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      Ein Ort der Kultur – für alle

      Vor 20 Jahren war es etwas aufregend Neues: Im „Theater Augenblick“ der Mainfränkischen Werkstätten in Würzburg begannen Erwachsene mit und ohne Behinderung, gemeinsam Theater zu machen.
      Anspruchsvoll und professionell. „Wir schufen acht Stellen für beeinträchtigte Schauspieler“, berichtet Stefan Merk, der das „Augenblick“ 1998 gegründet hat. Bis heute sucht die Truppe im Freistaat ihresgleichen.   Das „Theater Augenblick“ hat sich über zwei Jahrzehnte hinweg zu einem lebendigen Ort der Kultur für alle gemausert. Dabei waren die Anfänge überaus bescheiden. „Als ich vor über 20 Jahren in den Sozialdienst der Mainfränkischen Werkstätten eingestiegen bin, habe ich die dortige Freizeitgruppe ‚Theater’ übernommen“, erinnert sich Merk. Mit großem Erfolg hat man ein erstes Stück in einer Hochschulgemeinde aufgeführt. Wo es so viele Fans gibt, da muss mehr möglich sein, dachte sich Merk. So kam man auf die Idee, einen eigenen Arbeitsbereich „Theater“ für Schauspieler mit geistiger Behinderung in den Mainfränkischen Werkstätten aufzubauen.  

      Anderssein – mit Humor

      In den Stücken geht es um das, was im Leben eines jeden wichtig ist. Was alle verbindet. Egal, ob sie ein Handicap haben oder nicht. Egal, mit welchem Leiden sie klarkommen müssen. Schon in der ersten Produktion „Traumgeschenke“, die am 8. Oktober 1998 Uraufführung hatte – sozusagen die Geburtsstunde des Theaters – ging es um dieses Verbindende. Sind doch Träume etwas, was jeder kennt. Doch wer sorgt eigentlich dafür, dass wir träumen? In „Traumgeschenke“ ist es ein „Kosmischer Traumverwalter“. Der gerät plötzlich in die Bredouille: „Hilfe, ein Traum ist abhanden gekommen ...!“   Nichtbehinderte, die keine Berührung mit beeinträchtigten Menschen haben, glauben oft, dass es schrecklich sein muss, eingeschränkt zu leben. Die sechste „Augenblick“-Produktion „Himmel, Hölle und die Lust am Leben“ mahnt hingegen: Leute ohne Handicap dürfen sich nicht anmaßen, zu beurteilen, ob Behinderte „etwas vom Leben haben“. Ob sie glücklich sind. So, wie sie sind. Oder ob sie leiden. Kein Leben ist nur Zuckerschlecken. Nicht das von Gesunden. Und nicht das von Behinderten. Wer lebt nicht dennoch gerne?   Am 15. November 2010 hatte die humorvolle Komödie über das Anderssein ihre Uraufführung. Im Mittelpunkt steht Tim, den Jan Simanzik spielt. Auf Tims Wunschliste steht „Leben“ ganz oben. Doch er durfte nicht leben. Darum befindet sich Tim zu Beginn des Stücks nicht auf der Erde, sondern im Himmel. Seine Eltern wollten ihn nicht auf die Welt bringen. Sie trieben Tim ab, denn, so wurde ihnen gesagt, der Junge würde nicht „normal“ werden. Und wer nicht normal ist, dachten sie, kann in einer Welt voller Normen mit wachsendem Anpassungsdruck doch kaum zurechtkommen.  

      Kulturmedaille der Stadt

      Als das „Augenblick“ vor 20 Jahren mit seiner Arbeit begann, mussten Schauspieler, Requisiten und Ausrüstung noch von Ort zu Ort transportiert werden. Das Ensemble trat auf befreundeten Bühnen, Festivals und einmal sogar im Nürnberger Zoo auf. „Ich spielte damals einen Papagei“, erinnert sich Peter Englert, der bereits bei „Traumgeschenke“ mitgewirkt hat. Sechs Jahre lang war das Theater auf Wanderschaft. Diese Zeit hat Stefan Merk als sehr anstrengend in Erinnerung: „Einmal mussten wir vor der Vorstellung sogar aufs Dach klettern, um ein Dachfenster abzukleben, denn wir brauchten es ja drinnen dunkel.“   Seit 2004 hat das Theater eine eigene Bühne in Lengfeld, seit 2014 gibt es staatliche Zuschüsse für das nicht-behinderte Personal. Damit wurden viele, wenngleich auch nicht alle Probleme gelöst. Denn das Budget reicht immer noch nicht. Dabei wären Mittel da.   70 Millionen Euro gibt der Staat laut Merk für institutionelle Theaterförderung in Bayern aus. Als einziges Theater im Freistaat erhält seine Bühne 27000 Euro für Personalkosten des nicht-behinderten Personals, für Requisiten, Kostüme und Bühnenbild. Das sind nicht mal 0,05 Prozent für inklusives Theater. Allerdings leben fast zehn Prozent behinderte Menschen in Bayern.   Um jene Qualität aufrechtzuerhalten, die dem Theater 2011 die Kulturmedaille der Stadt Würzburg beschert hat, sind unablässige Anstrengungen notwendig. Bis es zur ersten Vorstellung eines neuen Stücks kommt, vergehen oft zwei bis drei Jahre. „In dieser Zeit machen wir ganz verrückte Sachen“, sagt Merk und lacht. Er und seine hauptamtliche Kollegin Janine Schellein kitzeln über Improvisationen heraus, was die Schauspieler gerade bewegt. Das geschieht verbal und vor allem nonverbal. Was sich allmählich als Thema für das nächste Stück herauskristallisiert, soll alle gleichermaßen interessieren: die behinderten und die nicht-behinderten Theatermacher.  

      Jedes Stück Ausverkauft

      Weil so akribisch gearbeitet wird und am Ende alles stimmt, also Bühnenbild, Kostüme, Musik und Text, feiert das „Augenblick“ seit 20 Jahren ununterbrochen Erfolge. „Unsere Veranstaltungen sind immer ausverkauft“, berichtet Merk. Das gilt sowohl für die Schauspiele als auch für die Stücke des 2012 gegründeten Tanzensembles. In erster Linie liegt das an den Geschichten, die das „Augenblick“ erzählt. Diese Geschichten berühren. Sie sind leicht nachvollziehbar. Nie braucht es lange, bis der Funke auf das Publikum überspringt. Weil die Theaterstücke so großen Anklang finden, gelang es auch in all den Jahren, die Löhne für die Schauspieler mit geistigem Handicap zu erwirtschaften.   Wer Näheres über Idee und Konzept des „Augenblick“ erfahren möchte, ist zur Jubiläumsfeier am 14. Dezember um 19 Uhr im Theater – Würzburg, Im Kreuz 1 – eingeladen. An diesem Abend gibt es auch einen Portraitfilm über das „Augenblick“ – natürlich als Uraufführung.   Pat Christ