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      Ein „versteckter“ Christ

      Im Gespräch stellt Nikodemus Fragen, die aus nachösterlicher Perspektive töricht erscheinen. Dennoch begegnet er uns im Evangelium noch zweimal als Sympathisant Jesu.

      Evangelium

      In jener Zeit sprach Jesus zu Nikodemus: Wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit jeder, der an ihn glaubt, in ihm das ewige Leben hat. Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird. Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er an den Namen des einzigen Sohnes Gottes nicht geglaubt hat. Denn mit dem Gericht verhält es sich so: Das Licht kam in die Welt, und die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht; denn ihre Taten waren böse. Jeder, der Böses tut, hasst das Licht und kommt nicht zum Licht, damit seine Taten nicht aufgedeckt werden. Wer aber die Wahrheit tut, kommt zum Licht, damit offenbar wird, dass seine Taten in Gott vollbracht sind.   Johannes 3,14–21   Im aktuellen Evangelium begegnet uns aufs Dichteste geronnene johanneische Theologie. Die acht Verse bilden den Abschluss des sogenannten Nikodemusgesprächs. Erstaunlich ist, dass der Gesprächspartner Jesu seltsam stumm bleibt. Er scheint mehr Impulsgeber zu sein als echter Dialogpartner. Er ist es, der dem johanneischen Jesus die Möglichkeit gibt, Grundsätzliches ü̈ber sein Wesen und Wirken und das Wirken Gottes in der Welt zu erörtern.
      Aber versteht Nikodemus, der Pharisäer und führende Mann unter den Juden (Joh 3,1), das Gesagte? Wir wissen es letztendlich nicht. 
      Im Gespräch stellt er Fragen, die aus nachösterlicher Perspektive töricht erscheinen (vergleiche Joh 3,3f.). Dennoch begegnet er uns im Evangelium noch zweimal als Sympathisant Jesu (Joh 7,50–52; 19,39).   Die Figur Nikodemus fasziniert mich. Er kommt in der Nacht (!) zu Jesus, der in der auf den Gegensatz von Licht und Finsternis abhebenden Theologie des Johannesevangeliums das Licht der Welt ist. Nikodemus kommt also vom Dunkel ins Licht. Er holt damit ein, ja nimmt sogar vorweg, was Jesus in der folgenden Rede ü̈ber Gericht und Rettung sagen wird: Wer aber die Wahrheit tut, kommt zum Licht  (Joh 3,21).   Und dennoch verbleibt Nikodemus im Spiel von Licht und Finsternis im „Graubereich“. Er ist nicht ganz eindeutig zuordenbar. Zumindest nennt ihn das Johannesevangelium nirgends „Schü̈ler“ oder „Jünger“. Diesen Umstand fängt die neutestamentliche Forschung mit der Bezeichnung „Kryptochrist“ ein. 
      Nikodemus ist ein „versteckter“ Christ.   Was sagt mir seine Figur in der Übertragung auf heute?   1.) Agere sequitur esse – das Handeln folgt als Konsequenz aus dem Sein. Anders formuliert: Zeig‘ mir, was Du tust, und ich sage Dir, wes Geistes Kind Du bist. Ich kenne viele Menschen, die sich – aus welchen Grü̈nden auch immer – nicht als praktizierende (!) Christen bezeichnen wü̈rden und dennoch – aus meiner Perspektive – zutiefst christlich handeln. Ich bin davon ü̈berzeugt, dass diese „Kryptochristen“ zahlreicher sind, als wir gemeinhin glauben.   Die Frage, die wir „praktizierenden“ Christen uns jedoch stellen dü̈rfen: Lassen wir sie dazugehören? Im Johannesevangelium ist die Antwort ziemlich eindeutig: Während die meisten Mitglieder des engsten Schü̈lerkreises um Jesus angesichts der Katastrophe von Verurteilung und Kreuzigung seltsam abwesend zu sein scheinen, ist es Nikodemus, der den Leichnam Jesu mit ü̈berbordenden Mengen von Salböl salbt (Joh 19,39).   2.) Vielleicht kann es in diesem Zusammenhang auch eine unserer Aufgaben sein, Uneindeutigkeit auszuhalten und als Chance wahrzunehmen – sowohl bei uns als auch bei anderen. Auch wenn wir uns ein einfaches Leben in Kate­gorien wie Licht und Finsternis, Schwarz und Weiß wü̈nschen: Zwischen Schwarz und Weiß liegen 256 Graustufen. Einen Grauton bildet hier Nikodemus ab.
      3.) Es sind die Handlungen Jesu, die Zeichen (griechisch „semeia“), die Nikodemus ü̈berzeugen. Ob er Jesu Rede versteht, das lässt das Evangelium offen. Vielleicht lehrt uns die Szene daher: Docere sequitur agere – das Lehren folgt dem Handeln.
      Dr. Agnes Rosenhauer („a.rosenhauer@schmerlenbach.de“) ist Exegetin und Bildungsreferentin in der Katholischen Erwachsenenbildung des Forum Schmerlenbach e.V.