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      Faszination Bolivien – eine ganz andere Welt

      Auf meiner zweimonatigen Reise durch Bolivien sind mir die beiden Seiten Boliviens begegnet: die arme und die reiche. Es herrscht ein Reichtum an wunderschönen Natur-Momenten, der nur mit der Lektüre eines Reiseführers kaum zu erahnen ist. In La Paz jedoch, der Stadt des Friedens, sind die täglichen Gewalttaten kaum zu zählen, und Tausende von Menschen wohnen auf der Straße. Ich bin dankbar für jeden Tag, den ich hier in Begoña mit den Kindern verbringen darf. Danke sage ich auch für ihre Spenden und Gebete, die mein Leben in Bolivien begleiten.
      Seit dem letzten Bericht über meinen MaZ-Einsatz hier in Begoña/Bolivien ist sehr viel Zeit vergangen, somit gibt es wieder einiges an Erlebnissen und Erfahrungen zu berichten. Das bolivianische Weihnachtsfest 2005 habe ich in Sucre mit vier anderen MaZlern des Pallottinerinnenordens gefeiert. „Die weiße Stadt“ Sucre gilt als die hübscheste Kolonialstadt Boliviens. Die Schwestern des Instituto Mariano del Apostólado Católico hatten uns über die Weihnachtstage in ihr Haus eingeladen. Am 24. Dezember gab es das typische bolivianische Weihnachtsgericht: Picane, ein Eintopf aus Kartoffeln, Gemüse, Hühnchen- und Schweinefleisch. Zum Nachtisch gab es für jeden einen Teller mit bolivianischen Weihnachtsgebäck. Obendrauf lag ein schwarzer Schokoladenlebkuchen – das war mein einziger Lebkuchen während meiner Weihnachtszeit in Bolivien.
      Gegen 23 Uhr haben wir uns auf den Weg zur Kathedrale von Sucre gemacht. Vor der Christmette gab es noch einen Umzug mit einer lebensgroßen Jesuskindfigur. Die Figur wurde vom Bischof, einer kleinen Blaskapelle und vielen Passanten begleitet, die vor dem Jesuskind hertanzten. Punkt 24 Uhr zog die Prozession in die Kathedrale von Sucre ein. Der Universitätschor hat gesungen, Hochaltar und Ambo waren mit blinkenden Lichterketten geschmückt.

      Reise ins kalte Hochland
      In den Monaten Dezember und Januar sind in Bolivien die Schulen geschlossen, und die Kinder haben Sommerferien. Den Dezember nutzte ich dazu, Santa Cruz de la Sierra, eine sehr moderne Stadt, und deren Umgebung kennen zu lernen. Auch habe ich in einer sehr holprigen Fahrt mit dem Zug Brasilien besucht. Am 2. Januar 2006 packte ich dann warme Kleidung in meinen Rucksack, um in die Kälte Boliviens, ins Altiplano-Hochland, zu reisen.
      Meine erste Station war Potosí, die höchst gelegene Großstadt der Welt auf 4070 Metern. Diese Stadt ist berühmt für den Cerro Rico, den „Reichen Berg“ (4830 m) und seine Silberminen. Bei einem siebenstündigen Minenbesuch habe ich die extremen Arbeitsbedingungen eines „Mineros“ bei einer Hitze von 38 Grad Celsius kennen gelernt. Nur durch das Kauen von Kokablättern, was auf Dauer zu großen gesundheitlichen Schäden führt, ist das Arbeiten in den Minen erträglich.
      Nächste Station meiner Reise war Uyuni, das bekannt ist für den größten Salzsee der Welt mit einer Fläche von über 1200 Quadratkilometern; das ist knapp 17 Mal so groß wie der Bodensee.
      Als nächstes stand La Paz – Der Friede – auf meinem Reiseplan. Tag und Nacht wacht der 6322 Meter hohe Schneeberg Illimani über diese faszinierende Stadt. In das tief eingeschnittene Tal des Flusses Choqueyapu schmiegt sich die mittlerweil größte Stadt Boliviens. In dieser Stadt geht es sehr hektisch und auch laut zu, Diebstähle und Überfälle auf Touristen stehen auf der Tagesordnung. Somit genoss ich die Ausflüge, die ich in die stillere Umgebung machte. Ich besuchte die Ausgrabungsstätte der Tiahuanaco-Kultur und guckte durch das berühmte Sonnentor. Mit dem Mountainbike fuhr ich die gefährlichste Straße der Welt hinunter, die von La Paz nach Coroico in die Yungas führt. Auch wenn im Januar in Bolivien Sommer ist, bekam ich auf der höchsten Skipiste der Welt (5200 m) eine Menge Schneeflocken zu sehen. Der Besuch am Titikakasee war für mich der Höhepunkt meiner Reise.
      Nach zwei Wochen in La Paz bin ich nach Cochabamba, in die „Stadt des ewigen Frühlings“, gereist. Auch den „Cristo de la Concordia“, der sogar einige Zentimeter größer sein soll als die Christusfigur vom Zuckerhut in Rio de Janeiro, habe ich zu Fuß erklommen.
      Auf meiner zweimonatigen Reise durch Bolivien sind mir die beiden Seiten Boliviens begegnet: die arme und die reiche. Es herrscht ein Reichtum an wunderschönen Natur-Momenten, der nur mit der Lektüre eines Reiseführers kaum zu erahnen ist. In La Paz jedoch, der Stadt des Friedens, sind die täglichen Gewalttaten kaum zu zählen, und Tausende von Menschen wohnen auf der Straße. Der Anblick der frierenden Kindern, die Nacht für Nacht in La Paz auf der Straße schlafen, stimmte mich sehr traurig.

      Neues Schuljahr, neue Kinder
      Am 6. Februar läutete in Begoña wieder die Schulglocke. Viele Kinder aus dem letzten Schuljahr sind nicht zurückgekommen, deswegen war auch in der ersten Woche das Leben im Internat sehr chaotisch. Auch wenn von den über 100 angemeldeten Kindern bereits einige in der ersten Woche wegen schlechten Benehmens heimgeschickt wurden oder aufgrund von Heimweh zu ihren Eltern zurückgekehrt sind, sind mir immer noch 85 Schützlinge geblieben.
      Die Kinder sind zwischen sieben und 16 Jahre alt und kommen zum Großteil vom Land, wo sie in wirklich armen Verhältnissen gelebt haben. Viele Eltern können nicht einmal die monatlichen Internatsgebühren von 40 Bolivianos, was ungefähr 4 Euro sind, zahlen oder für ihre Kinder warme Kleidung und Schuhe ohne Löcher kaufen. Ein 16-jähriges Mädchen, dass dieses Jahr die 7. Klasse in Begoña besucht, hat die letzten zwei Jahre als Hausmädchen gearbeitet. Von 7 bis 22 Uhr musste sie kochen, putzen und Wäsche waschen und bekam dafür knapp 25 Euro im Monat. Bolivien zählt zu den ärmsten Ländern Lateinamerikas.
      Meine Arbeit hat sich seit den Ferien nicht groß geändert. Morgens helfe ich immer noch in der Vorschule mit und nachmittags arbeite ich mit den Kindern im Internat. Zweimal in der Woche gebe ich auch nachmittags Englischunterricht in der Schule. Da die Kinder zu jeder Stunde mit sehr viel Lerneifer kommen, macht mir der Unterricht großen Spaß. Jeden Nachmittag ist im Internat Studierzeit, zu der sich alle Kinder im Speisesaal einfinden und Hausaufgaben machen, sich auf Klassenarbeiten vorbeiten oder lernen.

      Feiern und Fastenzeit
      Ein Höhepunkt im Leben der Internatskinder sind die Geburtstagsfeiern, die wir einmal im Monat veranstalten. Eltern, die die Internatskosten nicht bezahlen können, haben natürlich kein Geld für die Busfahrt nach Begoña, um ihre Kinder zu besuchen, oder gar für ein Geburtstagsgeschenk. Jeweils am letzten Samstag im Monat wird der Speisesaal mit Luftballons geschmückt und es wird gefeiert und getanzt. Es gibt Chicha, eine Art Limonade, die aus Maismehl gekocht wird, und für jeden ein Geschenk, zum Beispiel Haargummis, Murmeln oder Popcorn.
      Auch in Bolivien wird im Monat Februar Fasching gefeiert – ziemlich ausgiebig und sogar noch während der Fastenzeit. Da gibt es den Folklorefasching in Oruru, in anderen Städten wird den ganzen Monat lang mit Wasserbomben auf die Leute auf der Straße geworfen. Ziemlich viel Wasser ist jedenfalls im Spiel, und so gab es auch in Begoña eine „nasse“ Faschingsfeier. Hier flogen die Wasserbomben jedoch nur an einem Sonntagnachmittag.
      Am Aschermittwoch gab es auch hier in der Dorfkirche von Begoña einen Gottesdienst. Die ganze Schule hat sich am Vormittag zur Messe versammelt und Pater Pedro, der Internatsleiter, hat jedem ein Aschekreuz auf die Stirn gezeichnet. Fastenzeit als Zeit der Umkehr und Buse – davon habe ich hier in Bolivien allerdings nichts gespürt. Fastenvorsätze sind auch für die Schwestern von Begoña ein Fremdwort gewesen.

      Viele Feiertage
      Dass die Bolivianer ein sehr feierfreudiges Volk sind, zeigen die vielen gesetzlichen Feiertage im bolivianischen Kalender. Da gibt es zum Beispiel den Día del Maestro (Tag des Lehrers), den Día del Periodista (Tag des Journalisten) oder auch den Día de la Bandera (Tag der Landesflagge). Am 12. April haben wir den Tag des bolivianischen Kindes gefeiert – ein Tag, auf den sich die Internatskinder schon seit Wochen gefreut hatten. Die Aula der Schule wurde festlich geschmückt, eine Musikanlage aufgebaut, und zur Feier des Tages zogen die Kinder ihre Sonntagskleidung an. In der offiziellen Feier haben die Lehrer Lieder und Gedichte aufgeführt und sind sogar in einem Kasperltheater aufgetreten. Statt Unterricht gab es Tanzwettbewerb und Geländespiele, und jedes Kind bekam ein Tütchen mit Süßigkeiten und Kuchen. Höhepunkte für die Schüler waren jedoch die Tombola und die Piñata. Die Piñata ist eine aus Pappmasché gefertigte Form, oft in Gestalt eines Tieres, die mit Süßigkeiten und kleinen Geschenken gefüllt ist. Diese Piñata hing von der Auladecke herunter, und am Schluss des Festes schlugen die Schüler solange mit Stöcken auf sie ein, bis der süße Inhalt zu Boden fiel.

      Ostern – etwa anders
      Von den Schwestern des französischen Ordens Ursulines de Jesus war ich über die Ostertage nach San Ignacio de Moxos eingeladen worden. Diese Kleinstadt liegt westlich von Trinidad und ist als Folklorehauptstadt des Departamento Beni bekannt. San Ignacio de Moxos wurde 1689 von Jesuiten gegründet. Zu dieser Zeit lebten 14 verschiedene indianische Ethnien dort. Nach wie vor ist es ein indianischer Ort, und 75 Prozent der Bevölkerung von San Ignacio sind indianischen Ursprungs. Das spiegelt sich auch in der Semana Santa, der Karwoche, wider. Hier gibt es beispielsweise die indianischen Mamitas, die Jesus während der ganzen Osterwoche ständig begleiten. Alle im Tipoi, dem traditionellen Kleid des Departamento Beni, und ihre Haare zu zwei langen Zöpfen geflochten, sitzen sie jeden Tag betend in der Kirche und kümmern sich auch um den Blumenschmuck.
      Der Gottesdienst am Gründonnerstag um 16 Uhr war so, wie ich ihn auch aus Deutschland kenne, jedoch wurden nur sechs der zwölf Apostel die Füße gewaschen, allen zwölf Aposteln jedoch die Füße geküsst. Zum Einbruch der Dunkelheit begann die Prozession des Jesus von Nazareth. Jugendgruppen trugen menschengroße Figuren des sein Kreuz tragenden Jesus, der Mutter Maria, Maria Magdalenas und anderer Heiliger mit. Der Umzug ging durch einige Straßen rund um die Kirche und siebenmal wurde Halt gemacht, ein Evangelientext vorgelesen und ein Gebet gesprochen. Unvorstellbar viele Menschen haben sich dazu versammelt.
      Der Karfreitag begann wie ein beliebiger Arbeitstag. Die Leute gingen ihrer Arbeit nach, und der Markt war bis zum Abend geöffnet. Deshalb haben sich auch die Leute nicht pünktlich um 15 Uhr zur Todesstunde Jesu in der Kirche versammelt. Abends wurde dann in einem Umzug durch die Stadt der Kreuzweg gebetet. Zuvor jedoch wurde Jesus vom Kreuz abgenommen und in sein Grab gelegt. Das war ein richtiges Schauspiel. Der Hügel Golgotha war aus einem Gerüst und Zweigen vor dem Hauptportal der Kirche aufgebaut und das Kreuz stand davor. Weiß gekleidete Männer nahmen zuerst das Schild INRI ab, dann wurde die Dornenkrone durch eine Goldkrone ersetzt, später wurden die einzelnen Nägel aus dem gekreuzigten Körper gezogen. Der vom Kreuz abgenommene Leichnam wurde dann – in Leinentücher gewickelt und mit Parfum einbalsamiert – in einen Glassarg gelegt, der mit Kerzen und Blumen geschmückt war.
      Von zu Hause bin ich es gewöhnt, dass die Osternacht Sonntag früh stattfindet. Hier in Bolivien konnte ich jedoch schon am Karsamstag nachmittag ¡Felices Pascuas! – Frohe Ostern! wünschen. Mit zwei Ordensschwestern war ich am Samstagnachmittag in eine kleine Siedlung außerhalb von San Ignacio de Moxos gefahren, um mit den Bewohnern die Auferstehung Jesu zu feiern. Es gab auch ein kleines Osterfeuer, Speisen und Wasser wurden gesegnet und zur Eucharistiefeier gab es Bonbons und Kekse.
      In San Ignacio selbst fand die Osternacht am Samstagabend statt. Die Gemeinde zog mit der am Osterfeuer entzündeten Osterkerze in die Kirche ein und harrte dann bis zum Gloria in der Dunkelheit aus. „Gloria in excelsis Deo“ – in diesem Moment fiel der schwarze Vorhang, der den Hochaltar verdeckte. Dahinter kam der auferstandene Christus zum Vorschein. Alle Glocken haben geläutet, die Musik spielte so laut wie möglich und vor dem geöffneten Kirchenportal tanzte der „machetero ignaciano“. Das sind Tänzer die zu Ehren Gottes tanzen, einen weitgefächerten Kopfschmuck aus Arafedern und an den Fesseln Schellen aus den Schalen der Brasilnuss tragend.
      In San Ignacio de Moxos steht Jesus jedoch nicht nur von den Toten auf, sondern trifft sich auch mit seiner Mutter. Dieses Treffen fand am Sonntagmorgen um 4 Uhr statt. Die „auferstandene“ Christusfigur und die Marienfigur zogen gemeinsam aus der Kirche aus. Die Männer folgten Jesus rechts um die Plaza herum, die Frauen folgten Maria links herum. Auf der anderen Seite der Plaza trafen sie sich dann, es ging ein Schuss los, fröhliche Musik fing an zu spielen und alle Menschen zogen mit den Figuren tanzend in die Kirche zurück.

      Bolivianische Maiandachten
      Der Monat Mai ist auch hier in Bolivien der Marienmonat und es werden täglich Maiandachten gefeiert. Jeden Abend machte ich mich mit den Schwestern und einigen Kindern auf den Weg, um im Haus eines Gemeindemitgliedes den Rosenkranz zu beten. Meist wurden wir danach noch auf eine Kleinigkeit zum Essen eingeladen. Durch diese Besuche bei den Dorfbewohnern von Begoña habe ich hautnah erfahren, wie die wirklich armen Menschen hier auf dem Land leben. Mit einem Steinhaus und einem Brunnen führe ich hier das „Bolivianische“ Luxusleben. Die meisten Menschen leben mit Kerzenlicht, ohne Tür im Haus und mit Strohdach.
      Meine Zeit hier in Bolivien vergeht wie im Flug. Ich bin dankbar für jeden Tag, den ich hier in Begoña mit den Kindern verbringen darf. Danke sage ich auch für ihre Spenden und Gebete, die mein Leben in Bolivien begleiten.