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      Bundeswehrsoldaten haben einen Frankenstammtisch im Camp in Mali

      Ein Stück Heimat in der Wüste

      Wie jeden Sonntag sitzen fränkische Kameraden im Freien vor der Castor-Bar. Das muss sein, dieses bisschen Gefühl von Heimat. Das schweißt zusammen. Kameradschaft ist bei der Bundeswehr ein großes Thema, und es wird dort am Wüsten-Stammtisch auch im ganz Kleinen zelebriert.

      Michl R. hat gerade eine Nachtschicht hinter sich. Jetzt blinzelt der Ansbacher in die sengende Sonne. Sein Haar ist noch feucht. „Zwei Minuten Duschen, mehr ist nicht drin. Wenn jemand von uns zuviel von dem Nass verbraucht, wird das Wasser abgestellt.“ So sieht harter Alltag aus. Die Regeln bei der Bundeswehr sind streng. Die Bedingungen zu akzeptieren, die das Leben im Wüstensand mit sich bringen, das gilt auch für den Mittelfranken. Der „Frankenstammtisch“ hilft ihm dabei. Wie jeden Sonntag sitzt der Oberleutnant mit fränkischen Kameraden im Freien vor der Castor-Bar. Das muss sein, dieses bisschen Gefühl von Heimat. Das schweißt zusammen. Kameradschaft ist bei der Bundeswehr ein großes Thema, und es wird dort am Wüsten-Stammtisch auch im ganz Kleinen zelebriert. Mit heimischen Würstchen, Salami und „Opa´s Weißem“. Die Feldpost hat die Schmankerl gebracht. Geschickt von den Lieben zu Hause. Dazu Baguette aus der Kantine als Hommage an das französische Protektorat, zu dem Mali einst zählte.

      Wie eine Trutzburg mit drei Kilometern Mauer und Stacheldraht ragt das deutsche Camp Castor aus dem roten Sand. Einen Steinwurf entfernt liegt die einst blühende Stadt Gao, die heute nur noch mit Patrouillen in geschützten Fahrzeugen angefahren wird. Temperaturen um die 40 bis 48 Grad gehören zum Alltag. Soldatenleben im Extremen.

      Der Job ist eine Herausforderung

      Kamerad Markus R. erinnert sich an frühere Einsätze. In ganz Europa sei der Streudorfer mit der Bundeswehr unterwegs gewesen. Einige auf NATO-Ebene. Der Hauptfeldwebel absolviert in Mali seinen Dienst in der Zahlstelle von Camp Castor. „Ich versorge die Kameraden mit Bargeld und leiste Zahlungen, die das Kontingent betreffen“, sagt der begeisterte Cabrio- und Motorradfahrer. Was mag er an seinen Job? „Es ist jedes Mal eine neue Herausforderung, das gefällt mir. Ich kenne viele Kameraden aus früheren Einsätzen. Die Welt der Bundeswehr ist klein!“ Zugute kommt ihm, dass er ungebunden ist. Seine Großfamilie lebt in Gunzenhausen. Ungebunden ist Stefan J. nicht mehr. Er freut sich schon auf seine Freundin. Sie war damals am Militärflughafen Köln-Bonn, als der Fürther in die Wüste flog.

      Das schätzt er an ihr und vieles mehr. Und dieses Jahr wird endlich geheiratet. Ganz sicher. Da wird ihm kein Einsatz mehr in die Quere kommen. Denn der Berufssoldat träumt vom Familienleben mit ein bis zwei Kindern. Doch jetzt heißt es noch, sich in Geduld zu üben. Der Fürther koordiniert fünf Rettungsteams. Für den Fall der Fälle. Anfang 2018 gab es einige Angriffe auf Konvois und auch immer mal wieder Angriffe mit Mörserfeuer. Eine von drei abgefeuerten Raketen schlug in der Nähe des Super Camps in Gao ein. Es gab weder Verletzte noch Tote. Auch in das UN-Camp bei Timbuktu haben insgesamt neun Selbstmordattentäter versucht, einzudringen. Sie wurden erfolgreich abgewehrt. Bei einem Anschlag mit Verletzten gilt die 10-1-2-Regel.

      Das heißt, dass in zehn Minuten die Erste Hilfe durch Kameraden vor Ort erfolgen muss. Innerhalb der ersten Stunde muss die Behandlung durch einen Arzt geschehen, der mit dem MedVac-Hubschrauber, der im Camp zum Einsatz bereit steht, eingeflogen wird. Flankiert wird er von ein bis zwei Kampfhubschraubern, um die Evakuierung zu sichern. Innerhalb von zwei Stunden muss die chirurgische Versorgung in einem Militärkrankenhaus, wie beispielsweise im nahe gelegenen UN-Super Camp stattfinden. Das ist das Szenario im Ernstfall, der aber jederzeit passieren kann. „Alle Sanitätseinsätze der Deutschen laufen über mich. Das gilt es zu koordinieren mit all dem nötigen Papierkram“, betont der frühere Erlanger Waldorfschüler.

      Auch Helfer auf vier Pfoten

      Bis jetzt verliefen die Einsätze glimpflich. „Wir hatten drei Verletzte, die aufgrund der großen Hitze kollabierten. Einmal kam einer unserer Diensthunde in die Rettungsstelle, auch ihm hatte das Wüstenklima zugesetzt. Die Veterinärin und das Notfallteam haben ihn runtergekühlt. Er konnte nach einer Stunde die Rettungsstelle auf allen vier Pfoten wieder verlassen.“

      Im Camp gibt es mehrere Schutz- und Sprengstoffhunde, für die die hohen Temperaturen eine Herausforderung sind. In unmittelbarer Nähe des deutschen Lagers liegt das so genannte Super Camp der Vereinten Nationen, in dem sich das Militärkrankenhaus befindet und Truppen aus dem Senegal, China und Bangladesch stationiert sind. Ziel aller ist es, den Konfliktherd zu befrieden. Kein leichtes Unterfangen, denn Nordmali alleine hat eine Fläche doppelt so groß wie Deutschland.

      Der MINUSMA-Einsatz in Mali gilt als die derzeit gefährlichste UN-Mission weltweit. Aber: „Mali ist nicht Afghanistan“, betont Kontingentführer Aslak Heisner. „Jeder Einsatz ist anders, die Konflikte sind vielschichtig: Die Ursachen unterscheiden sich und natürlich auch die Herausforderungen vor Ort. Und so ist Mali eben nicht Afghanistan. Aber mit Blick auf meine Erfahrungen stelle ich auch fest, dass das Engagement der Bundeswehr in allen Einsatzgebieten den Menschen immer Perspektiven und Hoffnungen gegeben hat.

      Dazu haben wir mit unseren Verbündeten und Partnern unseren Beitrag geleistet. Das ist eine Gemeinsamkeit, und die gilt auch für Mali und MINUSMA.“ Insgesamt 12000 Soldaten beteiligen sich an dieser UN-Friedensmission. Das Ziel dabei ist, die Stabilisierung des malischen Staats zu unterstützen und einem drohenden Bürgerkrieg entgegenzuwirken. Die rund eintausend deutschen Soldatinnen und Soldaten haben dabei die Aufgabe, MINUSMA Aufklärungsergebnisse zur Verfügung zu stellen. Dazu fahren sie auch in die umliegenden Dörfer, um mit den Dorfältesten und lokalen Autoritäten zu reden. Darüber hinaus sammelt die Aufklärungs-Task Force Informationen zur Nahrungsmittelsicherheit oder Nahrungskrise ebenso wie jene über die Infrastruktur der Dörfer, bewaffnete Gruppen, Terror­milizen und die allgemeine Sicherheitslage. Auch diese Informationen gehen an ­MINUSMA.

      Michl R. kennt gefährliche Einsätze. In Afghanistan hat er vergangenes Jahr gedient,  in Masar-i Sharif. Sieben Wochen lang. Angst kennt er dabei keine. „Man weiß halt nie, was passiert. Manchmal bin ich aber auch in der glücklichen Lage, das Camp gar nicht verlassen zu müssen.“ Der Ansbacher ist oft für die Bundeswehr unterwegs. „Hier ist mein siebenwöchiger Dienst ein recht überschaubarer Einsatz“, betont der in der Luftwaffenkaserne in Köln-Wahn Stationierte.

      Heimatgefühle in der Wüste

      Michl R. und seine Kameraden prosten sich zu. Es gibt Weißbier. Alkoholfrei, versteht sich. Im Camp herrscht Zero Promille. Für den gesamten Einsatz. „Ein ordentliches Bier vermisse ich schon“, schmunzelt er. „Und richtige Teller mit stabilem Besteck.“ Denn im Lager gibt es aufgrund der Wasserknappheit nur Plastikgeschirr, das nicht gespült werden muss. Der Ansbacher erinnert sich an frühere Einsätze, etwa in den USA, Israel, Polen.

      „Da ging es um Rüstung und Logistik“, erklärt er. Hier im Camp Castor gefällt ihm seine Arbeit als Sensorbediener der Drohne Heron. Verantwortlich ist er dabei für Kameraführung und Flugtechnik. „Uns steht in Mali Spitzentechnik zur Verfügung, und wir müssen den Vergleich mit anderen Staaten nicht scheuen. Zum Beispiel kann die Heron-Drohne in ganz Nordmali zur Überwachung eingesetzt werden. Oder die kleinere Augklärungsdrohne LUNA, die regional auch bei den kürzlich erfolgten Wahlen für Aufklärungsergebnisse im Raum Gao sorgte“, ­ergänzt Kontingentführer Heisner.

      Ein Prost und dann zurück an die Arbeit

      Jetzt ist der Bad Kissinger Michael R. wieder in der Saaleck-Kaserne in Hammelburg anzutreffen. Der Präsident des EC Bad Kissinger Wölfe dient zurzeit auch in Nordmali. Und für zuhause hat der Eishockeytrainer auch schon Pläne. „Ich will den nordbayerischen Nachwuchs voranbringen. Und meinen Ruhestand werde ich wohl auf dem Eis verbringen. Das war und ist meine Berufung. Wahrscheinlich wird man mich auch da beerdigen“, schmunzelt der 48-Jährige. Doch wie hält sich der Eishockeytrainer in der Wüste fit? „Sobald es die Temperaturen zulassen, also sehr früh am Morgen oder nach Sonnenuntergang trainiere ich im Sportcenter“, sagt der vierfache Familienvater.

      Die fränkischen Wimpel über dem Stammtisch flattern im Wüstenwind. Noch ein Prost auf die Heimat und dann geht es für drei Kameraden, auch wenn es Sonntag ist, zurück an den Arbeitsplatz. Und für den Oberleutnant selbst erst einmal ins Bett. Zuvor ruft er aber noch seine Verlobte zuhause an. „Begeistert ist sie nie, wenn ich auf Auslandseinsatz bin. Aber das ist mein Job. Sie hat es von Anfang an gewusst und akzeptiert.“ Er hofft, in Zukunft heimatnah eingesetzt zu werden. „Am liebsten in Roth oder Niederstetten.“ Denn das Pendeln nach Köln ist mit wöchentlich rund 900 Kilometern sehr anstrengend.

      Sabine Ludwig

      Infos

      Das Mandat für die Bundeswehr in Mali geht bis Mai 2019. Die Verlängerung ist so gut wie sicher. Denn Frieden im Wüstenstaat wird es so schnell nicht geben. Dazu hatte Kanzlerin Angela Merkel Anfang des Jahres erklärt, dass Deutschland zwischen 2017 und 2020 rund 1,7 Milliarden Euro für die Entwicklung der Sahelstaaten ausgeben werde.