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      Kirche im Sitzkreis

      Wahrscheinlich ist es nicht, dass sich Katholikentagsbesucher aus Versehen zur Katholischen Akademie in Münster verirren. Der Ort liegt abseits der Altstadt mit ihrem Besuchertrubel.
      Doch für drei Stunden wird das Franz-Hitze-Haus während des Katholikentags zum Zent­rum der Kirche in Deutschland. Vertreter von Diözesen, Verbänden, Orden und Theologischen Fakultäten loten hier ihren Platz in der Gesellschaft aus.   Interessierte Katholikentagsbesucher sind willkommen, obwohl zahlreiche Akteure bei diesem „Hearing“ (Anhörung) geladene Gäste sind. Es soll aber nicht darum gehen, wer welchen Platz in welcher Hierarchie einnimmt. „Das Wichtigste ist, dass die Kraft des Argumentes zählt.“ So sagt es der Präsident des Zent­ralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, in seinem Grußwort. Sternberg ist der hochrangigste Laienvertreter bei der Veranstaltung „Im Heute glauben. Der Beitrag der katholischen Kirche für den Zusammenhalt der Gesellschaft.“ Sie knüpft an den Gesprächsprozess der deutschen Bischöfe zwischen 2011 und 2015 an. Damals sollten Dialogveranstaltungen dazu beitragen, die Risse in der Kirche – zwischen Amtsträgern und Kirchenbasis, zwischen Konservativen und Veränderungswilligen – möglichst zu kitten.
      Positive Erfahrungen „Die persönlichen Erfahrungen dieses Gesprächs- und Dialogprozesses haben uns als Bischöfe überzeugt, diesen Prozess weiterführen zu wollen“, bekun- det als Vertreter des Vorbereitungs-teams der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck.   Bevor die rund 300 Teilnehmer in kleineren Gruppen Standort und Stellen-wert der Kirche in der Gesellschaft aus-leuchten, entfaltet der Jenaer Soziologieprofessor Hartmut Rosa seine eigene Sicht auf die Kirche. Ihm geht es nicht um Theologie, sondern um Demokratie. Und zur Stabilität der Demokratie habe die Kirche einiges beizutragen, findet Rosa. „Wir leben in einer Gesellschaft, die ihre Anruffähigkeit zunehmend verliert“, analysiert der Soziologe. Eine demokratische Gesellschaft lebe davon, dass Bürger in Beziehung zueinander treten, einander zuhören und antworten und sich auch verändern lassen. Denn: „Gemeinwohl lässt sich nicht bestimmen, sondern nur demokratisch aushandeln“, stellt Rosa fest.
      Dieser Prozess sei jedoch gefährdet. Beispielhaft nennt der Professor Talkshows im Fernsehen. Kein Talkshow-Gast könne sich erlauben, sich von den Argumenten eines anderen überzeugen zu lassen und seine Meinung zu ändern. Genau dies wäre jedoch eine wünschenswerte Folge demokratischen Austauschs, erläutert Rosa. Die Kirche betrachtet der Soziologe als Ort, an dem die Grundlagen für einen solchen Austausch geschaffen werden, weil Anrufbarkeit entstehe – zum Bei-spiel durch gemeinsames Singen, Beten oder auch durch die Idee der Gnade.   Wer Rosas motivierendem Impulsreferat zuhört, könnte auf den Gedanken kommen: Die Kirche dürfte in der modernen Gesellschaft kein Attraktivitätsproblem haben. Die Realität holt die Teilnehmer des Hearings aber schon bei der Gruppenarbeit ein. Viele Menschen seien nicht getauft und würden auch nichts vermissen, ist da zu hören. Die Tendenz zum „Rückzug ins Gemäuer“ gebe es auch bei Christen. Gläubige sollten ihr Erlöstsein mehr ausstrahlen und so Ängste entkräften – insbesondere die Angst, von fremden Kulturen und Religionen „überrollt“ zu werden. Ein stärkeres soziales Profil wünschen sich Teilnehmer: „Wieso sind wir nicht Kämpfer für Leute in prekären Arbeitsverhältnissen, die zwei Arbeitsplätze brauchen, um durchs Leben zu kommen?“ Auch für die Familie als Grundlage der Gesellschaft solle die Kirche eintreten.
      Ins Plenum eingebracht Wie bringt man die Meinungen von einigen Hundert Menschen auf den Punkt? Beim Hearing in Münster übernehmen diese Aufgabe Gruppensprecher, die Wortmeldungen aus ihren Gruppen im Plenum zusammenfassen.   Einer dieser Sprecher ist der Berliner Generalvikar Pater Manfred Kollig. Er fordert dazu auf, sich der Frage zu stellen: „Wo sind wir glaubwürdig, wo traut man uns überhaupt etwas zu?“ Sprich: Beim Thema Geschlechtergerechtigkeit besitzt Kirche nicht unbedingt dieselbe Glaubwürdigkeit wie bei Fragen der Flüchtlingshilfe. Und Kollig weist auch auf die unterschiedlichen Kräfteverhältnisse der Kirche in verschiedenen Regionen hin: „Im Erzbistum München ist man der Meinung, dass man noch Themen setzen kann. Im Erzbistum Berlin hört man Äußerungen zu Themen und fragt sich: Was können wir dazu beitragen?“   Die Vorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), Kat­harina Norpoth, formuliert als Schlüsselfrage: „Wie sind wir als Kirche glaubwürdig gegenüber denen, die wir noch nicht erreichen?“ Als Antworten schlägt sie vor: Frauenweihe und synodale Beteiligungsmöglichkeiten.   Beim Hearing herrscht große Einigkeit, dass die Kirche einen gesellschaftlichen Auftrag hat. Für den Rückzug in die persönliche Frömmigkeit plädiert keiner der Redner. Mehrfach ist zu hören, dass Kirche Vielfalt aushalten und Menschen signalisieren sollte, dass sie angenommen sind. Die Kirche brauche Kommunikation mit Menschen, die sich als entfremdet erleben, und Formate, durch die Menschen mit ihrer Seele in Berührung kommen, unterstreicht der Freiburger Weihbischof Michael Gerber.   Aber: Wer sind die Verbündeten der Kirche? Das fragt die Erfurter Professorin für Pastoraltheologie, Maria Widl. Ohne eine „Unterscheidung der Geister“ gehe es nicht. Und auch für Kardinal Reinhard Marx ist Vielfalt definitionsbedürftig: „Es ist ein Riesenproblem, wenn wir selbst keine Einheit zeigen können.“
      Was Katechese heißt Auch sein Verständnis von Glaubens­verkündigung legt der Münchner Kar­dinal seinen Zuhörern ans Herz: „Katechese kann nicht bedeuten: Einer weiß alles, und der andere hört zu und schreibt mit. Katechese heißt, dass man auch von einem Menschen, der von Christus noch nichts gehört hat, etwas lernen kann.“   Die Ergebnisse der Münsteraner Debatte sollen bei der Jahresveranstaltung „Im Heute glauben“ im September 2019 in Fulda weiterdiskutiert werden. Sein persönliches Fazit zieht in Münster der Würzburger Diözesanratsvorsitzende Karl-Peter Büttner: „Erfolgreich kann nur sein, was authentisch vorgelebt wird.“   Ulrich Bausewein