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      Woche für das Leben: Kirchen rücken Umgang mit Suizid in den Fokus

      „Eine Art Basisprävention“

      Kaum jemand spricht gern über den Tod, über Suizid schon gar nicht. Dabei kann das Ansprechen von Gefährdeten Suizidfälle verhindern. Die Kirchen wollen in ihrer „Woche für das Leben“ zur Enttabuisierung beitragen.

      10000 Menschen nehmen sich in Deutschland jedes Jahr das Leben. Seit Jahren ist diese Zahl konstant. Das Thema beschäftigt noch weitaus mehr Menschen: Angehörige, Freunde und Kollegen der Betroffenen, bisweilen Unbeteiligte wie Lokführer oder Feuerwehrleute. Letztlich könne jeder einmal mit diesem Tabu konfrontiert werden, meint der Bamberger Weihbischof Herwig Gössl. So widmen sich die Kirchen in ihrer „Woche für das Leben“ der Suizidprävention: einem „dringenden Thema“, wie Gössl betont. Vom 4. bis 11. Mai soll die Aktion die Beratungsangebote für suizidgefährdete Menschen bekannter machen und die Öffentlichkeit für das Thema sensibilisieren. Eröffnet wird die „Woche für das Leben“ mit einem Gottesdienst in der Marktkirche in Hannover.

      Breite Palette an Angeboten

      Nach dem Gottesdienst stellen sich auf dem Marktplatz einzelne Träger und Projekte vor, von der Polizei über die Telefonseelsorge und die Deutsche Bahn bis zur Online-Beratung der Caritas [U25]. Unter „www.u25-deutschland.de“ können sich Jugendliche mit Suizidgedanken mit verschlüsselten Mails anonym helfen lassen. Die Beraterinnen und Berater gehören ebenfalls zur Altersgruppe U25. Seit 1994 veranstalten katholische und evangelische Kirche gemeinsam die „Woche für das Leben“. In diesem Jahr soll es darum gehen, Wege für eine bessere Versorgung suizidgefährdeter Menschen zu eröffnen, erklären der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm. „Als Christen wollen wir unseren Mitmenschen beistehen in ihrem Nachdenken über das, was sie hält und trägt, und über das, was brüchig und dunkel ist.“ Die Aktion solle dazu beitragen, das Thema in der Öffentlichkeit zu enttabuisieren. Dass niemand gern darüber spreche oder davon höre, sei insofern ein gutes Zeichen, „als es deutlich macht: Wir wollen uns in unserer Gesellschaft nicht an den Suizid gewöhnen“, erklärt Gössl. „Zum anderen aber verhindert diese Scheu eventuell die Wahrnehmung von Signalen, von versteckten Hilferufen, welche die Gefährdeten senden.“

      Kirchlicher Umgang mit Suizidenten

      Suizid ist nicht mehr strafbar; auch die Kirche verurteilt keine Menschen mehr, die sich das Leben genommen haben. In den aktuellen Kodex des katholischen Kirchenrechts (CIC) ist die Verweigerung einer kirchlichen Beisetzung von Suizidenten nicht mehr aufgenommen worden. Es lasse sich nicht nachweisen, „ob jemand in der Selbst­tötung wirklich ein letztes Nein zu sich selbst und zu Gott gesprochen hat“, heißt es dazu im Erwachsenen-Katechismus von 1995. Die Kirche verurteile zwar die Tat selbst als Sünde – nicht aber den Menschen, der sie be­gehe. Nach Einschätzung der Fachautorin Chris Paul handelt es sich gleichwohl um die am stärksten tabuisierte Todesursache. Ungeklärtes und Vorurteile verbinden sich mit jedem einzelnen Suizid, schreibt sie in ihrem Buch „Warum hast du uns das angetan?“. Selbsttötungen seien „von einer Atmosphäre der Unwirklichkeit umgeben, sie bleiben rätselhaft“.

      Alle sollen sich angesprochen fühlen

      Die geplanten Aktionen der „Woche für das Leben“ sollen für mehr Aufklärung sorgen: In verschiedenen Städten sind Ausstellungen und Podiumsdiskussionen, Filmabende und Vorträge, Theateraufführungen und Beratungsangebote geplant. Die Angebote richten sich an alle Menschen, ob gläubig oder nicht. Wirken sollen sie auf zwei Ebenen: „Bei der Suizidprävention geht es zunächst um das Verhüten des Todes durch Suizid im akuten Fall, wozu natürlich Klärung, Diagnostik, Fürsorge und gegebenenfalls Therapie gehören“, erklärt die Vorsitzende des Nationalen Suizidpräventionsprogramms (NaSPro), Barbara Schneider. Auch Aufklärung und Enttabuisierung trügen indes zur Prävention bei. Weihbischof Gössl formuliert es so: Ein wertschätzendes Interesse an anderen und ein intensiveres Miteinander könnten „eine Art Basisprävention“ sein.    
      Paula Konersmann (KNA)

      Daten und Fakten

      Wie viele Suizide gibt es?

      Nach den aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes beendeten 2016 9838 Menschen in Deutschland ihr Leben. Weltweit liegt die Zahl bei 800000 Menschen jährlich.

      Welche Entwicklung ist erkennbar?

      Die Zahl der Selbsttötungen in Deutschland ist in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gesunken. 1982 waren es noch 18711 und 2002 rund 11160 Fälle; allerdings wird von einer Dunkelziffer ausgegangen.

      Wer ist am stärksten betroffen?

      Der Anteil der Männer bei Suiziden in Deutschland war 2016 mit 75 Prozent dreimal so hoch wie der Anteil der Frauen. Ungefähr jede dritte Person unternimmt nach dem ersten einen weiteren Suizidversuch. Jede zehnte Person stirbt später durch Suizid.

      Wie geht die Gesellschaft mit dem Thema um?

      Suizid wurde in Gesellschaften und Epochen sehr unterschiedlich bewertet, was sich auch in der Sprache niederschlug. Im Alltag wird noch häufig der Begriff „Selbstmord“ verwendet. Darin spiegelt sich das moralische Urteil, das Selbsttötungen lange als „Mord“ wertete. Der Begriff Suizid gilt als sprachlich neutral, ebenso der Begriff Selbsttötung.

      Welche besonderen Risiken gibt es?

      Das Suizidrisiko ist erhöht bei Männern, Menschen im höheren Lebens­alter, Menschen mit gleichgeschlechtlicher sexueller Orientierung und jungen Frauen mit Migrationshintergrund. Traumatisch erlebte Ereignisse wie der Verlust wichtiger Bezugspersonen, schwere Erkrankungen, Veränderungen von Lebensumständen wie der Verlust des Arbeitsplatzes und bereits die Angst vor solchen Ereignissen können bei verletzbaren Menschen Suizidgedanken auslösen. Wichtige Motive sind auch das Gefühl der Wertlosigkeit, Einsamkeit und der drohende Verlust der Autonomie. Der Anteil psychiatrischer Erkrankungen, etwa Depressionen, an Suiziden ist methodisch nur schwer zu erheben. Die Angaben dazu schwanken je nach Studie.

      Gibt es Auswirkungen auf andere Menschen?

      Von jedem Suizid sind nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation durchschnittlich deutlich mehr als sechs Personen betroffen, die nicht selten selbst in große seelische Not geraten. Nicht allein Angehörige, auch Freunde, Kollegen, Mitschüler, Feuerwehrleute oder Lokführer können in einem Maße betroffen sein, dass sie selbst Unterstützung benötigen.

      Kann man Suizidgefahr erkennen?

      In der Regel senden Suizidgefährdete Signale aus und wünschen sich, dass jemand darauf reagiert. Alarmzeichen können sein: sozialer Rückzug, Gleichgültigkeit, traurige Stimmung, Hoffnungslosigkeit, Stimmungsschwankungen, Nutzung von Suizidforen, Verwahrlosungstendenzen, selbstverletzendes Verhalten, Alkohol-, Drogen- oder Medikamentenmissbrauch, aggressives abwehrendes Verhalten oder Äußerungen über Tod und Sterben.

      Was kann vorbeugen?

      Eines der wirksamsten Mittel ist nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention – soweit möglich – die Einschränkung der Verfügbarkeit von Suizidmethoden (Waffen, Medikamente, Chemikalien, Absicherung von Bauwerken). Weitere Mittel der Suizidprävention sind unter anderem die Verfügbarkeit niedrigschwelliger Behandlungsangebote, die Fortbildung in medizinischen und psychosozialen Berufen sowie die Förderung der Früherkennung. Relevant ist nicht zuletzt ein gesellschaftliches Klima, in welchem die Suizidproblematik wahr- und ernst genommen wird.     
      Christoph Arens (KNA)

      Weitere Informationen, auch zu Hilfsangeboten, finden sich im Internet unter „www.suizidprophy­laxe.de“.
      Die Telefonseelsorge ist kostenfrei erreichbar unter den Nummern 0800/1110111 oder 0800/1110222.
      Die Telefonseel­sorge ist die flächendeckende Basis aller Krisenhilfeangebote.
      Die Nummer gegen Kummer (für Kinder und Jugendliche) ist erreichbar unter 0800/1110333.