Hinweis

Ihre Browserversion wird leider nicht mehr unterstüzt. Dies kann dazu führen, dass Webseiten nicht mehr fehlerfrei dargestellt werden und stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Wir empfehlen Ihnen, Ihren Browser zu aktualisieren oder einen der folgenden Browser zu verwenden:

Krokusse

Ihr katholisches Magazin – ab Ostern 2024

Lernen Sie das Sonntagsblatt kennen – kostenlos und unverbindlich

    Lernen Sie das Sonntagsblatt kennen – kostenlos und unverbindlich

      Mehr
      Das Weihnachtsbild des „Meister Mathis Maler von Aschaffenburg“

      „Holdselig und correct“

      Das Weihnachtsbild des „Meister Mathis Maler von Aschaffenburg“
      Bis zu 250000 Kunstfreunde aus aller Welt pilgern alljährlich nach Colmar ins Musée d’Unterlinden. Was sie dort vor allem anzieht, ist ein Kunstwerk höchsten Ranges: der Isenheimer Altar. Kaum ein Besucher, der nicht betroffen, ergriffen, begeistert ist von dieser einzigartigen Bilderwelt, die Himmel und Erde miteinander verbindet.
      Und wer kennt sie nicht, auch wenn er noch nie im elsässischen Colmar war: die erschütternde Kreuzigungsszene des geschlossenen Retabels, darunter in der Predella mitleidvoll die „Beweinung Christi“. Vielleicht auch die dämonische Versuchung des heiligen Antonius und das friedvolle Zwiegespräch zwischen Antonius und dem Eremiten Paulus, die beiden Bildtafeln der sogenannten zweiten Öffnung.
      Und natürlich die erste, die Festtagsöffnung des vor fast 500 Jahren für das Isenheimer Antoniterkloster geschaffenen Wandelaltars: Links die spannungsvolle Verkündigungsszene, rechts das geradezu explosive Osterereignis: die verklärte Gestalt des Auferstandenen und zum Himmel Auffahrenden. Die Mitte aber ist der Menschwerdung Gottes, dem Weihnachtswunder vorbehalten. In einer weiten heiteren Landschaft sitzt inmitten eines Gartens anmutig die Gottesmutter; in den Armen hält sie das göttliche Kind. Über beiden in der Himmelssphäre ist die göttliche Allmacht dargestellt: Gottvater als Lichterscheinung, deren Kraft die dunkle Wolkendecke durchdringt und in deren Strahlen die Himmelsgeister zur Erde schweben. Ein Weihnachtsbild ganz ohne Krippenromantik, ohne Winterzauber, auch ohne Josef, den Nährvater Jesu. Aber mit einem wunderbaren Engelskonzert. Man hört sie förmlich begeistert musizieren, halb im Dunkel, halb im Licht: die Himmelsmusikanten. Der Tempelraum, in dem sie dem Neugeborenen aufspielen, ist dem „Paradies“ gotischer Münster nachempfunden.
      In diesem Gemälde findet die dreifache Weihnachtsliturgie der Kirche ihren bildhaften Ausdruck: die Christmette um Mitternacht, die Hirtenmesse in der Morgenfrühe und das Festamt am lichthellen Weihnachtstag. Wer etwas genauer hinsieht, wird auch Merkwürdiges entdecken: den Dunkelengel zum Beispiel, der im Konzert mitspielt. Und ihm wird vielleicht die Windel am zarten Körper des Jesuskindes auffallen. Sie ist ebenso zerrissen, zerfetzt wie das Lendentuch des Gekreuzigten!
       
      Ein Meister der Gestaltung, der Farben und des Lichts, des Ausdrucks, der Realität und Überrealität, der Phantasie, der Symbolik, wohl auch der Mystik – jeder kennt seinen Namen: Matthias Grünewald. Jedem Kunstfreund ist inzwischen aber auch bekannt, dass es sich bei „Grünewald“ um einen offensichtlich erfundenen Namen handelt. Joachim von Sandrart, Kunstkenner und selbst Künstler, hat diesen Namen 1675 in seinem vielbändigen Werk „Teutsche Academie der Edeln Bau-, Bild- und Mahlerey-Künstler“ für immer in die Kunstgeschichte eingeführt.
      In den wenigen erhaltenen Dokumenten taucht Grünewald, der zu Lebzeiten wohl nie so genannt wurde, zuerst als „Meister Mathis“ oder als „Mathis Maler“ auf, und 1511 – es geht um eine Bausache in der kurmainzischen Nebenresidenzstadt Aschaffenburg – als „Meister Mathis Maler von Aschaffenburg“. 1516 ist dann ein „Meister Mathis Gothart“ als Maler im Dienst des Mainzer Kurfürsten dokumentiert.
       
      Die letzten und entscheidendsten Hinweise zur Identität Grünewalds kommen aus Halle und aus Frankfurt am Main, dem letzten Wohnort Grünewalds. Der Seidensticker Hans Plock aus Halle, mit dem Aschaffenburger Maler bekannt, vielleicht sogar befreundet, meldet am 1. September 1528 dem Rat der Stadt Halle den Tod des Malers und Wasserkunstmachers „Matthes Gothart“. In Plocks Privatbibel entdeckte man Mitte des 20. Jahrhunderts mehrere von ihm eingeklebte Zeichnungen des Malers Mathis.
      Kurz nach Grünewalds Ableben listet ein Gerichtsschreiber in Frankfurt detailgenau dessen Nachlass auf, wobei wiederum der Name „Mathis Nithart oder Gothart“ erscheint. Und auf den Kisten mit Grünewalds persönlicher Habe – darunter Malerutensilien, Farben, Zirkel, Goldwaagen, Seidensiedergeräte, Hofkleidung und Schmuck – findet sich die Aufschrift „Mathis Neithart Maler von Wuertzburgk“; letzteres gilt als ein Hinweis auf Grünewalds mögliche Geburtsstadt.
      Bei all diesen Namensnennungen handelt es sich nach heutigem Wissen stets um ein und dieselbe Person, die – um 1480 geboren – von verschiedenen Seiten als Schöpfer von Bildwerken genannt wurde, die man heute eindeutig dem gleichen Künstler zuordnet.
       
      Persönlich hat Grünewald sich offensichtlich nie in den Vordergrund gestellt. Nachgewiesene Selbstporträts, wie etwa die seines Zeitgenossen Albrecht Dürer, fehlen ebenso wie jedwede persönlichen Aufzeichnungen. Seine Bildwerke signierte Mathis, wenn überhaupt, nur mit der Buchstabenkombination „MGN“ bzw. „MG“. Das MGN-Kürzel befindet sich auch auf dem Originalrahmen des Marienbildes, das Grünewald 1517/19 im Auftrag des Aschaffenburger Stiftskanonikus Heinrich Reitzmann für die damals neu errichtete Maria-Schnee-Kapelle an der Stiftskirche St. Peter und Alexander geschaffen hat. Dieser Rahmen hängt heute noch dort; das für Aschaffenburg bestimmte Bild allerdings ist mittlerweile durch eine Kopie jenes Grünewald-Gemäldes ersetzt, das sich heute als große Attraktion im kleinen Stuppach bei Bad Mergentheim befindet.
      Sicher war Aschaffenburg lange Zeit der Mittelpunkt im Leben Grünewalds. Etwa um 1500 muss er an den Untermain gekommen sein – woher genau, darüber kann nur gerätselt werden, wie über so vieles zur Biografie des Malers. In Aschaffenburg hatte er bis 1526 festen Wohnsitz. Im Dienst des Mainzer Kurfürsten und Bischofs arbeitete er von hier aus, den wenigen dokumentarischen Quellen zufolge, als Hofmaler, Baumeister und Wasserkunstmacher. Wahrscheinlich stand Grünewald sogar einer größeren Werkstatt vor. Denn für den Mainzer Dom schuf er in relativ kurzer Zeit allein drei große Altarwerke, die jedoch allesamt im Dreißigjährigen Krieg auf dem Weg nach Schweden in der Ostsee versunken sind. Auch seine anderen Altäre, ausgenommen der Isenheimer Altar, existieren nur noch fragmentarisch – aufgeteilt in Kirchen, Museen und Sammlungen –, darunter auch ein Frühwerk: der 14-Nothelfer-Altar im oberfränkischen Lindenhart.
      Nur eine Grünewald-Tafel befindet sich noch in der Stadt, in der sie wohl entstanden ist und für die sie auch bestimmt war: die geheimnisvolle „Beweinung Christ“, eine leider stark beschnittene Predellatafel vielleicht aus dem Altar für die heute ebenfalls nicht mehr existierende Heilig-Grab-Kirche.
      In der großen Bayerischen Landesausstellung „Das Rätsel Grünewald“, die auch ausführlich die fruchtbare Beziehung zwischen Grünewald und seinem Dienstherren Kardinal Albrecht von Brandenburg, einem der Mächtigsten damals im Reich, beleuchtet, sind derzeit alle großen Werke des geheimnisvollen Meisters in einer virtuellen Schau zu sehen – als Lichtprojektionen in Originalgröße auf Seidengewebe. Neben der „Beweinung“ aus der Stiftskirche, für die Zeit der Ausstellung ins Schloss Johannisburg überführt, sind noch zwei weitere Grünewald-Originale zu bewundern: die beiden beim Städel-Museum in Frankfurt ausgeliehenen Tafeln aus dem vom Frankfurter Patrizier Jacob Heller für die dortige Dominikanerkirche gestifteten Thomas-Altar. Für diesen Altar hatte neben Grünewald auch Albrecht Dürer gearbeitet. Die Gegenüberstellung zeigt es: Während Dürers Heiligenbilder eher statisch und ganz jenseitig wirken, beeindrucken Grünewalds in vornehm- zurückhaltender Grisailletechnik geschaffenen Heiligen durch ihre lebensvolle Gegenwart.
      Und gegenwärtig ist Grünewalds Kunst auch heute noch. Deswegen, weil sie die Menschen anspricht, weil sie unter die Haut und zu Herzen geht. Es muss wohl stimmen, was Joachim von Sandrart feststellte, als er die überragende Erfindungsgabe und das Kolorit des Malers pries. Grünewalds Bilder seien wie „eine Mutter aller Gratien, holdselig und correct“. Auch wenn Sandrart den Isenheimer Altar nicht als Grünewalds Werk gekannt hatte, so trifft diese schöne Charakterisierung seiner Malkunst in besonderem Maß gewiss und gerade auf die wundervollen Weihnachtstafeln zu.