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      Kultur unter Kirchtü̈rmen

      In Friesland stehen die Kirchen oft auf Hü̈geln, so boten sie Schutz vor dem Wasser. Geschichten rund um diese Kirchen stehen im Mittelpunkt des Projekts „Unterm Turm“ der Europäischen Kulturhauptstadt 2018 Leeuwarden.
      Begeistert springt Rob Tigchelaar ü̈ber den Steinboden der Jakobinerkirche in Leeuwarden. Der 58-Jährige ist der Mesner des ehemaligen Dominikanerklosters aus dem 13. Jahrhundert. Und er ist alles andere als ein gewöhnlicher Mesner. Tigchelaar liebt die Arbeit mit den Menschen, die Abwechslung und Veränderung. In seiner Kirche finden nicht nur Beerdigungen, Hochzeiten und Kaffeekränzchen statt, sondern auch Konzerte und Theaterauffü̈hrungen.
      Die größte Veranstaltung aller Zeiten hat vor knapp einer Woche am 28. Januar begonnen: Es ist die Premiere des Theaterstü̈cks „Marijke Muoi“ gewesen – ein Herzstü̈ck des Programms der Europäischen Kulturhauptstadt 2018 Leeuwarden in Friesland.
      „Zuerst wollten die Veranstalter die Kirche fü̈r das ganze Jahr mieten“, erzählt Tigchelaar mit einem Lachen. Nicht alle Besucher der heute protestantischen Kirche seien dafü̈r gewesen. Tigchelaar handelte die Veranstalter runter auf zwei Monate. „Jede Veränderung ist auch eine Chance“, sagt er. Er mag es, Menschen herauszufordern. Und er vertraut ihnen: „Ich bin mir sicher, es wird großartig.“  

      Historie in jedem Winkel

      Rob Tigchelaar kennt jede Ecke seiner Kirche, die auch „Grote Kerk“ genannt wird. Enthusiastisch zeigt er die Orgel, ein Meisterstü̈ck des deutsch-niederländischen Orgelbauers Christian Mü̈ller aus dem 18. Jahrhundert. Ein paar Meter weiter sind einige Fresken freigelegt. Auf einem ist ein Mann dargestellt, von dem man nur den Kopf sieht. „Das Bild zeigt Jakobus“, sagt Tigchelaar. Es sei bei Bauarbeiten in den 1970er Jahren entdeckt worden. Seitdem kommen auch viele Jakobs­pilger in die Kirche, in der sich moderne Innenausstattung und mittelalterliche Architektur verbinden.   Dann geht Tigchelaar zum hinteren Teil der Kapelle. Darunter sollen die Gebeine der Prinzessin Marie-Luise von Hessen-Kassel liegen, die im Volksmund wegen ihres sozialen Engagements „Marijke Muoi“ (Tante Marijke) genannt wurde. Leise und ein bisschen aufgeregt sagt Tigchelaar: „Ich habe sie selbst schon mal gesehen.“ Das Bizarre: In ihrem Sarg liegen zwei Schädel.   Genau darum geht es im Theater­stü̈ck „Marijke Muoi“. Es ist kein gewöhnliches Schauspiel; die Zuschauer sind Teil der Auffü̈hrung. Sie können den Ausgang beeinflussen. Autor Bouke Oldenhof stellt die Frage „Wie wollen wir im 21. Jahrhundert regiert werden?“ Das Theaterstü̈ck handelt von der Entweihung eines Grabes, von Wut und Politik.   Doch es ist nur eine von fast 400 Veranstaltungen im Rahmen der Europäischen Kulturhauptstadt. In der gesamten Region finden Ausstellungen, Theaterstü̈cke, Konzerte und Workshops statt. „Marijke Muoi“ ist Teil des Projekts „Unterm Turm“, erklärt die kü̈nstlerische Leiterin und Schauspielerin Tamara Schoppert (49). Ihre Augen glänzen, als sie von dem Projekt erzählt. In Friesland kennen die Menschen sie.   Im Mittelpunkt stehen bei „Unterm Turm“ die Kirchen. Gemeinden waren aufgefordert Veranstaltungen vorzuschlagen, die eine Geschichte ü̈ber ihre Kirche erzählen und Menschen zusammenbringen. Nicht umsonst lautet das Motto der Kulturhauptstadt Leeuwarden „iepen mienskip“ – „offene Gemeinschaft“.   Zuerst, sagt Schoppert, habe sie Sorgen gehabt, ob es überhaupt Bewerbungen gibt für das Projekt. Am Ende reichten 87 Gemeinden eine Idee ein, nur 31 konnten berü̈cksichtigt werden. Schoppert ist nicht nur an diesem Projekt beteiligt, sondern auch als Schauspielerin in andere involviert. „Die Kulturlandschaft in Leeuwarden hat sich in den vergangenen 30 Jahren verändert“, sagt sie. Sie sei dynamischer und lebendiger geworden, sagt sie, und untermalt das mit schnellen Streckbewegungen ihrer Finger.   Wer durch die kleinen Gassen wandert, bemerkt das. Fahrräder brausen am Ufer der Kanäle entlang. Der lokale Käsehändler verkauft die runden Gouda-Laibe in allen Größen. Kleine Boutiquen laden zum Stöbern ein. Von einer Hauswand lächelt die etwa drei Meter große Marijke Muoi, darunter ist ihr Stammbaum abgebildet. Sie gilt als Mutter des europäischen Adels. Zu ihren Nachfahren gehören die englische Queen Elizabeth II. und der niederländische König Willem-Alexander. Hier und da wehen zwischen den dunkelroten Backsteinhäusern die blau-weißen friesischen Fahnen mit roten Herzen.  

      Sehenswertes Städtchen

      Leeuwarden ist klein und verträumt, aber nicht verschlafen. Alles ist zu Fuß erreichbar. Das Wahrzeichen der Stadt ist „Oldehove“, ein schiefes Gebäude, das an den Turm von Pisa erinnert. Eine baufällige Kirche, die dazu gehörte, wurde schon Ende des 16. Jahrhunderts abgerissen. Gegenü̈ber ist das friesische Literatur- und Geschichtszentrum. Ergänzt wird es durch das „Fries Museum“.   Das zeigt bis zum 2. April 2018 eine Ausstellung ü̈ber die niederländische Tänzerin Mata Hari. Sie wurde 1876 in Leeuwarden geboren und begegnet einem auf Plakaten und Bildern ü̈berall in der Stadt. Die exotische Nackttänzerin war während des Ersten Weltkriegs als Spionin fü̈r den deutschen Geheimdienst tätig. Und nicht nur fü̈r den. Nü̈chtern, wie die Friesen oft beschrieben werden, war Hari nicht.   Auch Mesner Tigchelaar will ein Vorurteil ü̈ber seine eigenen Landsmänner widerlegen. „Es ist nichts, es wird nichts und es soll auch nichts werden.“ So lautet ein friesisches Sprichwort. „Aber das stimmt nicht“, sagt er. „Es wird fantastisch“, lacht er und geht zurü̈ck an die Arbeit. Am Tag darauf werden 600 Gäste in der Groten Kerk zu einem Konzert des Konservatoriums Groningen erwartet. Franziska Broich