht.

      Was war im ersten Jahr #OutInChurch weniger positiv?

      Es geht alles sehr schleppend voran. Es war am Anfang eine positive Stimmung, aber dieser Schub ist mit der Zeit immer mehr abgeflacht. Das hatten wir auch so befürchtet und wir hatten außerdem die Befürch-
      tung, dass es ein Pinkwashing sein wird (Anm.: Pinkwashing bezeichnet das Vorgeben, sich mit der queeren Community zu solidarisieren/identifizieren, um dadurch modern, fortschrittlich und tolerant zu wirken). Dass man schnell auf den Zug aufspringt, um am Ende wieder die Kontrolle über die Situation zu bekommen. Diesen Eindruck habe ich auch nach wie vor. Trotzdem bin ich mit dem Ergebnis erstmal zufrieden, dass das kirchliche Arbeitsrecht geändert wurde. Das größere Brett der kirchlichen Lehre müssen wir weiter bohren, da werden wir nicht nachgeben.

      Gibt es eine Aktion zum Jahrestag?

      Wir haben eine große Versammlung über das Wochenende Ende Januar in Köln geplant. Da wollen wir uns mit verschiedenen Themen auseinandersetzen. Und vor allen Dingen wollen wir aus der Bewegung #OutInChurch einen Verein machen, um eine größere Verbindlichkeit zu schaffen.

      #OutInChurch und die ARD-Dokumentation haben eigentlich keine neuen Erkenntnisse gebracht. Und dennoch gab es große mediale Aufmerksamkeit. Wie erklären Sie sich diesen Erfolg?

      Das war tatsächlich nichts Neues, weil viele eigentlich damit gerechnet haben. Den Durchschlag hat es wegen der großen Anzahl der Menschen gegeben. Weil es gelungen ist, deutlich zu machen, dass es nicht nur vereinzelte Menschen sind. Das war immer Politik der Bistümer. Bei Einzelfällen kann ich mehr Macht ausüben. Dadurch, dass es so viele sind, hat das eine große Wirkung erzielt.

      Außerdem wurde mit dieser Doku deutlich, wie groß das Leiden bei manchen ist. Dass Menschen zum Beispiel über 100 Kilometer vom Arbeitsplatz entfernt gewohnt haben. Ich glaube, das hat schon eine große Betroffenheit ausgelöst, wie hart die Kirche im Umgang mit ihren eigenen Mitarbeiter:innen manchmal sein kann.

      Die katholische Kirche sagt Ihnen immer wieder, Sie sind nicht gut so wie Sie sind. Trotzdem gehen Sie nicht. Woher nehmen Sie die Kraft und Energie, sich für Veränderungen einzusetzen?

      Die Kraft und die Energie nehme ich vor allem aus mir selber heraus, weil ich sage, ich bin richtig und ich muss mich da nicht verstecken. Was nicht richtig ist, ist die kirchliche Lehre. Und das Zweite ist dieser Schulterschluss durch #OutInChurch. Ich weiß, ich bin nicht alleine. Wir sind viele. Es macht mir Spaß, in dieser Verbundenheit an einer hoffentlich stattfindenden Veränderung mitzuwirken.

      Eine kleine Veränderung hat es schon gegeben. Das macht mir Mut, dass auch in diesem großen Dampfer Kirche doch etwas zu verändern ist. Es dauert und es braucht Zeit. Man braucht viel Geduld und man braucht wirklich einen langen, langen, unendlich langen Atem. Aber diese kleinen Schritte sind für mich ein Zeichen der Ermutigung.

      Ich möchte nicht nachgeben. Ich möchte, dass sich die Kirche mit mir und meiner Sexualität auseinan-
      dersetzt. Und das geht eben nur, wenn ich dabei bleibe, wenn ich drin bin und nicht außen, weil sie sonst sagen kann: Geht mich nichts mehr an!

      Was sind die nächsten Ziele?

      Dass sich was an der Lehre ändert. Es muss möglich sein, dass homosexuelle Beziehungen gesegnet werden. Und es muss darüber gesprochen werden, ob Priester tatsächlich im Zölibat leben müssen oder ob es da nicht auch andere Lebensformen geben kann. Das sind für mich Dinge, die müssen wir weiter angehen.

      Ich persönlich bin der Ansicht, dass die Kirche schon so viel getan hat, dass queere Menschen überhaupt kein Interesse mehr haben. Deshalb ist es wichtig, dass wir mit #OutInChurch oder mit diesen Verän-
      derungen Zeichen setzen, um vielleicht Vertrauen zurückzugewinnen und damit Menschen sehen können: Wir werden jetzt in dieser Institution Kirche anders gesehen.

      Wie geht es im Bistum Würzburg weiter?

      Wir, die Arbeitsgruppe Regenbogenpastoral, möchten einen Ombudsrat einrichten, an den sich Mitarbei-
      ter:innen, aber auch Leute aus den Gemeinden wenden können, wenn sie Diskriminierung erfahren haben. So kann solchen Erfahrungen nachgegangen werden (Anm.: Die AG ist kirchlicher Ansprechpartner für queere Menschen, entwickelt pastorale Angebote für sie und will ihre Situation im kirchlichen Dienst verbessern). Mit diesem Ombudsrat würde sich das Bistum quasi eine Laus in den Pelz setzen, die immer wieder dafür sorgt, dass sich diese Institution verbessert.

      Als zweites möchten wir spirituelle Angebote ganz speziell für queere Leute schaffen. Am 30. Januar findet ein Treffen statt, wo alle eingeladen sind, die dieses Anliegen verfolgen. Wir möchten schauen, welche Bedarfe und Möglichkeiten gibt es. Da wollen wir gucken, wie wir das umsetzen und ermöglichen können.

      Anna-Lena Ils/Alexandra Thätner

      Info

      Auf einer eigenen Internetseite, in den Sozialen Medien und im Rahmen der Fernsehdokumentation „Wie Gott uns schuf” outeten sich letztes Jahr 125 haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter der katholischen Kirche. Sie sprachen über ihre Sexualität und Geschlechtsidentität und berichteten von Diskriminierung, Ängsten und einem Leben im Schatten. Sie fordern eine Änderung des kirchlichen Arbeitsrechtes, der kirchlichen Lehre zu Geschlechtlichkeit und Sexualität und die Möglichkeit, die Sakramente zu empfangen.

      Weitere Informationen: www.outinchurch.de

      Ein Beitrag der Radioredaktion der Diözese Würzburg ist online abrufbar unter https://soundcloud.com/bistumwuerzburg/ein-jahr-outinchurch-ein-pfarrer-berichtet