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      Spielzeugmuseum Nürnberg zeigt Miniaturspielzeug aus Kaugummiautomaten

      Kleine Schätze und ganz viel Nostalgie

      Die Kinder sitzen wie auf Kohlen. Seit Stunden harren sie im rauchgeschwängerten Wirtshaus aus: Mittagessen mit der Verwandtschaft. Tödliche Langeweile. Endlich ist der letzte Schoppen ausgetrunken, man kann gehen. Dann aber die Höchststrafe: Onkel Karl bestellt frohgelaunt einen weiteren Schoppen. Nimmt das denn nie ein Ende? Der Vater erkennt die Not, wird zum Retter, lässt Zehnerli springen, raunt verschwörerisch: „Geht doch ein bisschen vor die Tür und spielt!“ Draußen wartet eine geheimnisvolle Welt: der Kaugummi-Automat mit seinen Schätzen. Diesen Sehnsuchtsobjekten hat das Nürnberger Spielzeugmuseum jetzt die Ausstellung „Alte Liebe! Spielzeugschätze aus Kaugummiautomaten“ gewidmet.

      Solche Wirtshausszenen kennt, wer bis maximal in den 1970ern geboren ist. Den „Millennials“ ist sie völlig unbekannt. Erstens gibt es keine rauchgeschwängerten Gasthäuser mehr und zweitens ist es für Kinder überhaupt kein Problem mehr, stundenlang in Gasthäusern herumzusitzen. Sie starren einfach, wie sonst auch, stundenlang auf ihre Smartphones.

      Was aber soll an einem simplen Kaugummiautomaten so besonders sein? Nun, zu einer Zeit, als man noch keine virtuellen Welten in der Hosentasche herumtragen konnte, musste man sich selber Phantasiereiche erschaffen, und dazu eigneten sich die Inhalte der omnipräsenten roten Kaugummi-Automaten mit Sichtfenster ideal.

      Zusammen mit den damals in ebenso großer Anzahl verbreiteten Comic-Heften bildeten sie ein Erlebnisfeld eigener Art: „amerikanischer Schund und Schmuddelkram“. Zu allem Überfluss standen die Automaten meist auch noch an schmutzigen Orten herum. In den Automaten gab es keinesfalls nur Kaugummi, viel interessanter waren die Spielzeuge, die ebenfalls nach Geldeinwurf herauskamen. Anfangs wusste man nie, ob man einen Kaugummi oder ein Spielzeug bekam. Wobei man als Kind nicht von „Spielzeug“ sprach ...

      Seit den 1950ern

      Das waren Schätze, wertvolle Dinge, seltene Dinge, die gehortet und versteckt werden mussten, gesichert in geheimen Schatzkammern, verborgen vor den Erwachsenen. Gemischte Automaten gab’s dann irgendwann nicht mehr. Schade. Aber die Mehrwertsteuer sprach dagegen, für Kaugummi sieben, für Spielzeug 19 Prozent, – und die Hygiene! Man war ja mit derZeit übereingekommen, Kinder am besten nur noch mit Ganzkörperschutzanzug und -helm aus dem Haus zu lassen. Doch am Kaugummi ist damals keiner gestorben.

      Die Automaten waren in den 1950er Jahren plötzlich aufgetaucht und hingen bald an jeder Straßenecke, bevorzugt in der Nähe von Wirtshäusern, wo sie, wie oben berichtet, zum Rettungsanker gelangweilter Kinder wurden. Sie waren ein Nebenprodukt des verlorenen Krieges und kamen im Gefolge der amerikanischen Besatzung ins Land. So schmuddelig sie waren, so verbreiteten sie doch gleichzeitig die Aura großer weiter Welt. Gleich konnte Jerry Cotton ums Eck kommen, hoffte man in Gedanken.

      Was an Spielzeug aus den Apparaten herauskam war skurril wie die Horrorartikel, witzig wie die Comicfiguren aus Asterix und Micky Maus oder sprach Mädchenherzen an wie Ringe mit teils recht echt wirkenden Plastiksteinen. Die sammelten Jungen genauso gerne, ließen sie sie doch an die „Schatzinsel“ oder den „Schatz im Silbersee“ denken.

      Erste große Liebe

      „Meine erste große Liebe in der Volksschule hat mir einen Ring aus einem Kaugummiautomaten geschenkt“, erinnert sich Heidi Winkler, die als Zeitzeugin befragt wurde, und fügt hinzu: „Der Ring war für mich damals der größte Schatz!“ Zeitzeuge Michael von Wittke pflichtet bei: „Wichtig waren die Ringe!!!“ Michael Falkenberg aus Fürth erinnert sich an etwas, was auch typisch war: „Jeder wollte das winzig kleine Taschenmesser aus dem Kaugummiautomaten. – Aber ich kenne niemanden, der es bekommen hat.“ Eine erfolgreiche Verkaufsstrategie, die man von Sammelalben kennt. Einige Objekte gab es sehr häufig, andere fast gar nicht – so musste man immer weiter kaufen, in der Hoffnung, das fehlende Teil doch noch zu bekommen. Das war eine erste Lektion in Marktwirtschaft für die Kinder.

      Zu Ende der Schau gibt es dann noch eine umfangreiche Ecke mit zeitgemäßen Informationen über den Kaugummi. Der enthält Mikroplastik und das bis heute. Allerdings hat das in den zwei Stunden Recherche niemand interessiert: Erstens weil es nicht Thema der Ausstellung war, zweitens weil die Erwachsenen aus Nostalgiegründen gekommen waren, nicht, um sich belehren zu lassen, und drittens, weil es eine Bleiwüste ohne Ausstellungsstücke war.

      Die Kinder scharten sich derweil um ein paar Automaten am Eingang, die noch in Betrieb waren. Immer mehr kommen hinzu. Ein Mädchen wirft einen Fünfziger ein. Ein Gummiball kommt heraus und hopst davon. Alle sind begeistert. Alles wie früher! Schön!

      Jerzy Staus

      Die Ausstellung „Alte Liebe! Spielzeug aus Kaugummi-Automaten“ ist noch bis zum 3. Oktober im Spielzeugmuseum in Nürnberg zu sehen; Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag 10 bis 17 Uhr, Samstag und Sonntag bis 18 Uhr; Eintritt: 6 Euro.