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      Der „Besinnungsweg Retztal” wird heuer 20 Jahre alt

      Durch die Natur zu Gott

      Abwechslungsreiche Landschaften, weite Ausblicke, starke Symbole, eindrückliche Skulpturen und ganz viel Gelegenheit zum Stillwerden, Nachdenken und Bei-sich-Sein – all das bietet der „Besinnungsweg Retztal“ dem Wanderer. Heuer feiert der Weg seinen 20. Geburtstag und erfreut sich weiter großer Beliebtheit.

      Die Idee für einen Besinnungsweg im Retztal kam zum ersten Mal bei einer Pfarrversammlung Anfang der 1990er Jahre auf, als Eucharistiner-Pater Fritz Schaub andeutete, dass das Kloster in Retzstadt geschlossen werden sollte. „Wir waren entsetzt, denn mit den Eucharistinern war etwas ganz Besonderes gewachsen“, berichtet Anna Post. Hintergrund für die drohende Schließung war wie so oft Nachwuchsmangel. „Pater Fritz erzählte uns damals von einem Gebetsweg um geistliche Berufungen, der vor Jahren in seiner Heimat angelegt worden war“, so Post weiter.

      Wie alles anfing

      Schaubs Idee fiel auf fruchtbaren Boden – zumal damit auch ein Aufschub der Klosterschließung verbunden war. Rasch bildete sich eine Gruppe um Pater Fritz, die sich die Planung eines Besinnungsweges auf die Fahnen schrieb. Neben Anna Post und dem damaligen Retzbacher Pfarrer Gerold Postler gehörte auch Joachim Spruß dazu, der das Wegsymbol entworfen hat. 1996 gründete die Gruppe den Trägerverein „Besinnungsweg Retzbach“, der heute 36 Mitglieder zählt. Praktisch und finanziell wurde das Projekt vom Amt für ländliche Entwicklung unterstützt, die Einweihung feierten die Christen im Retztal an Christi Himmelfahrt 1999.

      „Was mich von Anfang an begeistert hat, waren die Ziele dieses Weges – nämlich Menschen auf den Weg zu bringen, sie heraus aus der Hektik in die Schönheit der Natur zu führen und darüber neue Wege zu Gott eröffnen“, sagt Anna Post. Das Eucharistiner-Kloster wurde zwar trotz intensiver Bemühungen um Nachwuchs 2009 geschlossen, den Weg, der damals mit viel Engagement entstanden ist, gibt es aber noch immer. Die Botschaft des Besinnungsweges weiterzutragen, ist seitdem der große Wunsch von Anna Post.

      Eigene Berufung

      Seit 20 Jahren führt sie Gruppen durch die Weinberge und Fluren. Das Gebet um geistliche Berufe steht dabei nicht mehr im Mittelpunkt, denn: „Nicht nur Priester und Ordensleute sind von Gott Berufene“, verdeutlicht Monsignore Gerold Postler, der über 40 Jahre Pfarrer in Retzbach war. „Jeder Mensch hat seine eigene Berufung. Der Weg soll Anregung sein, beim Gang durch die Natur den eigenen Lebens- und Berufungsweg zu entdecken.“ Auch nach 20 Jahren fasziniert Anna Post immer wieder, was die Führungen mit den Teilnehmern machen: „Die Menschen entschleunigen, kommen im Grün runter und erleben Gemeinschaft. Sie treten aus ihren festen Rollen heraus, sind bei sich und im Augenblick und spüren sich als Geschöpfe inmitten einer wundervollen Schöpfung“, schwärmt Post, die mit dem Weg ihre Berufung gefunden hat. Lernen könne man beim Gehen vor allem von Kindern: „Sie sind so herrlich offen, haben offene Sinne und offene Herzen“, begründet sie. Ihr selbst tue es gut zu sehen, dass die Botschaft des Weges ankommt: „Das Leben aus einer anderen Perspektive zu sehen, sich der Schönheit und der daraus resultierenden Verantwortung bewusst werden – das ist unheimlich wichtig“, ist sie überzeugt.

      Meditative Blicke

      Gelegenheiten zum Perspektivwechsel und einem meditativen Blick auf das Leben gibt es unterwegs zuhauf. Dies beginnt schon mit der abwechslungsreichen Landschaft, die der Wanderer auf dem 14 Kilometer langen Rundweg durchstreift. Von der Wallfahrtskirche „Maria im Grünen Tal“ führt er hinauf zur Benediktushöhe, die steil auf einem Muschelkalkfelsen über dem Maintal thront. Vorbei an der Kolpingkapelle geht es erst durch die Weinberge, dann über Felder auf die Breitfeldhöhe, die mit ihren 387 Metern die höchste Erhebung im Maindreieck bildet und einen weiten Rundblick auf Spessart, Rhön und Steigerwald bietet. Von dort läuft man langsam hinab ins Tal nach Retzstadt zur Pfarrkirche St. Andreas. Am schattigen Waldesrand und den Ufern der Retz entlang geht es zurück zur Wallfahrtskirche. Wer die Augen offen hält, wird beim Gang durch die Flur eine außergewöhnliche Vielfalt an Pflanzen entdecken, darunter viele Heilkräuter und Orchideen.

      Zu tieferen Blicken auf das Ich und die Welt, auf Gott, die Natur und das Menschsein verführen aber auch die 16 gestalteten Stationen: Dazu gehören zum Beispiel das ­Marienbrünnlein hinter der Wallfahrtskirche als Symbol für Frische, Lebenskraft und dem Durst nach dem ewigen Leben, der Pflug als Zeichen für die menschliche Arbeit, der Baum, der mit seinen Wurzeln, dem Zyklus aus Wachsen, Blühen, Fruchtbringen und Welken ein Sinnbild für das Leben ist, oder die einen Kilometer lange Zeitleiste mit Fossilien, die von der Entstehung der Erde bis zum Menschen reicht. Das Nest – Schweißarbeit einer Schülerin – strahlt für Anna Post Geborgenheit aus und erinnert daran, „dass Nestwärme in Ehe und Familie, im Verein, in der Heimat, auf der Erde nur dann entstehen kann, wenn ich mich selbst einbringe“.

      Lieblingsstation

      Gerold Postlers Lieblingsstation „Völkerwallfahrt“ steht am Bändel, dem Verbindungsstück zwischen Ost- und Westteil des Weges. „Sie zeigt Menschen in verschiedensten Lebenssituationen auf dem Weg zu einem gemeinsamen Ziel, dem himmlischen Jerusalem“. In ihrer Ausdruckskraft bewegende „Wegweiser Gottes“ hat eine Gruppe psychisch kranker Menschen beigesteuert; sie zeigen, wie der Glaube Wege aus Sucht, starken Emotionen und Ängsten eröffnen kann.

      Gehen kann man den Weg allein oder als Gruppe, im Ganzen oder in Teilen. Ein in den Pfarrbüros erhältlicher Faltplan ist dabei ein hilfreicher Begleiter. Den 20. Geburtstag des Weges feiern die Christen im Retztal mit vier Veranstaltungen. Zwei davon finden übrigens regelmäßig statt: der Gottesdienst in der Natur an Christi Himmelfahrt und die Sonnenaufgangswanderung im August, die wegen ihrer besonders intensiven Stimmung auch Menschen aus der weiteren Umgebung anzieht.

      Anja Legge