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      Krankenschwester Franziska Böhler über Freud und Leid in Pflegeberufen

      I’m a Nurse

      Nein, als Heldin will Franziska Böhler sich nicht bezeichnen lassen. Im Frühjahr dieses Jahres wurde dieser Titel Kranken- und Altenpflegerinnen gerne zugeschrieben, verbunden mit viel Applaus von den Balkonen. Böhler ist seit 13 Jahren Krankenschwester und findet das nicht passend: „Helden sind ja immer Einzelkämpfer, im Krankenhaus sind wir aber Teamarbeiter“, sagt sie.

      Trotzdem hat die 33-Jährige, die aus dem Spessart stammt und am Aschaffenburger Klinikum gelernt und gearbeitet hat, einen Bekanntheitsgrad erreicht, der einer Heldin alle Ehre gereicht. Das liegt an dem Instagram-Account, den sie seit 2017 unter dem Namen „thefabulousfranzi“ (zu Deutsch: die fabelhafte Franzi) betreibt. Dort veröffentlicht sie Geschichten aus ihrem Berufsalltag. Zwar ist Instagram eher für Bildchen und leichte Unterhaltung bekannt, doch Böhler hat wohl eine Nische entdeckt, denn inzwischen folgen über 180000 Menschen ihrem Blog und bekommen so einiges mit über Freud und Leid der Menschen in Pflegeberufen.

      Informationsdefizit

      Und genau das ist ihr wichtig, denn sie findet, die Öffentlichkeit weiß viel zu wenig darüber, wie herausfordernd die Arbeit einer Krankenschwester ist. „Viele reduzieren die Pflege auf die Grundpflege, also Popo abwischen und solche Sachen. Aber das ist ja nur ein kleiner Teil. Der Job fordert dich persönlich und ist total anspruchsvoll“, sagt sie. Deswegen sei es unverständlich, dass sich das nicht in der Bezahlung zeigt: „Geld darf zwar kein Grund sein, in die Pflege zu gehen, aber es ist eine wichtige Form der Wertschätzung.” Fast noch skandalöser empfindet Böhler aber die immer höhere Arbeitsbelastung, die den Mitarbeitern in Kranken- und Pflegeheimen zugemutet wird. Sie hat es in den 13 Jahren, in denen sie auf einer Intensivstation gearbeitet hat, am eigenen Leib erfahren: Waren es noch anfangs eine Schwester, die für zwei Patienten zuständig ist, sind es mittlerweile drei, manchmal auch vier Patienten. „Man kann sich aber nur gut um die Menschen kümmern, wenn man auch Zeit für sie hat, denn sonst passieren Fehler“, betont sie.

      Ein Teufelskreis

      Dazu kommt, dass Böhler den Anspruch an sich selbst hat, die Arbeit möglichst gut zu machen und sie wird unzufrieden, wenn ihr die Umstände das nicht erlauben. Sie glaubt, dass deswegen viele Kollegen den Beruf so bald wieder an den Nagel hängen. Das ist besonders tragisch, weil gleichzeitig viel zu wenig neue Kräfte nachkommen. Es ist ein Teufelskreislauf, der dringend durchbrochen werden muss. Und da helfe auch nicht, merkt sie an, dass in manchen Krankenhaus- und Heimverwaltungen versucht wird, diesen Mangel aus Kostengründen einfach wegzurechnen.

      Böhler versucht, andere für den Beruf zu motivieren, indem sie davon spricht, wie ungeheuer schön und erfüllend er sein kann. Regelmäßig könne man daran mitwirken, dass schwerkranke Menschen durch die Pflege wieder gesund werden, oder – auch das ist Teil der Aufgabe – ihr Lebensende möglichst schmerzfrei und würdig zu gestalten. Sie erzählt von einem ehemaligen Patienten, den sie vor einem Jahr als lebensgefährlich erkrankt in der Klinik kennengelernt hat. Die Mittfünfzigjährige war Intensivpatient, der unter anderem mehrmals reanimiert werden musste. „Er war so ein Fall, wo man den ganzen Tag am Bett steht und gar nicht weg kommt“, erinnert sie sich und weiß auch noch, dass sie das damals körperlich und psychisch sehr mitgenommen hat. Ihre Berufserfahrung sagte ihr, dass er es eigentlich nicht schaffen kann. Irgendwann wurde er in eine andere Abteilung verlegt, aber über Insta- gram war sie weiter in Kontakt mit seiner Tochter. Und die hatte sie jetzt vor ein paar Wochen zu einer Feier eingeladen. Und dann sei ihr dort dieser Mann mit einem Bier in der Hand entgegengekommen und habe gesagt: „Hallo Franzi. Sowas habe ich noch nie erlebt und ich muss echt sagen: das ist überragend!“, noch spürbar bewegt. Sie ist sich sicher: „Kein anderer Beruf gibt einen so ein grandioses Endergebnis zurück“.

      Applaus verhallt

      Mit dem Begriff „Berufung“ ist Böhler aber vorsichtig. Sie glaubt, dass so die hohe Qualifikation ausgeblendet und nur die soziale Verantwortung betont werden soll. „Und man wird damit schnell mal emotional erpresst, wenn wieder mal ein Kollege ausfällt und ein Dienst besetzt werden muss“, sagt die 33-Jährige.

      Den Applaus, der am Anfang von Corona dem Beruf entgegengebracht worden sei, empfand Böhler zwar als schön, doch an den Bedingungen des Berufes hätte er bislang nichts zum Guten verändert. Im Gegenteil: Für die Pfleger wurde bald die Quarantänezeit gekürzt, weil es sonst in den Krankenhäusern eng geworden wäre. Schutzkleidung war lange Zeit Mangelware, es gab Urlaubssperren und die Warnung, keinen Kontakt zu anderen Menschen aufzunehmen. „Das hieß: Arbeiten, nach Hause gehen, Arbeiten, nach Hause gehen, kein Kontakt zu anderen Menschen – in welchem anderen Job würde man das mit den Menschen machen?“ Die Diskussion um den „Coronabonus“ und wer ihn bekommen soll, empfand sie dann nur noch als zynisch.

      Bestseller

      Für sie hat die Pandemie nochmal deutlich gezeigt, dass sich etwas ändern muss. Sie hatte bereits 2019 gemeinsam mit der Autorin Jarka Kubsova ein Buchprojekt gestartet, das sie mit ihren Erfahrungen, aber auch mit Berichten ihrer Instagram-Follower angereichert hat. Sie benennt darin die problematischen Umstände des Berufs, kommt aber immer wieder darauf zu sprechen, warum sie ihn trotz allem immer noch liebt. Mitte August ist das Buch erschienen und es war schnell auf Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste.     

      Burkard Vogt

      Das Buch: „I’m a Nurse – Warum ich meinen Beruf als Krankenschwester liebe – trotz allem“ , Franziska Böhler und Jarka Kubsova; Heyne-Verlag; ISBN: 9783453605602; 12,99 Euro.