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      Reinhold Ewalds „Dettinger Passion“ im Lichte Grünewalds

      Den Raum geweitet

      Reinhold Ewalds „Dettinger Passion“ im Lichte Grünewalds
      ASCHAFFENBURG. „Das Rätsel Grünewald“ ist die bayerische Landesausstellung über den spätmittelalterlichen Maler Mathis Gothart-Nithart betitelt, die noch bis Ende Februar im Schloss Johannisburg zu sehen ist. Zu den vielen Rätseln, die Grünewalds Person umgeben, tritt auch das seiner Wirkungsgeschichte. obwohl nur wenige Werke von ihm erhalten sind, inspirierten sie doch Künstler – namentlich zu Beginn des 20. Jahrhunderts – zu intensiver Auseinandersetzung und Neuinterpretation.
       
      Es sind die unwirklich verkrampften Hände, mit denen Meister Mathis Emotionen ausdrückt. Sie sind gefaltet, verschlungen, verbogen, meist zu groß für den Körper der dargestellten Figur, so wichtig sind sie ihm. Auf dem Kreuzigungsbild aus Isenheim krallt die Hand des am Kreuz zu Tode Gefolterten ins Leere. Der Finger des Täufers zu seiner Linken ist wie eine große Geste der Welt. Vielleicht ist es diese Ausdrucksstärke Grünewaldscher Bilder, die die Generation der Expressionisten zu Beginn des 20. Jahrhunderts besonders ansprach.
       
      1922 bekam der damals 32-jährige Dekorationsmaler Reinhold Ewald aus Hanau den Auftrag, die von Dominikus Böhm und Martin Weber errichtete Pfarrkirche in Dettingen am Main (Dekanat Alzenau) auszumalen. Der seinerzeit aufsehenerregende Zyklus aus Kreuzweg und Marienleben gipfelt in einem monumentalen Triptychon, dessen „Mittelflügel“ an der Altarwand die Golgota-Szene der Kreuzigung zeigt, flankiert von „Verkündigung“ und „Geburt Christi“ an den Chorschrägen.
       
      Den Raum geweitet
      In der Konzeption seiner Wandbilder löst sich Ewald von den Vorstellungen des Architekten, der eine flächige, dekorative Malerei gewünscht hatte, und versucht mit gestalterischen Mitteln die Dimensionen des Kirchenraumes zu weiten. Der Raum solle durch die Malerei in Länge und Breite um mehr als das Doppelte nach außen federn, schreibt er später. Daher übernimmt er für das Altarbild nicht die frontale Stellung der Kreuzigung des Isenheimer Altars, sondern stellt das Kreuz Christi schräg in den Raum. Auch greift er anders als Grünewald auf das traditionelle Personeninventar zurück. Dennoch wird deutlich, wie sehr Ewald sich immer wieder auf Grünewald bezieht. Auch er zeigt den Leichnam Jesu in erschreckenden Farben der Leichenstarre. Sein Kopf ist nach rechts auf die Brust gesunken. Die Hände sind um die Nagelwunden verkrampft. Die Muttergottes ist nach links umgesunken. Anders als bei Grünewald wird sie jedoch nicht vom Arm des Evangelisten Johannes gestützt, sondern lehnt in ohnmächtigem Schmerz am Kreuz des Schächers. Magdalena ist vor das Kreuz hingeworfen, ihre Hände krampfen im Kummer. Den Platz des Täufers auf dem Isenheimer Altar nimmt in Dettingen der gleichnamige Lieblingsjünger Jesu ein. Ihn kleidet Reinhold Ewald in leuchtendes Rot, von dem heute, 80 Jahre nach der Entstehung, nurmehr ein blasses Rosa übrig geblieben ist. Den Betrachtern von damals hingegen erschien Johannes wie eine „Flamme der Liebe“.
       
      Wenig beachtet wird ein kleiner Bach, der in Dettingen vom Kreuzestamm Jesu ausgeht. Auch auf dem Isenheimer Altar erkennt man einen Fluss im Hintergrund. „Aus seinem geöffneten Herzen entspringen die Sakramente“ heißt es in einer Präfation. Blut und Wasser, die aus dem Herzen Jesu strömen stehen für die Grundsakramente Taufe und Eucharistie. Weder Grünewald noch Ewald ist es daran gelegen, bloße Historienbilder zu malen. Beiden geht es um eine theologische Schau des Geschehens auf Golgota, das zu Füßen ihrer Bilder auf den Altären der Kirche immer neu gegenwärtig wird.
       
      Maria als Urbild der Kirche
      Sind es bei der Kreuzigungsdarstellung eher Details, die Ewald von Grünewald übernimmt, folgt er beim Verkündigungsbild über weite Strecken der Vorlage. Der Engel stürmt bewegend von rechts ins Bild. Er bricht ins Gemach Mariens, die vor der Heiligen Schrift in Betrachtung versunken ist. Auf das „Ave“ des Engels wendet sie scheu den Blick ab, die gefalteten Hände wirken unruhig. Den Hintergrund der Szene bildet ein Kirchenraum, aus dem himmlisches Licht eindringt. Den machtvollen Erzengel Grünewalds verwandelt Ewald in einen tänzelnden, selbstvergessenen Freudenboten, der der Jungfrau die Schwangerschaft ankündigt. Maria wendet den Blick ab, das Ohr aber der Botschaft zu, die ihr die Fleischwerdung des göttlichen Wortes prophezeit. Den gotischen Kirchenraum von Isenheim übersetzt Ewald in die Architektursprache seiner Zeit: Bögen und Pfeiler der Dettinger Kirche erscheinen auf seinem Bild und verdeutlichen, dass Maria das Urbild der Kirche ist, in der Gott stets aufs Neue Fleisch werden will.
       
      Der Isenheimer Altar war 1918/19 in München ausgestellt. Nach dem Grauen des großen Krieges, den Reinhold Ewald als Frontmaler in Frankreich durchlebt hatte, wirkte das dargestellte Leid auf viele Menschen tröstlich. Die Ausstellung damals hatte maßgeblich zur Bekanntheit des Werkes beigetragen. Schon vorher, aber vor allem in den Jahrzehnten danach war der Isenheimer Altar zu Recht als ein „Hauptwerk deutscher Kunst“ reklamiertworden .Anders jedoch erging es Reinhold Ewald, dessen Werke in vielen namhaften Museen Deutschlands gezeigt wurden. Sie wurden als entartet bezeichnet und entfernt. Die Dettinger Passion entging diesem Schicksal, weshalb in unserer Diözese eine einzigartige expressionistische Kirchenausmalung – im Lichte Grünewalds – zu sehen ist.