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      Diözesanreferent Alexander Sitter über die Amazonas-Synode im Vatikan

      Eine Region sucht eigene Antworten

      Kein Fluss ist so wasserreich und von so viel tropischem Regenwald umgeben wie der Amazonas. Ein Naturgigant. Vom 6. bis 27. Oktober treffen sich Kirchenvertreter und Indigene aus der Amazonasregion im Vatikan. Hintergründe erläutert Alexander Sitter von der Diözesanstelle Mission, Entwicklung, Frieden.

      Herr Sitter, der Amazonas liegt nicht gerade vor unserer Haustür. Warum ist die Amazonas-Synode trotzdem wichtig?

      Bei der Amazonas-Synode wird es um die Suche nach heutigen pastoralen Diensten gehen, um die Bewahrung der Schöpfung und den Umgang mit Minderheiten. Diese drei Punkte sind unabhängig vom Amazonasgebiet und haben beispielhaft Bedeutung für uns.

      Die Zerstörung des Regenwalds am Amazonas wird seit Jahrzehnten beklagt, ohne nachhaltigen Erfolg. Was kann da eine Synode bewirken?

      Die Synode kann diese Zerstörung lediglich in den Fokus nehmen und diesen Fokus dann zum Brennglas werden lassen. Das heißt: dem Thema weltweite Aufmerksamkeit verschaffen. Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro vertritt agrar­industrielle Interessen und wendet sich vehement dagegen, dass sich die Kirche in die Politik einmischt. Der Regenwald wird schon seit Langem gerodet, aber unter Bolsonaros Führung fällt jetzt die letzte Hemmschwelle. Vielleicht ist es ein Wirken des Heiligen Geistes, dass dem agrarindustriell-fundamentalistischen Präsidenten ein ökologisch-pastoraler Papst gegenübersteht. Dieser Kontrast fasziniert mich, und vielleicht führt dieser Kontrast dazu, dass die Synode weltweit Widerhall findet.

      Wie konnte Bolsonaro überhaupt so weit kommen im katholisch geprägten Brasilien? War die Kirche beim Thema Umweltschutz zu leise?

      Nein, bestimmt nicht. Die Bewahrung der Schöpfung war schon immer Thema für die Kirche. Als Beispiel dafür lassen sich die Sternschwestern in Juruti Velho im brasilianischen Bistum Óbidos nennen. Sie hatten die negativen Folgen des Bauxitabbaus für die Schöpfung und die indigene Bevölkerung immer auf dem Schirm und sind laut dagegen aufgetreten. Dasselbe gilt für den kirchlichen Indigenenrat Cimi in Brasilien.

      Klammheimlich und hinterhältig hat dagegen die Agrarindustrie agiert und Lobbyarbeit betrieben. Oder die Holzindustrie, deren Kritiker mit Morddrohungen rechnen müssen.

      Wie also lässt sich Brasiliens radikaler Rechtsruck erklären?

      Eine Erklärung ist, dass nicht Jair Bolsonaro als Persönlichkeit gewählt wurde, sondern das Sicherheits- und Ordnungsdenken, für das er steht. Die Kriminalität in den brasilianischen Armenvierteln hinterlässt Unsicherheit, und Bolsonaro versprach ein hartes Durchgreifen. Viele Menschen haben dieses Versprechen gewählt. Hinzu kam, dass fundamentale evangelikale Christen Bolsonaro unterstützt haben. Fundamentalistische Kreise stehen hinter einem zutiefst fundamentalistischen Präsidenten.

      Welches politische Signal kann die Amazonas-Synode zugunsten der Indigenen in der Region aussenden?

      Die indigene Kultur lebt aus der Überzeugung, dass gutes Leben nur mit der Natur funktioniert. Schützt und bewahrt man die Umwelt, schützt man gleichzeitig die indigene Bevölkerung. Dieser Zusammenhang ist das politische Signal der Synode. Sie will Indigenen eine Stimme geben, dass sie ihre Lebensweise fortführen können, und dafür brauchen sie dieses Territorium, das Regenwaldgebiet.

      Wenn Menschen entwurzelt werden, verwahrlosen sie. Das zeigt das Beispiel Südamerika. Die Armenviertel etwa in São Paulo sind voll mit entwurzelten Menschen, die früher von Ackerbau, Viehzucht und Fischfang gelebt haben. Sie haben erlebt, dass ihre Erfahrungen und Fertigkeiten plötzlich nichts mehr wert waren.

      Steckt die Kirche nicht unweigerlich in einer Argumentationsfalle – weil ihr immer vorgeworfen werden kann, dass sie sich gegen den Fortschritt stelle?

      Dieser Vorwurf kann erhoben werden, aber dahinter steht der Fortschrittsbegriff einer städtisch-industriellen Kultur. Ist es Fortschritt, wenn in São Paulo 21 Millionen Menschen stundenlang im Stau stehen, von Fertiggerichten leben und nicht wissen, wohin mit ihrem Verpackungsmüll? Die Kirche tritt für das Recht der Indigenen ein, so zu leben, wie sie selbst gutes Leben verstehen.

      Man sieht ja außerdem, wie die Gewinner des sogenannten Fortschritts leben: mit Penthouse, Pool und Pflanzen im Blumentopf, will heißen mit einer gekünstelten, aber inneren Sehnsucht nach Natur. Indigene wollen nicht mit Blumentöpfen leben, sondern ganz mit der Natur.

      Neben dem Schutz der Indigenen und ihres Lebensraums wird die pastorale Situation im Amazonas­gebiet der dritte Schwerpunkt der Synode sein. Erwarten Sie Beschlüsse, die auch auf die pastorale Situation in unserer Region anwendbar sind?

      Dieses Zusammentreffen finde ich besonders spannend. Amazonasbewohner setzen sich zusammen und versuchen, für ihre pastorale Situation Antworten zu finden, und wir haben Hoffnung, dass wir davon etwas in unserer Kirche anwenden können.

      Ich möchte nicht vorgreifen. Aber wir sollten nicht vergessen: Wenn wir von einer Distanz von 100 Kilometern sprechen, sind es im Amazonasgebiet 1000 Kilometer. Denken wir an ein befestigtes Kirchlein auf dem Dorf, haben wir es dort mit einem Gottesdienstort unter einem Baum zu tun. Findet bei uns alle 14 Tage ein Gottesdienst mit Priester statt, geschieht dies dort zum Teil einmal im Jahr. Daher frage ich: Sollten wir den Beteiligten dort nicht die Möglichkeit geben, Antworten auf ihre Situation zu finden und dabei den Geist Gottes wirken lassen? Aus meiner Sicht versuchen wir oft, den Geist Gottes schon im Vorhinein zu zensieren, weil wir eigensinnig auf Lösungen hoffen, die wir uns wünschen.

      Verstanden. Aber offensichtlich gibt es in kirchlichen Reformgruppen große Hoffnungen hinsichtlich der Synode. Von einer möglichen Weihe verheirateter Priester ist die Rede und von einer veränderten Rolle der Frau. Für wie realistisch halten Sie diese Hoffnungen?

      In Brasilien habe ich erlebt, dass Frauen eine tragende Rolle in der dortigen Kirche haben. Sie halten Gemeinden zusammen, oft ohne Titel oder offizielle Funktion. Die Frage ist, ob eine Person, die die Gemeinde zusammenhält, Priesterin sein muss. Im europäischen Kontext wird Leitung gerne im Sinne von Voranschreiten und Vorgeben verstanden. Dabei brauchen Gemeinden ein emotionelles Zusammenhalten. Für diese Leistung verdienen die Frauen außerordentliche Wertschätzung. Vielleicht entwickelt sich ein eigener Dienst daraus. Es wäre ein „Schlag ins Gesicht“, formulierte wohl der langjährige Amazonas-Bischof Erwin Kräutler, würde man den engagierten Frauen keine gemeindetragende Funktion geben, sondern sie einfach durch verheiratete Priester ersetzen. Die Rolle der Frau in den Blick zu nehmen, ist die besondere Herausforderung dieser Synode.

      Aus Ihrer Sicht sollten Europäer die Synode also nicht mit eigenen Wünschen befrachten ...

      Ja, jede Region muss ihre eigenen Antworten finden, die nicht automatisch auf die Universalkirche auszudehnen sind. Trotzdem bleiben wir weiterhin eine Kirche in Vielfalt. Würden wir diese Vielfalt verständnisvoll und wohlwollend akzeptieren, hätten wir eine besondere Sensibilitätsstufe erreicht.

      Von 2006 bis 2018 haben Sie in Ecuador gelebt, einem Land, das teilweise zu Amazonien gehört. Haben Sie einen Tipp für Europäer mitgebracht?

      Den Respekt vor der indigenen Lebensweise finde ich sehr wichtig. Indigene betrachten den Regenwald nicht als Ressource für Stromerzeugung oder Rohstoffgewinnung, sondern als etwas eigenständig Wertvolles. Sie nehmen sich von der Natur, was sie brauchen, und zwar so, dass sich die Natur regenerieren kann. Wir mit unserer städtisch-industriellen Kultur reißen dagegen ökologische Wunden, die nicht heilen können.

       Interview: Ulrich Bausewein

      Die Synode im Bistum

      Das Martinushaus Aschaffenburg veranstaltet am 5. Oktober von 14 bis 20.30 Uhr einen Amazonas-Erlebnis­tag. Mit Vorträgen, Workshops, Vorführungen, Kulinarischem und einem Konzert des Chors „Vozes do Brasil“. Abgesehen vom Konzert (8 Euro, er­mäßigt 6 Euro) ist der Eintritt frei.

      Der deutsch-brasilianische Befreiungstheologe Paulo Suess berichtet am 5. November um 19.30 Uhr im Martinushaus Aschaffenburg von der Synode. Teilnahmegebühr: 4 Euro.

      In der Seminarkirche St. Michael in Würzburg spricht am 6. November um 19.30 Uhr der emeritierte Bischof Erwin Kräutler über „Wege einer öko­logischen Umkehr“. Eintritt frei.

      Unter demselben Titel findet vom 6. bis 8. November im Burkardushaus Würzburg eine nachsynodale Fach­tagung statt, unter anderen mit Erwin Kräutler, Paulo Suess und Bischof Bernardo Johannes Bahlmann. Teilnahmegebühr: 100 Euro, ermäßigt 55 Euro.

      Mehr zu den Veranstaltungen in Aschaffenburg: Telefon 06021/392-100, E-Mail „info@martinushaus.de“; Würzburg: Telefon 0931/386-65120, E-Mail „mef@bistum-wuerzburg.de“.