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      Die 28-jährige Johanna Klug nutzt ihre eigene Lebenszeit, um Sterbende zu begleiten

      Der Tod macht das Leben reicher

      Johanna Klug dachte einmal daran, in der Medienbranche ihr Geld zu verdienen. Doch dann kam sie viel in der Welt herum und fand etwas Passenderes für sich. Heute begleitet Klug Sterbende und Trauernde. Und mit Hilfe der Medien nimmt sie ihr Publikum mit in die Welt der Hospize und Palliativstationen.

      Johanna Klug, 28 Jahre alt, wuchs mit zwei jüngeren Schwestern in einer Würzburger Familie auf. Auf Friedhöfen sei sie immer gerne gewesen, erinnert sie sich. „Weil dort Ruhe herrscht. Friedhöfe haben keine Reizüberflutung. Ich fand diese Energie gut.“ In einer reiz- und konsumüberfluteten Gesellschaft seien solche Ruheorte wichtig.

      Dienst am Nächsten

      In der Maria-Ward-Schule, die Johanna Klug besuchte, wurden die Schülerinnen zur sozialen Arbeit ermutigt. Weil der Dienst am Nächsten ein Dienst für die Gesellschaft ist. Und weil die Mädchen früh das ungesüßte Leben kennenlernen sollten – jenseits von Diskotheken und Internet. Johanna Klug ging als Helferin in ein Seniorenheim.

      Dort begegnete sie mit 16 Jahren erstmals dem Tod, drastisch und unerwartet. Als sie ein Tablett mit Marmeladentoast und Kaffee ins Zimmer eines Bewohners brachte, fand sie die Leiche des Mannes auf den Badfliesen liegend. Ein Schlaganfall hatte den 50-Jährigen auf der Toilette getroffen. „Von dem Toten ging Ruhe aus. Obwohl es brutal war, war es zugleich friedvoll“, erinnert sich Johanna Klug.

      Sterbe- und Trauerbegleiterin

      Von dem Gedanken, Sterbe- oder Trauerbegleiterin zu werden, war sie damals noch weit entfernt. Aber wie Todesfälle in Deutschland abgewickelt werden, gefiel ihr nicht: Bestatter sollen möglichst unbemerkt ins Heim kommen und rasch wieder verschwinden; Leichenwagen werden als Transporter getarnt; und oft fehlt in Heimen die Zeit, Tote zu waschen oder ihnen die Schläuche zu ziehen, bevor sie weggebracht werden. Dann ist das Zimmer sofort für die nächste Person herzurichten, die auf der Warteliste steht. So hat es Johanna Klug erlebt. Ihr ging das alles zu schnell, es war ihr zu seelenlos.

      Nach Realschule und Fachabitur ließ sich Klug auf ein Medienmanagement-Studium ein. Ein Auslandssemester in den Niederlanden bescherte ihr mit 20 Jahren eine Erleuchtung wie aus dem Nichts: Sie wollte ihre Lebenszeit nutzen, um Sterbende zu begleiten. Woher dieser Einfall kam, wusste Klug nicht, aber sie verfolgte die Idee hartnäckig.

      Eine Nachbarin, die auf der Palliativstation des Würzburger Juliusspitals als Seelsorgerin arbeitet, nahm sie dorthin mit. Im Rückblick stellt Johanna Klug fest: „Auf der Palli habe ich gelernt, dass es nicht um Leistungsdruck geht oder darum, andere auszustechen. Hier kann man sein, wie man ist.“ Rund zwei Jahre lang besuchte sie freitags die Bewohnerinnen und Bewohner der Palliativstation, unterhielt sich mit ihnen. Gemeinsam grillten sie Bratwürste oder backten Weihnachtsplätzchen.

      Sehnsucht nach Nähe

      Vom Berufsziel Medienmanagement kam Klug ab. Die Begegnungen mit Sterbenden, mit ihren Bedürfnissen und ihrer Sehnsucht nach Nähe taten ihr gut. Sie sei früher ein Mensch mit Ängsten und Selbstzweifeln gewesen, erinnert sie sich. „Ich glaube, dass die Konfrontation mit dem Sterben mir die Angst vor dem Leben genommen hat.“

      Die Palliativstation in Würzburg war für Johanna Klug das Sprungbrett in ein neues Dasein. In Hamburg ließ sie sich zur Sterbebegleiterin ausbilden und verabschiedete sich bald darauf nach Südafrika. In Mandeni, einer Kleinstadt mit 76-prozentiger Aidsrate, arbeitete sie im stationären Hospiz und begleitete das Ambulanzteam bei Besuchen in ärmlichen Wellblech- und Sandsteinhütten. In Südafrika reifte bei Klug die Erkenntnis: „Es heißt, der Tod ist nur das nächste große Abenteuer. Wenn das Leben sich verabschiedet, dann ist der Tod dabei ein neuer Abschnitt – als Teil unseres Lebens.“

      Arbeit als Buchautorin

      Johanna Klug sagt von sich, sie halte es nicht lange an einem Ort aus, sie fühle sich schnell eingeengt. Daher gleicht ihr Lebenslauf eher einem Zickzack- als einem Langstreckenlauf. Nach Südafrika bekam sie eine feste Anstellung in Regensburg. Auch dort besuchte Klug regelmäßig die Palliativstation.

      Heute lebt sie vom Bücherschreiben, von Lesungen, Workshops und ihrer Arbeit als ausgebildete Trauerbegleiterin. In ihrem 2021 erschienenen Buch „Mehr vom Leben“ hat sie Begegnungen mit sterbenden Menschen geschildert. So unterschiedlich die Persönlichkeiten, die sie traf, auch waren – für Klug hatten die Begegnungen etwas gemeinsam. Sie waren unverstellt, direkt und ohne Berechnung. „Auf dem Sterbebett gibt es keine Verbote mehr“, formuliert Klug – und eben auch keinen Grund, seinen wahren Kern zu verbergen.

      Richtig leben

      Die Beziehungen Klugs zu den Patienten waren oft kurz, aber manchmal voller Wärme. Zum Beispiel bei Anna, die mit Anfang 30 ihre Krebsdiagnose erhalten hatte und auf der Palliativstation lag. Annas ältere Schwester sagte damals zu Johanna Klug, die noch nicht viel Erfahrung als Sterbebegleiterin hatte: „Anna hatte nie Angst vor dem Tod. Sie hatte immer Angst vor dem Leben. Als sie die Diagnose bekam, hatte ich das erste Mal das Gefühl, Anna kann von all ihren Ängsten loslassen und richtig leben.“

      Richtig zu leben – darum geht es auch Johanna Klug. Und das ist aus ihrer Sicht nur möglich, wenn man die eigene Endlichkeit ins Leben mit einschließt, sich mit ihr versöhnt. Was nach dem Tod kommen wird, lässt sie auf sich zukommen, ohne sich einer bestimmten Erwartung zu verschreiben. Aber Klug hat oft erfahren, dass Verstorbene Frieden ausstrahlen. Eine Beobachtung, die ihr beim Leben hilft.

      Ulrich Bausewein

      Bücher: Johanna Klug hat zuletzt das Buch Liebe den ersten Tag vom Rest deines Lebens veröffentlicht. Bereits 2021 erschien von ihr Mehr vom Leben – Wie mich die Begleitung Sterbender verändert.