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      Der Würzburger Apotheker Leonhard Oberhäußer mischte beim Erfolg von Sebastian Kneipp mit

      Naturheilmittel mit Pfarrer-Porträt

      Wer verbindet Würzburg und den berühmten schwäbischen Pfarrer Sebastian Kneipp? Der Apotheker Leonhard Oberhäußer. Ohne seinen fränkischen Geschäftspartner hätte der berühmte „Wasserdoktor“ von Wörishofen und Namensgeber der Kneipp-Produkte wohl nie eine derartige Breitenwirkung erzielt. Der Apotheker aus Franken mischte bei Kneipps Erfolg mit, im wahrsten Sinne des Wortes. Auch heute noch kommen Badezusätze, Tees und Co. aus Unterfranken – und werden in alle Welt verkauft.

      Wassertreten soll die Durchblutung und den Kreislauf anregen und so die Gesundheit fördern. Heute bietet jede Kurstadt, die etwas auf sich hält, ihren Gästen ein Kneipp-Becken. Das Wassertreten ist nur die bekannteste Anwendung, die Pfarrer Sebastian Kneipp (1821–1897) nutzte. Der „Wasserdoktor“ bediente sich noch anderer Heilmethoden – wie etwa Wechselduschen und Gesichtsguss – und interessierte sich für Ernährung und Pflanzenheilkunde. Die sollten ihn schließlich mit dem Apotheker in Würzburg verbinden.

      War Kneipp zu Lebzeiten wegen seiner Methoden durchaus auch umstritten, werden seine Anwendungen bis heute genutzt und sind beliebt. Gern verwendet werden im kalten Winter auch Badezusätze. Lavendel etwa soll zur Entspannung beitragen. Betrachtet man die Geschichte, gehen die Badezusätze und viele andere Kneipp-Produkte auf Leonhard Oberhäuser zurück. Er ist Kneipps Kompagnon bei der Heilmittelherstellung und macht Pillen, Pulver und Tinkturen mit dem Konterfei des Pfarrers bekannt. Dabei beweist er nicht nur Qualitäten als Apotheker, sondern auch als Werbefachmann.

      Naturheilmittel

      Oberhäußer ist über 30 Jahre jünger als Kneipp. Er wird am 6. Juli 1854 in Schonungen (Dekanat Schweinfurt) als Sohn eines Bahnbeamten geboren. Nach seiner Ausbildung zum Apotheker in Rothenburg ob der Tauber studiert er Pharmazie in Erlangen und übernimmt 1883 die „Engel-Apotheke“ am Würzburger Marktplatz. Sie existiert noch heute. Oberhäußer ist für seinen Schaffensgeist bekannt. Neben Medikamenten stellt er zum Beispiel Brause­limonadewürfel her, die sich gut verkaufen.

      Der Würzburger Apotheker und der Pfarrer im schwäbischen Wörishofen, das später zu Bad Wörishofen wurde, fanden über die Pflanzen- und Heilmittelkunde zueinander. Kneipp interessierte sich für die Wirkung von Heilpflanzen. Und Oberhäußer betrieb seit etwa 1881 in der Engel-Apotheke erfolgreich auch einen Handel mit Heilkräutern. Die bekannten Wasserkuren Kneipps soll Oberhäußer zunächst mit Skepsis beobachtet haben.

      Bereits der erste Besuch des geschäftstüchtigen Apothekers, der Kneipp über einen Schulfreund kennengelernt hat und eine Zusammenarbeit mit ihm anstrebt, in der sogenannten „Morgensprechstunde“ in Wörishofen verläuft im September 1890 zu beider Zufriedenheit. Nachdem der Geistliche dem Wiener Bankier Rothschild mit der Gießkanne einen kräftigen Guss verabreicht hat, stellt sich ein armer Taglöhner vor. Der Patient leidet an schwerer Verstopfung. Die beiden Pillen, die den Mann kurieren, hat Oberhäußer gedreht. „Am nächsten Morgen ist der Kranke geheilt – zu unser aller Vergnügen“, vermerkte der Apotheker später in einer Erinnerungsnotiz. Als das Arzneimittel des Würzburger Apothekers auch bei anderen Patienten wirkt, ist Kneipp von dessen rein pflanzlichem Produkt überzeugt.

      Mit Kneipps Porträt

      Nachdem die erste Zusammenarbeit gelungen ist, intensiviert sich „ganz von selbst“ die Zusammenarbeit zwischen dem Pfarrer und dem Apo­theker, wie der notiert. Am 25. Februar 1891 werden Kneipp und Oberhäußer offiziell Geschäftspartner. Zuerst ist noch der Apotheker Robert Landauer von der Würzburger Einhorn-Apotheke als Dritter im Bunde dabei. Er veräußert aber bereits ein Jahr später seine Geschäftsanteile an Oberhäußer.

      Der schwäbische Wasserdoktor und der fränkische Apotheker bringen als erstes Produkt der „Kneipp-Haus-Centrale“, wie das Unternehmen heißt, die „Kneipp-Pillen gegen Darmträgheit“ auf den Markt. Hergestellt werden sie in der Würzburger Engel-Apotheke. Vorteilhaft für Oberhäußer: Er besitzt die alleinigen Vermarktungsrechte für Kneipps Produkte. Nützlich für Kneipp: Er hat einen Partner, der geschickt Werbung macht. Oberhäußer setzt Kneipps Porträt auf die Verpackungen, was den Wiedererkennungswert erhöht. Er macht den Pfarrer zur Marke. „Das markante Konterfei von Pfarrer Kneipp zierte fortan die Verpackungen von Tees, Pflanzensäften, Pflanzenpulvern, diversen Tinkturen, öligen Auszügen und sogenannten ,Spezialitäten‘, hinter denen sich fertig zubereitete Arzneimittel verbargen: Rosmarinwein, Magentrost und Flatuol – ein wirksames Mittel gegen Blähungen“, heißt es auf der Webseite des Unternehmens „Kneipp“.

      Auf Wachstumskurs

      Ende Mai 1892, eineinhalb Jahre nach Oberhäußers Besuch in Wörishofen, kommt Kneipp dann schließlich nach Würzburg. Dort besichtigt er die Produktion in der Engel-Apotheke, wo die Kneipp-Naturheilmittel im dritten Stockwerk nach seinen Angaben hergestellt werden. Am zweiten Tag seines Besuchs eröffnet der Wasserdoktor noch die Kuranstalt des Würzburger Kneipp-Vereins.

      Nachdem Sebastian Kneipp am 17. Juni 1897 mit 76 Jahren in Wörishofen gestorben ist, entwickelt Oberhäußer weiterhin Arzneimittel, die sich an Kneipp anlehnen, und vertreibt diese in ganz Europa. Der findige Geschäftsmann denkt pragmatisch: Er orientiert sich an Kneipps Hausapotheke aus dessen Hauptwerk „Meine Wasserkur“, kombiniert die wichtigsten Mittel und verkauft sie – bisweilen sogar mit passendem Apothekerschränkchen. Zu Oberhäußers Sortiment gehören dabei nicht nur Arzneimittel. Der Unternehmer bietet auch Kräuterseifen und Haarwasser an.

      Als Leonhard Oberhäußer 1913 die „Engel-Apotheke“ und die Kneipp-Firma an seinen Sohn Hermann übergibt, ist das Unternehmen weiter auf Wachstumskurs. Hermann zieht mit der Firma aus der Apotheke in die Würzburger Ludwigstraße um. Ab 1920 beliefert er auch andere Apotheken mit Kneipp-Produkten: Kühlsalben, wassertreibende Kräuterpulver zur Linderung von Harn-Problemen und eine Teemischung für Magen und Darm – der originale „Kneipp-Wühlhuber“.

      Vater Leonhard stirbt am 1. Dezember 1937 mit 83 Jahren. 1948 – drei Jahre nach der Zerstörung Würzburgs am Ende des Zweiten Weltkriegs, von der auch Apotheke und Kneipp-Firma betroffen sind – wird das Unternehmen eine offene Handelsgesellschaft. Damit ist es nun nicht nur lokal, sondern auch formal von der „Engel-Apotheke“ unabhängig. 1958 zieht die Firma dann ins Würzburger Steinbachtal um.

      In den 60er Jahren – Flower-Power und Hippies halten allmählich Einzug in die Gesellschaft – boomt das Geschäft mit Naturheilmitteln. Seit den 70er Jahren gehören Kneipp-Produkte dann nicht mehr nur zum Sortiment von Apotheken, sondern finden sich auch in Drogerien und bei Lebensmittelhändlern. 1979 wird ein Werk im Würzburger Stadtteil Heidingsfeld eröffnet. Mitte der 90er Jahre zählt das Familienunternehmen 300 Mit­arbeiter.

      Nach Ochsenfurt

      Doch Anfang des neuen Jahrtausends entscheiden sich die Inhaber für eine Zäsur: Oberhäußers Nachkommen veräußern die Firma an einen Medizin- und Pflegeprodukthersteller aus Heidenheim in Baden-Württemberg. 2014 ziehen große Teile der Produktion nach Ochsenfurt um – nun heißt das Traditionsunternehmen, nach mehreren Namensänderungen im Laufe der Zeit, schlicht „Kneipp“. Den verbreitet es weltweit, heutzutage allerdings ohne Kneipps Konterfei.

      In Würzburg erinnern an die fruchtbare Zusammenarbeit unterdessen zwei Büsten: die des Pfarrers und Wasserdoktors am Sebastian-Kneipp-Steg und die des Apothekers Leonhard Oberhäußer auf dem Gelände der ersten Würzburger Landesgartenschau. Und dann wären da noch die Kneipp-Produkte, die die beiden der Welt hinterlassen haben. Wassertreten ist im Winter nicht ganz so leicht möglich. Aber ein heißes Bad vertreibt die Kälte zuverlässig – egal ob mit oder ohne Badezusatz.     

      Stefan W. Römmelt