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      CariFair will Arbeitsmigration gerecht gestalten

      Fair und würdig zu Hause pflegen

      Was tun, wenn Opa zu Hause einfach nicht mehr allein klarkommt? Wer hilft, wenn Oma nach einem Schlaganfall plötzlich Dauerbetreuung braucht? Weil die meisten Menschen am liebsten so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden leben wollen, die Familie die Betreuung aber meist nicht alleine stemmen kann, werden in solchen Situationen häufig Frauen und Männer aus Mittel- und Osteuropa engagiert. Das Problem dabei: Manche dieser Arbeitsverhältnisse sind weder legal noch fair.

      Täglich erhält Eva-Maria Pscheidl mehrere Anrufe von Familien, die nach einer „Rund-um-die-Uhr-Betreuung“ für zu Hause suchen. Als Leiterin des Fachbereichs Pflege und Betreuung im Caritasverband für die Stadt und den Landkreis Würzburg e.V. ist sie für die ambulanten Dienste im Stadtgebiet Würzburg und in den angrenzenden Gemeinden zuständig. „Das Problem ist, dass wir gar nicht genug Pflegekräfte haben, um den massiv steigenden Bedarf abzudecken“, beschreibt Pscheidl den Notstand. Weil es häufig gar nicht um die große Pflege, sondern um die kleinen Dinge im Leben wie Hilfe beim Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, beim Toilettengang oder beim Kochen, Putzen und Einkaufen gehe, engagieren viele die landläufig als „Polin“ oder „24-Stunden-Kraft“ bezeichnete Betreuungskraft aus dem Osten, die am liebsten 24 Stunden am Tag zu einem möglichst günstigen Preis verfügbar sein soll.

      Fehlende Regelungen

      Zwischen 300.000 und 700.000 Menschen aus Mittel- und Osteuropa arbeiten nach Pscheidls Recherchen aktuell in Deutschland im Pflegebereich. Viele seien illegal hier, andere durch mehr oder minder dubiose Agenturen vermittelt. Die Beschäftigung erfolge – nicht immer, aber häufig – in einer rechtlichen Grauzone, umgehe Arbeitszeitgesetz und Mindestlohn, von Sozialleistungen oder Unfallversicherung ganz zu schweigen, so Pscheidl weiter. Hinzu kommt die psychische Belastung durch die Trennung von der Familie. Das Hauptproblem liege darin, dass es entgegen einer Willensbekundung im Koalitionsvertrag bislang keine rechtlichen Rahmenbedingungen für Saison-Arbeitskräfte aus dem Ausland gibt. Genau das kritisieren auch das Hilfswerk Renovabis in seinem „Münchner Appell“ sowie die Würzburger Ackermann-Gemeinde, die im Rahmen der Kampagne „Armut trifft ...“ am 13. Mai zu einer Podiumsdiskussion einlädt.

      Es geht auch anders

      Dass es bei der Arbeitsmigration auch fair und menschenwürdig für alle geht, beweist ein attraktives Alternativ-Angebot des Caritasverbands für die Stadt und den Landkreis Würzburg e.V., das Ende 2022 gestartet ist. „Mit CariFair wollen wir Pflegebedürftige und deren Familien bei der häuslichen Pflege unterstützen und zugleich faire und legale Bedingungen für ausländische Arbeitskräfte schaffen“, wirbt Eva-Maria Pscheidl. Entwickelt wurde das Konzept 2009 vom Caritasverband Paderborn. Basis ist das Arbeitgeber-Modell, bei dem die Familie die Betreuungskraft anstellt. Die Bedingungen werden in einem zweisprachigen Arbeitsvertrag festgelegt, bezahlt wird nach dem deutschen Tarifvertrag für Beschäftigte im Privathaushalt. Außerdem ist die Betreuungskraft sozial- und unfallversichert und die Beschäftigung steuerpflichtig. Unterkunft und Verpflegung werden von der Familie gestellt. „Wichtig ist, dass das kein 24-Stunden-Einsatz ist“, betont Pscheidl. Die Betreuungskraft arbeitet 38,5 Stunden in der Woche, hat Anspruch auf Pausen, einen freien Tag in der Woche und bezahlten Urlaub.

      Die Anfragen nach einer sogenannten „Live-Inn“-Kraft kommen meist per Telefon, berichtet Jolanthe Zagorski, die als Koordinatorin für das Projekt zuständig ist. Nach einer Erstinformation, bei der auch der Bedarf ermittelt wird, besucht sie die Familie zu Hause. Zu den Bedingungen für den Einzug einer Betreuungskraft gehören unter anderem ein eigenes, abschließbares Zimmer und Internetzugang. Dann ruft Zagorski bei ihren Kontakten in Rumänien, Bulgarien, Polen, Litauen oder der Slowakei an; aktuell kooperiert sie dabei noch stark mit Paderborn, durchsucht aber zugleich Inserate im Internet und hofft auf neue Kräfte, die sich direkt bei ihr melden. „Je mehr Infos ich den Frauen geben kann, desto rascher finde ich jemanden“, sagt sie. Ist man sich einig, reist die Kraft aus dem Heimatland an und es wird gemeinsam ein befristeter Arbeitsvertrag mit Arbeitszeiten und Rahmenbedingungen erstellt. Auf Wunsch übernimmt die Koordinatorin auch Behördengänge wie An­meldung bei der Kommune oder unterstützt die Familie bei ihren Arbeitgeber-Pflichten wie Betriebsnummer-Vergabe oder Anmeldung bei der Berufsgenossenschaft. Auch nach Beginn der Tätig­keit bleibt Jolanthe Zagorski, die deutsch und polnisch spricht, für beide Seiten ansprechbar, besucht die Familien regelmäßig oder unterstützt bei der Suche nach etwaigen Zusatzlösungen für nicht abgedeckte Zeiten. Bewusst gibt es eine enge Kooperation mit den Pflegediensten vor Ort, die medizinisch-pflegerische Leistungen wie Wundversorgung oder Katheterwechsel erbringen und einmal in der Woche einen wachen Blick auf die Situation vor Ort richten.

      Auch nicht teurer

      Die Kosten für ein solches Arbeitsverhältnis belaufen sich auf 2034 Euro Gehalt, plus etwa 500 Euro Sozialversicherungsbeiträge sowie 145 Euro monatliche Begleitpauschale für die Caritas. Hinzu kommen einmalige Beträge für die Koordination im ersten Monat sowie die Reisekosten. „Mit insgesamt 2700 Euro pro Monat bezahlen die Familien einen ähnlichen Preis wie bei den meisten Agenturen“, sagt Pscheidl, die sich vor Projektstart eingehend mit dem Thema beschäftigt hat. Der Unterschied zu kommerziel­len Anbietern liege aber darin, dass das Modell „transparent, rechtlich sicher, menschenwürdig und fair“ sei – und zwar für beide Seiten. So könne sich die Familie jederzeit auf Unterstützung verlassen und bei der Pflegekraft komme der Tarifbetrag von 2034 Euro tatsächlich an und nicht nur 800 Euro wie bei so manchem schwarzen Schaf in der Branche. Einziger Wermutstropfen ist, dass die Familien diese Kosten weitgehend alleine tragen müssen. Von der Pflegekasse kommt bei entsprechendem Pflegegrad allenfalls das Pflegegeld für die häusliche Pflege; bei Pflegegrad 3 sind das aktuell 545 Euro im Monat.

      43 Anfragen sind bei CariFair seit Projektstart im Dezember eingegangen. Bisher kam bei nur sechs Familien ein Vertrag zustande. Über die Gründe können Jolanthe Zagorsky und Eva-Maria Pscheidl nur spekulieren. Zugleich hoffen die beiden Pflege-Expertinnen, dass das Angebot Fahrt aufnimmt und bekannter wird. Denn: „Mit CariFair haben wir unser Pflege-Portfolio um einen wichtigen Baustein erweitert und können noch mehr Menschen die für sie passende Lösung anbieten!“

      Anja Legge

      Tipp

      Am Samstag, 13. Mai, lädt die Ackermann-Gemeinde in der Diözese Würzburg von 16 bis 18 Uhr zu einer Diskussionsveranstaltung unter dem Titel „Armut trifft ArbeitsmigrantInnen“ ins Würzburger Burkardushaus ein. Neben Eva-Maria Pscheidl von CariFair werden auch Dr. András Martón, Caritas-Direktor der Diözese Alba Julia (Rumänien), Oskar Brabanski von faire-mobilitaet Nürnberg und Manfred Ländner MdL dabei sein. Sie alle geben einen Ein- und Überblick über Aspekte der Arbeitsmigration, informieren über wegweisende Projekte und stehen zum Gespräch bereit.

      Kontakt

      Jolanthe Zagorski, Bahnhofstr. 4-6, 97072 Würzburg, Telefon 0931/38659-106 oder 0160/90365959, E-Mail carifair@caritas-wuerzburg.org, Internet www.caritas-wuerzburg.org/pflege-betreuung/carifair.