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      Lehrer Roland Schönmüller erkundet mit 17 jungen Migranten die katholische Pfarrkirche St. Josef in Erlenbach am Main

      Fremdes soll zu Vertrautem werden

      Andächtig zünden die Kinder und Jugendlichen die dünnen, bernsteinfarbenen Opferkerzen an, stecken sie in den Sand, schauen noch einen Augenblick in den Lichterschein. „Ihr könnt Gott alles sagen, ihn um alles bitten, das ist in jeder Religion gleich“, hat ihnen Sebastian Keines gerade erklärt. Der 35-Jährige ist Gemeindereferent in der Pfarreiengemeinschaft „Christus, der Weinstock“ in Erlenbach am Untermain. An diesem Freitag hat er in der katholischen Kirche St. Josef ungewöhnlichen Besuch. Roland Schönmüller ist mit seiner Klasse aus der benachbarten Barbarossa-Mittelschule zu Gast.

      Der erfahrene Lehrer leitet dort die sogenannte Deutsch-Übergangsklasse, in die 17 Schülerinnen und Schüler im Alter von elf bis 17 Jahre gehen. Sie alle sind erst seit kurzem in Deutschland, stammen aus Ländern wie Kroatien, Rumänien, Bulgarien, Griechenland, Syrien und der Türkei. Sie alle müssen noch so gut Deutsch lernen, dass sie bald eine Regelklasse besuchen können. Die Kinder und Jugendlichen sind überwiegend muslimischen Glaubens, einige orthodoxe sowie katholische Christen sind ebenfalls dabei.

      Auf Erkundungen

      Roland Schönmüller ist nicht nur ihr Klassenlehrer. Er ist auch einer, der abseits von Deutschdiktaten, Matheproben, Biologie- oder Erdkundeunterricht seinen Schützlingen das Leben in der neuen Heimat zeigen will. Fremdes soll zum Vertrauten werden, zur zweiten Heimat, die Geborgenheit, Sicherheit und Wohlbefinden schenkt, so formuliert es der Pädagoge. Daher nimmt er die Schüler, die von Alter und Herkunft her nicht unterschiedlicher sein könnten, so oft es nur geht mit auf Erkundungen, auf Kurzbesuche in der Region. Läuft mit ihnen ins Rathaus, ins Schwimmbad, zur Volkshochschule, zum Friedhof, in die Geschäfte. Auch in einer örtlichen Moschee waren sie zu Gast, beteten gemeinsam mit dem Imam, der Vater eines Schülers ist, wurden von christlich-muslimischen Frauen bewirtet. Jetzt also der Besuch in einer katholischen Kirche. Im Unterricht hat Schönmüller den jungen Migranten schon die wichtigsten Elemente im Inneren der Kirche und deren Bedeutung nähergebracht. Nun dürfen sie den Raum mit eigenen Augen und mit weiteren Sinnen erfahren. Sollen nicht mit historischen oder kunstgeschichtlichen Fakten überfrachtet werden, sondern Stimmungen wahrnehmen, sehen, welche Spuren der Glaube hinterlassen hat.

      Ganz normale Kinder

      Vor der Eingangstür des Gotteshauses in der Lindenstraße sammelt sich die Schar, wird ruhiger, kleine Rangeleien und Wortgefechte sind zu Ende. Stille und Staunen herrschen, als die Klasse die Kirche betritt. Die großen, farbigen Glasfenster beeindrucken viele. Die Mädchen und Jungen setzen sich, lassen die Weite des Raums und die Ruhe auf sich wirken. Jeder bekommt nun von Roland Schönmüller ein Blatt und einen Kuli, dann ziehen die Schüler einzeln los, schauen sich in der Kirche um, zeichnen ihre ersten Eindrücke auf. Auf der Kommunionbank vor dem Altar liegt ein gutes Dutzend gelber Karten, darauf Begriffe wie „Osterkerze“, „Beichtstuhl“, „Taufbecken“. Die jungen Leute heften die Zettel an die jeweiligen Orte, gehen dann nochmal eine Runde, um Dinge zu markieren, die ein Fragezeichen für sie sind. Roland Schönmüller und Sebastian Keines laufen mit den Schülern durch die Kirche, erläutern die Begriffe, von denen viele noch nie in ihrem Leben gehört haben. Tabernakel, Hostie, Sakristei sind Beispiele dafür. Nicht alle Erläuterungen verstehen die Jugendlichen auf Anhieb. Eine 16-jährige Griechin, die neben ihrer Muttersprache fließend türkisch und schon gut deutsch spricht, übersetzt immer wieder.

      Sakrament der Taufe

      An der Osterkerze spricht Schönmüller über das Sakrament der Taufe, zeigt auf Fotos von Babys und Kindern, die hier in St. Josef getauft wurden. Am Stand mit den Gotteslob-Büchern blättern die Jugendlichen eifrig. Gesang- und Gebetsbücher gebe es auch in der Moschee, weiß ein Junge. Erst zaghaft, dann forscher läuten einige die Altarschelle, lugen in die Beichtstühle, stehen vor dem Tabernakel mit dem Ewigen Licht. Dann dürfen alle eine Kerze anzünden vor dem Seitenaltar mit der Muttergottes. Die Tür öffnet sich, Organistin Hildegard Abb betritt die Kirche. Sie schließt die Orgel auf, spielt unter anderem „Großer Gott, wir loben Dich“ für die jungen Besucher. Diese lauschen und spenden kräftigen Beifall. Nach einer guten Stunde ist der Besuch im Gotteshaus zu Ende. Für die meisten war es eine Premiere. Und als sich die Klasse wieder auf den Weg zur Schule macht, trägt wohl jeder etwas von der besonderen Stimmung mit sich.

      Cornelia Müller