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      Schneiderin Andrea Schuster näht auch Kleidung für Menschen mit Behinderung

      Sie sorgt mit der Nähmaschine für Inklusion

      Andrea Schuster ist Schneiderin. Stoffe, Nadel und Faden sind ihre Welt. Die junge Frau näht dabei aber nicht nur herkömmliche Kleidung. Sie hat auch Modelle für Menschen mit Behinderung im Angebot. Ihre Mode entsteht nach Maß und passt so jedem Träger genau. Die Freude darüber ist der Lohn für ihre Arbeit.

      Licht und frische Luft durchflutet den großen Raum unter den Dachschrägen. Auf einer Empore wenige Stufen höher im Raum befindet sich der Zeichentisch, unten vor den gegenüberliegenden Dachgiebelfenstern stehen die Nähtische, Stoffe und Zeichenmaterial liegt geordnet am Rand. Andrea Schuster näht an diesem Ort so ziemlich alles, aus vielen unterschiedlichen Materialien. „An einen Tag habe ich Lust auf Cord. Dann wieder gestalte ich etwas anderes. Das ist das Schöne an meinem Beruf. Ich kann jeden Tag etwas neues machen.“

      Eigenes Label

      Diese Freiheit hat sich die junge Frau mit dem gewinnenden Lächeln hart erarbeitet. Bis sie vor rund zwei Jahren ihr Atelier im Dachgeschoss ihres Elternhauses im mittelfränkischen Heideck eröffnen konnte, vergingen viele Lehrjahre. Drei Jahre Modeschule in Nürnberg, zwei Jahre Ausbildung als Bekleidungstechniker und noch einmal weitere drei Jahre besuchte sie in Mannheim die Modedesignschule. Die junge Frau mit den langen blonden Locken zuckt lächelnd mit den Schultern. „Ich wollte halt nicht nur nähen und entwerfen – ich wollte alles können.“ Ein Studium wäre nicht ihr Ding gewesen, sagt sie und streicht ihr Kleid glatt. „Zuviel Theorie.“ Lieber wollte sie mit den eigenen Händen schaffen und gestalten. Heute zeigt sich: sie hat es geschafft und schon viel erreicht.

      Die Lehrjahre haben sich ausgezahlt – inzwischen führt Andrea Schuster ihr eigenes kleines Label (Produktlinie) unter dem Dach bei ihren Eltern. So habe sie sich das vorgestellt, verrät sie im charmanten Frän­kisch. „Ich bin heimatverbunden und wollte hier nie weg. So hat sich es dann ergeben, dass ich mir ein Schneideratelier bei meinen Eltern einrichten konnte.“ Wo sich heute ihre Zeichenempore befindet, hatte sie in Kindertagen ihr Bett stehen. Heute führt, nach einigen Umbauten, ein separater Eingang durch die offene Garage hinauf zu ihrem Reich.

      Familientradition

      Auch wenn sie ihre Großmutter nie persönlich kennengelernt hat – ein bisschen was müsse sie schon von ihr haben, gibt die junge Frau schmunzelnd zu. Die sei auch Schneiderin gewesen, und sie selbst habe schon in der Grundschule angefangen, Kissen und Puppenkleidung zu nähen. Auch noch dank ihrer Großmutter ist ihr Stoff-Fundus groß, denn immer wieder kommen Leute zu ihr und bringen ungenutzte Materialien, auch Sammlungen von Musterstoffen oder aus Geschäftsauflösungen, dazu Materialien wie Knöpfe und Reisverschlüsse; oft sind es Raritäten, nicht mehr genutzt, ausrangiert oder vergessen. Im Atelier von Andrea Schuster werden sie wieder verwertet. Sie bereitet sie professionell wieder auf und lässt so absolute Einzelteile entstehen.

      Andrea Schuster ist sich sicher: Es hat sich gelohnt, dem Wunsch aus Kindertagen nachzugehen und das berufliche Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. „Schule, naja, das war nie so sehr mein Ding. Aber als ich wusste, was ich machen will, habe ich mich richtig reingehängt.“ Zum Abschluss der Designschule lautete die Aufgabe: Eine eigene Marke entwickeln, dazu ein Logo erarbeiten, sich eine Zielgruppe definieren. Am Ende galt es, eine Modenschau unter realen Bedingungen auf die Beine zu stellen – mit allem Drum und Dran. „Das war schon heftig, der Unterricht ging von acht Uhr früh bis 17 Uhr, anschließend am Abend haben wir weiter gearbeitet, oft bis drei Uhr in der Früh. An Schlaf war in diesen Wochen kaum zu denken.“

      Nachhaltigkeit ist wichtig

      Bereut hat sie ihren Einsatz keine Sekunde, denn „man arbeitet dafür, was einen glücklich macht.“ Selbst beschreibt sich Schuster als ungeduldigen Menschen – im Berufsalltag sei das jedoch anders. Sie tüftle und probiere gerne immer wieder Unterschiedliches aus, immer auch vor dem Hintergrund, nachhaltig zu arbeiten. Und so nutzt sie ganz im Sinne des Zeitgeistes vorhandene, nicht mehr genutzte Materialien und Ressourcen, und versucht diese neu zu interpretieren.

      Schon öfter kamen dabei liebevolle Erinnerungsstücke heraus, auch für eine Kundin, die zu ihr kam mit alten Ledersitzbezügen der Motoräder ihres verstorbenen Vaters: „Sie hatte keine Verwendung mehr dafür und wollte sie mir überlassen. Ich habe ihr zum Dank vorgeschlagen, ihr daraus eine Tasche zu machen. So hat sie ihren Vater immer bei sich, wenn sie die Tasche trägt.“ Immer wieder holt sie beharrlich Altes hervor, um Neues zu kreieren: Hat ein Lederrest eine eintätowierte Nummer, integriert sie die kurzerhand in ihr Design. Experimentieren sei nicht zuletzt auch darum wichtig, um nachhaltig arbeiten zu können. „Stoffe und Materialien haben dann eine Geschichte; außerdem brauche ich die Abwechslung.“

      Junges Unternehmen

      So einzigartig, wie sie ihre Materialien sieht, so einzigartig betrachtet Andrea Schuster auch ihre Kunden. Auf die Idee, Kleidung auch für Menschen mit Behinderung zu nähen, kam sie durch eine befreundete Familie; eine deren Töchter hat das Down Syndrom. „Als ich ihren Schwestern Kleidung genäht habe, wollte auch Anja etwas von mir haben. So fing das an.“ Das war der Startschuss für eine Marktlücke für die junge Designerin. Mehr noch – Andrea Schuster bereitet es sichtlich Freude, wenn sie sieht, wie sehr sich die Kundschaft freut. „Kleidung ist Identität, Zugehörigkeit. Und Anja hatte etwas, das auch ihre Schwestern trugen. Zu sehen, wie stolz sie war, hat mich in meinem Tun bestärkt.“ So wird die junge Schneiderin weiter daran arbeiten, auch für Menschen mit Behinderung Kleidung zu entwerfen und zu nähen, denn nur allzu oft finden diese nicht die – im wahrsten Sinne des Wortes – passende Kleidung. Weil die Proportionen häufig anders sind. Andrea Schuster hält mit ihren Entwürfen dagegen: „Ich fertige auf Maß. Das wird dann zwar etwas teurer, aber die Kundenzufriedenheit spricht für sich.“

      Ihr Unternehmen ist noch ein junges, gerade einmal zwei Jahre ist es her, dass sie mit der eigenen Mode durchgestartet ist. Mundpropaganda, Zeitungsartikel in der Tagespresse und ein Fernsehbericht ließen sie zügig immer bekannter werden. Was die Kunden schnell zu schätzen lernten war die Tatsache, dass die  Schneiderin das Besondere, das Einzigartige herauszuarbeiten versucht. Werbung macht sie nicht so gerne für sich. Ihre Arbeiten sind ihr Aushängeschild: „Ich bin lieber in der Werkstatt, ich bin nicht diejenige, die ,Hier!‘ ruft. Aber ich bin immer offen für Anfragen und jeder darf gerne zu mir kommen.“ Unter ihren Kunden schätze sie die Menschen mit Behinderung besonders. „Sie sind so liebevoll und kindlich, das mag ich sehr. Obwohl ich eher ein introvertierter Mensch bin, konzentriere ich mich dann so auf die Person und bin in meinem Element. Diese Menschen geben dem Leben so viel Freude; das steckt an.“ Und wenn der 17-Jährige Kunde zum ersten Mal eine Hose trägt, die im wirklich passt und er „total happy“ sei, dann sei das auch für sie eine große Freude, sagt Andrea Schuster.

      Kreativität

      Die junge Frau mit den strahlend blauen Augen lächelt. Wertschätzung, das wünscht sie sich vor allem für ihr Schneider-Handwerk. „Das ist verloren gegangen, wenn ich mir für drei Euro irgendwo eine Bluse kaufen kann. Das kann nicht funktionieren.“ Mit ihrer Kreativität tanzt sie durch ihr Atelier: Hier ein Kragen genäht, da wieder eine Tasche entworfen, die Ideen fliegen ihr nur so zu, sagt Schuster und lacht. „Eine Frau brachte mir Stoffe von ihrer verstorbenen Oma. Ich habe ihr dann vorgeschlagen, ihr ein Oberteil daraus zu nähen, so hat sie den Stoff immer an ihrem Herzen.“ Schöne Geschichten sind ihr Ding. Nicht umsonst heißt ihr Label Hicup. „Vom englischen Schluckauf – den habe ich nämlich sehr oft. Das ist meine ganz persönliche Note.“

      Judith Bornemann

      Mehr Infos gibt es unter www.hicup.de.