Vater und Sohn
Von der Wiederaufnahme nach dem Krieg 1957 bis ins Jahr 1978 stand Josefs Sohn Rudi Nuss als Christus auf der Bühne. Seine Schwester, die Oma von Tobias Selzam, spielte lange Jahre seine Mutter Maria. Sie nahm ihre Tochter Helga von klein auf mit zu den Passionsspielen, so wie diese es wiederum mit ihren vier Kindern Christoph, Tobias, Kristina und Florian tat. Natürlich war auch deren Papa Rudi Selzam dabei, lange Jahre in der Rolle des Petrus,darüber hinaus zehn Jahre lang in Funktion des stellvertretenden Vereinsvorsitzenden. Jetzt spielt der 72-Jährige im jüdischen Volk mit.„Damals war alles noch nicht so professionell“, erinnert sich die 68-jährige Helga Selzam, die als gebürtige Sömmersdorferin seit 1957 ununterbrochen dabei ist. „Aber es war eine Sensation, wenn die vielen Busse ins Dorf gekommen sind“, erinnert sie sich. Alle vier mittlerweile erwachsenen Kinder mit eigenen Familien genießen es in diesem Sommer wieder, mit der ganzen Großfamilie und mit den Freunden von früher zusammen zu sein, auch und gerade weil nicht mehr alle in Sömmersdorf wohnen. „Die Apostel-Truppe ist ja die ‚Gang‘ von früher, als alle noch mit dem Mofa unterwegs waren“, lacht Kristina Selzam. „Da ist einfach eine super Stimmung.“ Die junge Mutter verkörpert die Jüngerin Maria Magdalena und hat – natürlich – ihre einjährige Tochter Elva mitgebracht. Die darf auf dem Arm von Oma Helga ihrem Onkel Tobias als Jesus beim Einzug in Jerusalem zujubeln. „Keine einzige Spielsaison habe ich verpasst“, erklärt die 37-jährige Kristina, auch wenn sie nicht mehr im Ort wohnt. Es ist die Faszination dieser Geschichte, die sie immer wieder lockt: Warum redet man noch heute von Jesus? Wer war dieser Mann? Und wer war diese Magdalena, deren Rolle sie spielt?
Anstrengende Zeit
Anstrengend war die monatelange Probenarbeit auch für ihren Bruder Tobias. „Aber die Anstrengung nimmt ab“, meint der Jesus-Darsteller. „Je mehr man übt, umso leichter fällt einem die Rolle“, die er immer intensiver wahrnehme. Und wenn jetzt jeden Samstag und Sonntag die Vorstellungen jeweils 2000 Besucher begeistern, sind alle Strapazen Nebensache. Auch Tobias Ehefrau Frau Stefanie, eine gebürtige Schweinfurterin, spielt diesmal mit: Als Claudia, Frau des Pilatus. Tochter Emma ist als Schulmädchen im Prolog präsent. Während früher nur eingefleischte Sömmersdorfer mitspielen durften, sind heute auch Neuzugezogene und Weggezogene willkommen.Die ganze Laufbahn eines Passionsspielers hat auch Tobias‘ ältester Bruder Christoph hinter sich. Als Kind durfte er den Einzug Jesu in Jerusalem ankündigen: „Holt alle vor das Tor, ein Prophet zieht in unsere Stadt“, erinnert sich der 43jährige. Nach einem Intermezzo als Soldat steht er seit vielen Spielzeiten als Händler Abiram auf der Bühne. Weil sein Sohn Korbinian erst am 10. Juni geboren wurde, kann Ehefrau Dorothea mit dem Baby noch nicht bei jeder Vorstellung als Volksspielerin dabei sein. „Glücklicherweise kam der Kleine vor dem errechneten Termin, denn da wäre die Generalprobe gewesen und ich hätte keinen Ersatz gehabt“, grinst Christoph. Selbstverständlich werden auch Helena und Veronika, die Töchter des jüngsten der Selzam-Kinder, Florian, mitgenommen. „Das ist einfach Tradition“, meint ihr Vater, der als Apostel Bartholomäus agiert. Seine Frau Maria hat ihren Dienstplan als Krankenschwester eigens auf die Aufführungen abgestimmt. Auf jedes Treffen auf und hinter der Bühne freut sich die Großfamilie. Die Passion und ihre Kinder begeistern sie immer aufs Neue. Silvia Eidel