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      Rikscha-Fahrten machen Radausflüge für bewegungseingeschränkte Ältere wieder möglich

      Fahrradfahren ohne selbst in die Pedale zu treten

      „Wir sind für ein Recht auf Wind im Haar in jedem Lebensalter.“ So steht es auf der Homepage des bundesweiten Dachverbandes „Radeln ohne Alter“. Seit März dieses Jahres ist das auch in Würzburg möglich. Initiator und hauptverantwortlich ist das Generationen-Zentrum Matthias-Ehrenfried. Eine erste Rikscha ist nun angeschafft und wird rege genutzt.

      „Bin ich etwa zu spät?“ Gut gelaunt fährt Jochen Lange seine Rikscha vor den Eingang des Seniorenzentrums St. Thekla. Gekonnt bringt er das ungewöhnliche Gefährt zum Stehen. Lange sitzt auf einem Fahrrad. Doch statt eines üblichen Vorderrades befindet sich zwischen auf zwei Rädern eine Vorrichtung, auf der ein weiterer Fahrgast Platz nehmen kann. Über der schwarzen Sitzbank ist ein rotes Verdeck angebracht und unten eine Fußablage. Die lässt sich absenken, um das Ein- und Aussteigen zu erleichtern. „Ich nenne es gerne ‚die Gangway‘“, erklärt Lange jedes Mal seinen Gästen.

      Rikscha statt Rollator

      Am Seniorenzentrum wartet bereits Elisabeth Bosch. Sie ist an diesem Tag die erste Mitfahrerin. Jeden Freitag bekommen zwei Bewohner des Hauses die Möglichkeit, für je 45 Minuten mit der Rikscha gefahren zu werden. Die Piloten, wie die Fahrer offiziell genannt werden, sind Ehrenamtliche, sie fahren unentgeltlich. Die Seniorin steht mit ihrem Rollator neben der Rikscha. „Da soll ich rein?“, fragt sie zunächst leicht entsetzt. Unsicher steigt sie ein. Auch als sie sitzt, sind die Augen groß und ihr Blick wirkt unsicher. Doch nach einer kurzen Zeit ist die Sorge der Vorfreude gewichen. „Ich habe keine Angst“, bekräftigt sie. Umsichtig erklärt Jochen Lange, was er tut. Er klappt die Trittfläche wieder hoch und schnallt die Seniorin an. Das sei vor allem wichtig, wenn er mal unerwartet stark bremsen müsse. Hinten am Verdeck ist eine kleine Luke, die sich öffnen lässt. „Die Stimme von hinten bin ich“, erklärt er und dreht eine kleine Ehrenrunde auf dem Vorplatz des Seniorenzentrums. Lächelnd winkt die Seniorin den umstehenden Menschen zu, ehe das Gespann abdreht. Am Main entlang geht es in Richtung Randersacker.

      Radeln ohne Alter

      Die Idee kommt ursprünglich aus Dänemark, weiß Lange. Ein Däne wollte Radeln für Ältere anbieten und habe sich eine Rikscha gebaut. Aus dieser Idee ist eine ganze Bewegung geworden. In Deutschland bildet sich der Dachverband „Radeln ohne Alter“ mit mehreren Ortsverbänden. In Würzburg ist das Generationen-Zentrum Matthias-Ehrenfried treibende Kraft. Kooperationspartner sind die Caritas-Einrichtungen und die Malteser. Dieses Drei-Gespann ermöglicht den Senioren die Ausflüge. Schön sei es gewesen und sie würde wieder mitfahren, so Seniorin Elisabeth Bosch als die Rikscha nach etwa 45 Minuten wieder vor dem Seniorenzentrum hält. Von der anfänglichen Unsicherheit keine Spur mehr.

      Der zweite Fahrer an diesem Tag wartet bereits auf den Umstieg. Ursprünglich sei ein anderer Bewohner eingeplant gewesen. „Aber der muss zur Krankengymnastik“, erklärt Martina Mirus. Sie ist die Sozialdienstleitung im St. Thekla-Heim und koordiniert die wöchentlichen Touren. Hin und wieder komme es zu einem spontanen Umplanen. Etwa wenn Besuch da sei. Oder sich die Senioren an jenem Tag nicht wohlfühlten. Oder eben wenn ein Termin dazwischen kommt. Ein Problem sei das nicht. Es gebe schließlich genügend Interessierte. Laut Martina Mirus gibt es einen regelrechten Run auf die Ausflüge. Bei der ersten Suche nach Interessierten hätten sich gleich acht Personen gefunden. Bei zwei Fahrten jeden Freitag war der erste Monat damit bereits voll. Dabei waren nicht mal alle Bewohner und Bewohnerinnen angefragt.

      Am Main entlang

      Und so freut sich an diesem Tag Günter Wilzbach auf seinen ersten Ausflug mit der Rikscha. Das Verdeck möchte er lieber zurückklappen. Für Lange ein einfacher Handgriff. Außer dem Verdeck als Schutz vor Sonne und Regen gibt es einen Fußsack gegen die Kälte. Der wird heute allerdings nicht gebraucht. So lässt sich jedoch auch bei weniger sonnigem Wetter fahren. Nur wenn es richtig schlechtes Wetter gebe, müssten die Touren ausfallen, erläutert Mirus.

      Auch für Günter Wilzbach geht es am Main entlang. Diesmal jedoch in die andere Richtung, zur Alten Mainbrücke. „Achtung, am Bordstein ruckelt es gleich“, warnt Lange seinen Fahrgast vor. „Und hier an der Ampel stehen wir etwas schräg.“ Der braun gebrannte, athletische Architekt fährt in seiner Freizeit leidenschaftlich gerne Rad. „Dieses hier ist eher entschleunigend“, erklärt er. Sonst sei er sportlich flott unterwegs, aber er habe noch eine andere Art des Fahrradfahrens gesucht. Es sei eine Bereicherung, mit den Fahrgästen ins Gespräch zu kommen, und in der Regel steigen sie am Ende lächelnd aus der Rikscha. „Was Schöneres gibt es doch gar nicht.“ Mit seinen Fahrgästen redet er über Gott und die Welt: der Ruderclub der Tochter, die eigenen Fahrradtouren oder Würzburg und Umgebung als Wohnort.

      Für Menschen mit Handicap

      Zwischendurch werden sie von einer Passantin unterbrochen, die einen Mann im Rollstuhl den Main entlang schiebt. Sie erkundigt sich nach der Rikscha. Lange gibt ihr einen Flyer mit. „Ich hab zwar immer ein paar Flyer dabei, aber verteilt hab ich die bislang noch nicht“, erklärt er. Aufmerksamkeit erhält das Gespann einige. Immer wieder schauen Passanten der Rikscha neugierig hinterher. „Die Senioren genießen die Aufmerksamkeit“, erklärt Martina Mirus. Außerdem erweitere sich so der Bewegungsradius der Menschen, die aufgrund verschiedener Handicaps auf Rollator oder Rollstuhl angewiesen sind. Sie kommen so einfacher mal an die frische Luft oder zu geliebten Orten, beispielsweise dem eigenen Geburtshaus oder zum Friedhof.

      Ehrenamtliche „Piloten“

      An der Alten Mainbrücke angekommen fragt Lange, ob er zurück den selben oder einen anderen Weg fahren soll. Sein Fahrgast entscheidet sich für den Weg am Main entlang. Hin und wieder hält Lange auf der Strecke an. Der Senior genießt den Ausblick auf Main, Festung Marienberg und Käppele. Zurück am Seniorenzentrum fragt er seinen Fahrer: „Was bin ich Ihnen schuldig?“ Lange erwidert: „Was bin ich Ihnen schuldig?“ Wenn es den Leuten Freude mache, mache es ihm Freude. In Zusammenarbeit mit den Würzburger Maltesern werden die Fahrer ausgebildet. Ein zwei- bis dreistündiger Kurs sei notwendig, um sich mit den Eigenarten der Rikscha vertraut zu machen, so Lange. Es sei Voraussetzung, ein etwas geübter Fahrrad-Fahrer zu sein. Wen die Kondition jedoch unterwegs verlässt, der kann sich auf den E-Motor der Rikscha verlassen.

      Erneut wird Lange angesprochen. Das sei ja eine tolle Sache und wo man das buchen könne. Während sich ein kurzes Gespräch mit der Besucherin des Seniorenzentrums entwickelt, kommt ein weiterer Besucher mit dem Fahrrad an, geht um die Rikscha, betrachtet sie neugierig und verschwindet ins Theklaheim.

      Rikscha für Rollstuhlfahrer?

      Martina Mirus hofft, dass das Projekt ausgebaut werden kann. Mehr Rikschas und mehr Piloten wünscht sie sich. Vor allem aber eine Rikscha, in die ein Rollstuhl hineingefahren werden kann. Menschen, die nicht mehr genügend Standfestigkeit für ein Umsetzen haben, können bislang nicht in den Genuss der wöchentlichen Ausflüge kommen. Dabei sei das gerade für diese Menschen so wichtig.

      Nachdem auch Günter Wilzbach ausgestiegen ist und zurück ins Haus geht, macht sich auch Jochen Lange auf den Weg. Er wird die Rikscha wie gewohnt am Generationen-Zentrum Matthias-Ehrenfried abstellen. Dort bleibt das Gefährt bis zum nächsten Ausflug. Senioren, die den Fahrtwind im Haar spüren wollen, gibt es genügend.

      Alexandra Thätner