Was werden Sie außer der Fahrt nach Rom zur Heiligsprechung noch alles während Ihres Aufenthalts in Deutschland unternehmen?
Am 2. Juni halte ich einen Diavortrag hier in Eibelstadt, ich feiere den Pfingstgottesdienst und mache Besuche. In meinem langen Leben habe ich einige Bekanntschaften gemacht, die bis heute gehalten haben.
Wo und wie werden Sie die Heiligsprechung in Rom mitfeiern?
Zusammen mit den Brüdern; für uns wurde eine Unterkunft ziemlich nahe am Vatikan organisiert und auch eine Art Vorprogramm. Da lasse ich mich überraschen. Beim Heiligsprechungsgottesdienst kann ich wohl mitzelebrieren. Danach werde ich noch einige Tage bei den Brüdern in Spello bei Assisi verbringen, wo wir eine Bruderschaft haben. Dann geht es wieder zurück nach Deutschland, wo noch einige Besuche anstehen.
Was bedeutet diese Heiligsprechung Ihnen persönlich?
Für mich ist es eine Bestätigung für meinen Weg, dass ich damals zu Charles de Foucauld gefunden habe, zu einem Mitleben mit den Menschen quasi auf dem Erdboden, und nicht in den Strukturen. Das war sein Weg: den Menschen auf gleicher Ebene begegnen, nicht in den Strukturen; den Weg gemeinsam mit ihnen zu gehen.
Wie sind Sie eigentlich auf Charles de Foucauld gestoßen beziehungsweise auf die Gemeinschaft der Kleinen Brüder?
Es gab eine Gemeinschaft der Kleinen Schwestern in der Zellerau, zu der ich Kontakt hatte. Mir gefielen ihr Gebet, ihre Armut, ihr einfaches Leben unter den Menschen dort; all das hat mich beeindruckt. So wollte ich auch meinen Weg weitergehen. Alleine in einer Pfarrei und unter bürgerlich gesinnten Menschen, die ihr Haus bauen, ihre Zukunft planen, – das habe ich nicht als meinen Weg gesehen. Zumal ich ja gesehen habe, dass es viel Armut auf dieser Welt gibt und Menschen, die ausgegrenzt sind. Zu denen wollte ich hin. Das war für mich wichtiger, als vor Ort zu bleiben und die seelischen Bedürfnisse der Zeitgenossen zu pflegen.
Wo sehen Sie Parallelen zwischen dem Leben von Charles des Foucauld und Ihrem Leben?
Da wäre zunächst einmal die Ausbildung; die fand in Gemeinschaft statt, war im Ausland. Dann ging es darum, Sprachen zu lernen, um das Leben mit den Menschen teilen zu können. Die Begegnung mit Charles de Foucauld, der als Franzose in der Wüste, also sehr einsam und sehr radikal, gelebt hat, und mit dieser Gemeinschaft hat es mir ermöglicht, nach Bolivien zu gehen und dort mit einfachen Menschen zu leben. Natürlich auch das Sprachenlernen. Charles de Foucauld hat als Franzose perfekt Arabisch gekonnt und dazu noch die Berber-Sprache gelernt. Damit man mit einfachen Menschen in Kontakt kommt, muss man deren Muttersprache, lernen, nicht die Landessprache. Bei mir war das Ketschua, und das war eine Herausforderung. Drei Jahre musste ich investieren, um Ketschua zu lernen, drei Jahre Studium dieser Sprache, obwohl mir Sprachenlernen eher leicht fällt. Es war kein Vergnügen, es war schon Arbeit, auch weil es so langsam ging; aber es hat mir auch Befriedigung gegeben.
Können Sie die Person Charles de Foucauld auch den Menschen in Titicachi vermitteln?
Man kann schweigsam seinem Vorbild nachgehen, aber die Leute verstehen das nicht. Die sind daran interessiert, dass sie vorwärts kommen, das sie aus Armut und Unwissenheit herauskommen. Wer Deutschland verlässt, um in einem Indianerdorf zu leben, muss, wie auch Charles de Foucauld, Armut auf sich nehmen können. Aber es ging uns ja nicht darum, das weiterzupflegen, es ging uns von Anfang an um Armutsbekämpfung; die Unwissenheit musste überwunden werden und auch der Alkoholismus, der weit verbreitet war. Dann galt es, das Selbstwertgefühl der Menschen zu stärken. Durch die Unterdrückung hat man den Indianern vermittelt, sie seien nichts wert. So versuchen sie, sich von der eigenen Identität zu distanzieren, zum Beispiel von der Sprache: Vater und Mutter können Ketschua, sprechen es aber nur, wenn die Kinder nicht mithören; sie bringen es ihnen nicht mehr bei. Daran sieht man, dass da wenig Selbstwertgefühl ist, dass man die eigene Identität verdrängen möchte. Ich habe Ketschua stets gepflegt, verwende es auch immer wieder im Gottesdienst, predige manchmal auf Ketschua oder lese das Evangelium auf Ketschua. Das ist für mich ein Weg den Menschen nahe zu sein, das „Nazareth“ Charles de Foucaulds zu leben. Sein Gedanke war ja: Wie ist es möglich, dass der Sohn Gottes dreißig, fünfunddreißig Jahre unbekannt in einem einfachen Nest lebte? Und er wollte selber so leben, so unscheinbar, und diesen Weg denen anbieten, die ihm nachfolgen. Dann Charles de Foucauld war ja nicht unter Leuten, die Gottesdienste, Seelsorge und so weiter verlangt haben. Unter Muslimen konnte er vielmehr in dieser Hinsicht gar nichts machen, im Sinne des Machens; Freundschaft konnte er ihnen anbieten. Das war für mich auch ein wichiger Aspekt.
Werden Sie die Heiligsprechung auch mit den Menschen in Bolivien feiern?
Der Bischof möchte, dass wir das feiern. So haben wir von einem jungen Indianer ein Bild malen lassen, das Charles de Foucauld zeigt; auf auf der Rückseite ist ein Gebet von ihm abgedruckt. Es zeigt ihn als den Mann, der nicht mit Worten verkünden kann, weil die Muslime ihm nicht zuhören werden. Aber er verkündet mit dem Herzen. Das zeigt das Bild. Das rote Herz sagt: Gott ist die Liebe. Das Kreuz darüber steht für die Kreuzigung des Gottessohnes, die Muslime aber nicht akzeptieren. Für sie ist das eine Lüge, denn nach ihrer Überzeugung wurde jemand anders gekreuzigt. Jesus kam frei und konnte in den Himmel auffahren. Aber Charles de Foucauld ist so gekleidet herumgelaufen und hat dadurch verkündet.
Was ist für Sie die Botschaft von Charles de Foucauld an die Welt von heute?
Sein Leben selbst ist die Botschaft. Er war überzeugt davon, dass Jesus unser Freund sein kann; dass man, wenn man mit ihm lebt und ihm folgt, seine eigene Persönlichkeit entwickelt; dass es keine Minderung ist, mit Jesus unterwegs zu sein, sondern Identitätsfindung und eine Möglichkeit, alle seine Fähigkeiten zu entwickeln und einzubringen.
Interview: Wolfgang Bullin