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      Pfarrkirche St. Laurentius Heidingsfeld war die erste Kirche in Würzburg, die nach dem Krieg aus den Trümmern wiedererstanden ist

      Nur mit Pickeln und Schaufeln

      Für Otto Baumann steht „seine“ Kirche für den Beginn einer neuen Epoche: „Sie symbolisiert den Wiederaufbau“, sagt der Kirchenpfleger von St. Laurentius im Würzburger Stadtteil Heidingsfeld. Das im Krieg nahezu dem Erdboden gleichgemachte Gotteshaus war vor genau 70 Jahren die erste neu geweihte Kirche im kriegszerstörten Würzburg. Die Aufbauphase in den Jahren 1948 bis 1950 war äußerst schwierig gewesen. Als das Werk mit der Weihe am 29. Oktober 1950 vollbracht war, hatten alle Beteiligten das Gefühl: Es geht endlich wieder aufwärts.

      Heutzutage dauert es oft kaum ein Jahr, bis ein Bau unter Dach und Fach ist. Von einem solchen Tempo konnten die Heidingsfelder nach der Zerstörung ihrer Kirche beim Luftangriff am 16. März 1945 nur träumen. „Sie standen vor einem 6000 Kubikmeter hohen Schutthaufen“, weiß der 1950 geborene Otto Baumann, dessen Mutter zu den Trümmerfrauen gehört hatte. Gerade mal 15 Pickel und 100 Schaufeln standen zur Verfügung, um den Schuttberg nach und nach abzutragen: „Maschinen gab es nicht.“ Material, das noch brauchbar war, gelangte auf den einen Haufen. Was abtransportiert werden musste, wurde auf einen zweiten Haufen geschippt, weiß Baumann aus Quellen.

      Der ehemalige Chauffeur des Würzburger Bischofs sammelt seit Jahren historische Fotos und Dokumente von Heidingsfeld im Allgemeinen und zu „seiner“ Kirche St. Laurentius im Besonderen. „Sehen Sie hier“, sagt der Katholik und zieht ein Schreiben von Pfarrer Franz Bretz vom 13. August 1945 an die Militärverwaltung des Bezirks Miltenberg hervor. Bretz war zu jener Zeit verzweifelt auf der Suche nach Material für den Wiederaufbau seiner Kirche gewesen. Auf Umwegen hatte er von einer Holzbarracke in der ehemaligen Miltenberger Truppführerschule des Reichsarbeitsdienstes erfahren. Bretz bat in seinem Brief darum, die Halle für „einen angemessenen Preis“ kaufen zu können.

      Stahl von einer Flugzeughalle

      Otto Baumann zückt eine Fotografie, auf der Bretz‘ Nachfolger Otto Fritz zu erkennen ist. Otto Fritz, der kurz, nachdem Franz Bretz den Brief an die Militärverwaltung geschrieben hatte, nach Heidingsfeld kam, spricht auf der Baustelle mit Arbeitern. Im Hintergrund ist eine Stahlkonstruktion zu sehen. Was beweist: Es wurde offenbar nichts mit der hölzernen Baracke aus Miltenberg. In die dreischiffige Kirche wurde am Ende Stahl von einer im Krieg genutzten Flugzeughalle verbaut. Auf dem Boden von St. Laurentius liegen Steine, die für die NS-Kongresshalle in Nürnberg vorgesehen waren. „Aus Schwertern wurden sozusagen Pflugscharen“, schmunzelt Baumann.

      Fragt sich, wer das Geld für den Wiederaufbau bereitstellte. „Die Diözese half auf jeden Fall kräftig“, weiß der Kirchenpfleger. In einem Dokument aus seinem Archiv ist aber auch von „großen geldlichen Spenden“ die Rede. Und davon, dass die gesamte Pfarrei freiwillig im Einsatz war, um die Kirche, von der einzig ein um 1200 errichteter Turm stehen geblieben war, neu zu errichten. Für die Heidingsfelder war es aber auch immens wichtig, endlich wieder eine Kirche zu haben. Pfarrer Franz Bretz berichtet davon, dass 1946 Sonntag für Sonntag um die 1900 Katholiken zusammenkamen, um, in gedrängter Enge, in einer Heidingsfelder Schulbaracke miteinander Gottesdienst zu feiern.

      Der Pfarrer war ein Macher

      Viele Fakten weiß Otto Baumann, weil er ein hervorragender Geschichtskenner ist. Doch manches ist ihm auch noch aus eigener Anschauung bekannt. Otto Baumann zählt 70 Jahre – er ist also genauso alt wie die neu errichtete Kirche. An den Wiederaufbaupfarrer Otto Fritz hat er lebhafte Erinnerungen: „Er war ja mein Religionslehrer.“ Fritz habe keinen großen Wert auf das abstrakt Theologische gelegt. Er sei ein Macher gewesen. Einer, der gern anpackte. Und einer, dem die Seelsorge am Herzen lag. „Außerdem war er ein höchst kommunikativer Mensch“, so Baumann. Der gern mit Theologie-Studierenden, die damals in Heidingsfeld lebten, über Gott und die Welt diskutierte.

      Durch Otto Fritz hatten Ausgebombte auch endlich wieder eine Wohnung in Aussicht, schildert Otto Baumann: „Parallel zum Aufbau der Kirche wurden direkt neben dem Gotteshaus, also auf unserem Pfarrgrund, eine Reihe von Wohnhäusern errichtet.“ Die Wohnungsfrage trieb Pfarrer Fritz immens um. Deshalb gehörte er auch zu den Gründern des St. Bruno-Werks. Später engagierte er sich im Aufsichtsrat des kirchlichen Wohnungsunternehmens. Durch sein Tun beherzigte er eine Devise von Kardinal Döpfner: „Wohnungsbau ist Dombau.“ Fritz‘ Vorgänger Franz Bretz war die Kirchenzerstörung derart unter die Haut gegangen, dass er sich für den Wiederaufbau nur kurze Zeit einsetzen konnte. „Er ist schier daran verrückt geworden, dass seine Kirche bombardiert worden war“, schildert Klaus Hösterey, der heute als Pfarrer in St. Laurentius fungiert. 1906 war Bretz im Alter von 25 Jahren nach Heidingsfeld gekommen, insgesamt 40 Jahre setzte er sich hier seelsorgerlich ein. 1946 ging er krankheitsbedingt ins Kloster Heidenfeld. Sein Nachfolger Otto Fritz war bei der Übernahme der Pfarrei mit 41 Jahren vergleichsweise jung gewesen. Er hatte die körperliche und seelische Kraft, sich um den Wiederaufbau zu kümmern. Ihm war es auch zu verdanken, dass dabei viele lokale Firmen zum Zuge gekommen waren.

      „Größten Respekt vor Pfarrer Fritz”

      Direkt auf der Baustelle waren laut Otto Baumann Steinhauer tätig gewesen. Während die Fassaden von St. Laurentius mit zugekauften Steinen errichtet wurden, verwendete man die Steine, die noch von der alten Kirche stammten, für die inneren Wände. „Der architektonische Plan stammt von Hans Schädel“, erzählt Baumann. Der spätere Dombaumeister hatte in Würzburg 87 Kirchen wiederaufgebaut, umgestaltet oder neu errichtet.

      Otto Fritz hat für seine Gemeinde viel erreichen können, indem er den Wiederaufbau eigenhändig vorantrieb. Kaum ein Tag, an dem man ihn nicht auf der Baustelle gesehen hätte. „Ich habe größten Respekt vor dem, was er geleistet hat“, sagt Hösterey. Undenkbar wäre die gewaltige Aufbauleistung jedoch ohne ein enges Netzwerk im Hintergrund gewesen, gibt Baumann zu bedenken: „In der Kirchenverwaltung engagierten sich viele Geschäftsleute und Handwerker, auf die sich Pfarrer Otto Fritz verlassen konnte.“ Von besonders herausragenden Persönlichkeiten wüsste Baumann nichts.

      Treffpunkt der katholischen Jugend

      Es zogen einfach alle an einem Strang. Am 29. Oktober 1950, ging ein großer Wunsch der Heidingsfelder in Erfüllung: Ihr neues Gotteshaus wurde wieder eingeweiht. Die Kirche selbst war noch sehr nüchtern. „Wir hatten noch keine Orgel und auch kein eigenes Pfarrheim“, so Baumann. Immerhin gab es im Uhrturm über der im Erdgeschoss gelegenen Sakristei und der darüber befindlichen Paramentenkammer drei Geschosse mit Jugend- und Pfarrräumen. Hier trafen sich die Jugendlichen der KjG, die damals „Katholische Jungmännergemeinschaft“ hieß, sowie die Mitglieder der Pfadfinderschaft St. Georg. Die Mädels hatten andere, abgetrennte Räume, erzählt Baumann, der selbst der KjG angehörte.        

       Pat Christ