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      Mit den seltenen Wollschweinen erhalten die Hocks ein Stück von Gottes Schöpfung

      Ein bisschen wie die Arche Noah

      So muss es auf der Arche Noah geklungen haben: Ein Hahn kräht, Schweine grunzen, der Pfau schreit und dazwischen quacken Enten. Tatsächlich ähnelt das, was das Ehepaar Hock in der „Arche Armin“ in Schweinheim (Dekanat Aschaffenburg-Stadt) tut, nicht nur akkustisch Noahs biblischem Projekt. Als Mitglieder der „Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen“ (GEH) züchten sie Wollschweine und helfen so die seltene Rasse vor dem Aussterben zu bewahren. Anders als Noahs Tiere, enden die der Hocks auch mal im Kochtopf.

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      Die „Arche Armin“ trägt ihren Namen nicht zu Unrecht: Über zehn Tierarten leben auf dem etwa zwei Hektar großen Areal des Ehepaars Christel Dziura-Hock (55) und Armin Hock (64) am Ortsrand von Schweinheim. Nahe der Stadt Aschaffenburg ist es hier überraschend grün. Wer das Ehepaar besucht fährt vorbei an baumbestandenen Wiesen. Am Ende einer schmalen Schotterstraße ist die „Arche Armin“ erreicht. So nennen die Hocks ihren Hof – der klangvollen Alliteration wegen. Eine offizielle GEH-Arche ist er aber nicht.

      An der „Arche Armin“ begrüßen einen unter anderem Gänse, Hühner und Laufenten. In der Nähe grasen die Ziegen. Aus dem großen Gehege aus dicken Robinienstämmen dringt das Grunzen der acht Wollschweine, zu deren Rasseerhalt die Hocks beitragen. Jedes Jahr benennt der bundesweit tätige Verein GEH die „Gefährdete Nutztierrasse des Jahres“. 2019 ist es das Wollschwein. Die GEH hat für Deutschland aktuell 328 Tiere erfasst, sagt der Rassebetreuer des Vereins Rudolf Gosmann aus Niedersachsen am Telefon. Die Rasse gilt als extrem gefährdet.

      Die Schweine in Schweinheim kümmert das wenig. Sie interessieren sich gerade mehr für ihr Futter. Grunzend und quietschend machen sie sich über gelbe und orange Kürbisse her. Malik (7) und Emil (6), zwei Enkel der Hocks, werfen sie ihnen stolz vor die Rüssel. Man hört zufriedenes Schweineschmatzen.

      Kein Streichelzoo

      Die Kürbisse hat Christel Dziura-Hock selbst angebaut. Sie und ihr Mann sind Selbstversorger und bauen auch Futter für ihre Tiere auf den eigenen Wiesen und Feldern rund um die Arche eigenhändig an. Die Kürbisse essen sie selbst auch. Und manche ihrer Tiere landen ebenfalls auf ihrem Teller. So wie Wollschwein Frieda. Der Grund für ihr Ableben mutet zunächst recht harmlos an. Ihr Schwanz war zu kurz und nicht passend geringelt. Doch damit war Frieda für die Zucht unbrauchbar – und ihr Schicksal besiegelt. Aus Frieda wurde Wurst. Und die haben die Hocks, ihre Kinder und auch die Enkel gegessen. Ein Motto der GEH laute „Erhalten durch Aufessen“, erklärt Christel Dziura-Hock. Das bedeutet: Durch die Nutzung – auch im Kochtopf – werden die Tiere erhalten. Ihr Mann ergänzt: „Wir haben keinen Streichelzoo“.

      Ein bisschen streicheln lassen sich die „Wutze“, wie die Hocks sie nennen, beim Füttern aber doch. Unter den wachsamen Blicken des Opas streicht Malik einem Schwein über die leicht lockigen Borsten am Rücken. Die sehen ein bisschen aus wie Wolle. Wollschwein halt.

      Das Wollschwein, auch Mangaliza-Schwein genannt, ist eine der ältesten Schweinerassen Europas und stammt ursprünglich aus Ungarn. „Ohne Wollschweine gäbe es keine ungarische Salami“, sagt Rassebetreuer Gosmann. Und Armin Hock erklärt, dass es die Tiere zu Zeiten der österreich-ungarischen K&K-Monarchie millionenfach gegeben habe. Sie wurden vor allem wegen ihrer Fettschicht geschätzt, die selbst bei normaler Fütterung zwölf Zentimeter dick werden kann. Bei körperlich schwerer Arbeit, etwa auf dem Feld, brauchten die Leute früher viele Kalorien. Schweinefett war begehrt.

      Der Niedergang der Rasse begann mit der Industrialisierung. Es wurde weniger schwer körperlich gearbeitet und der Kalorienbedarf sank. Hinzu kam das Aufkommen von Pflanzenfetten. Als dritten Grund für das Beinahe-Verschwinden der Rasse führt Armin Hock die „Magersucht“ an. Er meint damit, dass die Konsumenten mageres Fleisch bevorzugten. Schweinefett – und damit auch das Wollschwein – war nicht länger gefragt. Im Jahr 1993 gab es in Ungarn weniger als 200 der Tiere.

      Rasse erhalten

      1998 kauften die Hocks, die damals vorab in einem Fachmagazin über das Wollschwein – das 1999 schon einmal das gefährdete Nutztier des Jahres war – ihre erste Wollsau und begannen zu züchten. Mitte der 90er Jahre gab es in Deutschland nur etwa 10 bis 12 Züchter, erklärt Rassebetreuer Gosmann, der selbst Wollschweine züchtet. Inzwischen habe sich die Zahl verzehnfacht. Wobei nur 28 Züchter mit 85 registrierten Tieren zum Wollschwein-Register der GEH, dem Vorläufer eines eigenen Zuchtbuchs, zählen.

      Der GEH und ihren Partnern ist es gelungen die Population zu stabilisieren. Das liegt auch daran, dass das stark marmorierte Wollschweinfleisch in der Gastronomie heute wieder geschätzt wird.

      Den Metzger müssen Dunja, Lotti und Heike in Schweinheim indes nicht fürchten. Sie sind mittels Haarprobe gentypisiert worden und im Rahmen des Wollschwein-Registers der GEH für die Zucht, bei der es vor allem darum geht die Inzucht gering zu halten, zugelassen. Sie sind quasi ein lebender Gen-Pool. Und das nicht nur für ihre eigene Rasse. Auch andere Rassen, zum Beispiel das Hausschwein, können von den Vorzügen alter Rassen, wie etwa der Robustheit der Wollschweine, profitieren.

      Die fünf übrigen Schweine der Hocks sind Dunjas, Lottis und Heikes Nachkommen, die als Ferkel nicht an andere Züchter gingen oder geschlachtet wurden. Nachdem der Eber vor zwei Jahren starb, ist Dunja die unbestrittene Chefin der Herde. Die wird vorerst wohl eberlos bleiben. Und den Grund dafür müssen die Hockschen Schweine durchaus fürchten. Denn der könnte ihr Ende bedeuten – und das nicht mal im Kochtopf.

      Genesis 6,13–19

      Die Afrikanischen Schweinegrippe ist der Grund dafür, dass sie sich aktuell keinen fremden Eber in die Herde holen, erklären die Hocks. Da sei man als Züchter vorsichtig. In Deutschland hat es zwar, anders als in Osteuropa und etwa Belgien, noch keinen Fall der für Menschen ungefährlichen, für Schweine aber fast immer tödlichen Krankheit gegeben. Doch es gibt erhöhte Vorsichtsmaßnahmen, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern.

      Besucher müssen am Hoftor die Schuhe desinfizieren, einen Schutzanzug tragen, Desinfektionsmittel benutzen und dürfen die Tiere auf gar keinen Fall füttern. Alles zum Schutz der Schweine. „Die Schweinepest wäre für so einen Bestand natürlich ein Katastrophe“, sagt Armin Hock. Das wertvolle Genmaterial in Gestalt von Dunja, Lotti, Heike und Co. höchstwahrscheinlich verloren. Und das wollen sie als Züchter ja gerade verhindern.

      „Dann sprach Gott zu Noah: (...) Von allem, was lebt, von allen Wesen aus Fleisch, führe je zwei in die Arche, damit sie mit dir am Leben bleiben; je ein Männchen und ein Weibchen sollen es sein.“ So steht es in der Bibel, Genesis 6,13– 19. Bis auf den vorerst fehlenden Eber passt das zu dem, was die Hocks tun. Und das ist das, was auch Papst Franziskus in der Umweltenzyklika „Laudato si“ fordert: Schöpfung bewahren. Warum tun sie das? Die Schweine und die vielen anderen Tiere machen ja auch viel Arbeit. Die Arche sei wie „täglicher Urlaub auf dem Bauernhof“, sagt Christel Dziura-Hock. Als Christin findet sie zudem, dass man das von Gott Gegebene nutzen und erhalten müsse.

      Für ihr Engagement an der „Arche Armin“, das weit über den Erhalt der Wollschweine hinausgeht und auch Umweltbildung und Landschaftspflege umfasst, haben die Hocks vor kurzem den Nachhaltigkeitspreis der Stadt Aschaffenburg erhalten. Darauf sind sie sehr stolz. Früher seien sie manchmal schief angeguckt worden, erzählen sie. Inzwischen sei das anders: „Jetzt ist man ja total ,in’“, sagt Selbstversorgerin Christel Dziura-Hock und lächelt. Aus dem Gehege dringt das zufriedene Grunzen der acht Wollschweine.    

      Anna-Lena Herbert