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      Was Martha Dorsch in der Küche des Würzburger Priesterseminars alles erlebt hat

      Dem Appetit fast immer standgehalten

      Schon beim ersten Telefonat korrigiert sie lachend den Anrufer. Ihre Arbeit sei kein „Job“ gewesen, nein, sie sei eine Berufung. Rasch wird klar, hier weiß eine, um die Bedeutung einer gut geführten Küche. Als Küchenleiterin des Priesterseminars ist Martha Dorsch vor kurzem in Ruhestand gegangen. In 40 Jahren hat sie mehrere Generationen späterer Priester versorgt, große Feste mitgestaltet, aber auch erlebt, wie es im Haus immer ruhiger wurde. Die Priesterausbildung erfolgt seit 2021 in München. Seither wird die Großküche nur noch dazu genutzt, Veranstaltungen zu bewirten.

      Als Martha Dorsch 1981 anfing, war der Betrieb zwischen Küche und Speisesaal noch streng aufgeteilt. An den Kochtöpfen die damalige Leiterin Mechthilde Breitschwert, die erste weltliche Küchenchefin, Martha Dorsch und weiteres Personal; im Speisesaal die Schwestern. Zwischen den Seminaristen und Küchenkräften schien eine unsichtbare Trennlinie gezogen, die mit der Essensausgabe zusammenfiel. Die Seminaristen mussten dort ihr Essen abholen und später auch zurückstellen.

      Zutritt zur Küche verboten

      „Es war alles viel hierarchi­scher“, erinnert sich Martha Dorsch. Es sei streng darauf geachtet worden, dass keiner der jungen Priesteramtskandidaten die Küche betrat. Erst später habe sich das gelockert. Es sei dann auch schon mal vorgekommen, dass einer von ihnen sein Essen direkt am Kochtopf abgeholt habe. Dies ist heute wieder undenkbar. Die strengen Hygienevorschriften für eine Großküche lassen das nicht mehr zu.

      Zur Arbeit gehörte ein regelmäßiger Tagesablauf. Gegen 6 Uhr Arbeitsbeginn, 7.30 Uhr Frühstück, ab 12.15 das Mittagessen und ab 16 Uhr der Nachmittagskaffee – für viele der kulinarische Höhepunkt des Tages: Es gab ausschließlich selbstgemachte Kuchen, meist von der Küchenchefin.

      Am beliebtesten und immer von den Seminaristen gewünscht war keines ihrer Rezepte, sondern das ihrer Mutter, ein „Kasblootz“, wie er im Ochsenfurter Gau geschätzt wird. Es sei jedoch nicht ganz einfach gewesen, ihn in eine Rezeptform zu bringen. Ihre Mutter habe nach Gefühl gebacken, ein Hand davon, eine Prise hiervon und fertig war der Kuchen. „Das kann man in einer Großküche natürlich so nicht machen.“ Erst nach ausgiebigem Experimentieren in der heimischen Küche sei es ihr gelungen. Überhaupt spielte die Dorsch’sche Privatküche eine entscheidende Rolle bei der Versorgung der angehenden Priester.

      Umbau und Modernisierung

      Lange gehörten auch die Wochenenden zu den Arbeitszeiten, um den Studenten Zeit für ihre Seminararbeiten zu geben. Dies änderte sich erst 1997, als die Küche für drei Jahre in den „Borgias-Bau“ am Professorium umzog. Die alte Küche wurde umgebaut und modernisiert. Dem genau berechneten Küchenplan ihres Mannes sei es zu verdanken gewesen, dass die altbewährte Küche mit umziehen konnte. Er habe auch dafür gesorgt, dass es stets ausreichend große Holztabletts gegeben habe, um bei den verschiedensten Anlässen die bis zu 300 Schnittchen ansprechend zu präsentieren. Er habe sie selbst aus den Resten des Spülenausschnitts von Küchenarbeitsplatten konstruiert.

      Für Martha Dorsch waren diese Jahre die schönste Zeit. Es gab Betrieb und doch wirkte alles klein, familiär und heimelig. Hinzu kam eine Vielzahl an Empfängen in der Aula oder im Hof des Seminars, Sommerfeste oder eine Großfeier wie das Seminarjubiläum von 1989, mit mindestens 300 Gästen und Kardinal Joseph Ratzinger. Auch dies war eine Herausforderung für das gesamte Team und doch: „Das waren die schönsten Einsätze.“

      Komplett freie Hand

      Es habe der Küche keiner vorgeschrieben, was zu tun sei. Sie habe komplett freie Hand gehabt. Das Team habe wie ein „Mosaik“ funktioniert. Sie hätten sich gegenseitig ergänzt, sei es beim Ausprobieren neuer Rezepte oder dem Finden neuer Ideen.

      Wichtig waren die Schwestern, die, so lange sie konnten, einsprangen, wenn „Not am Mann“ war. Dorsch spricht noch immer von „meinen Schwestern“. Der Betrieb lief reibungslos, erinnert sie sich. Zumindest meistens, wie sie nach einigem Zögern ergänzt: Einmal gab es Kartäuserklöße mit Paprika, Pfeffer und Salz statt mit Zimt-Zucker.

      Nur einmal sei es passiert, versichert sie, dass die Küche nicht mit dem Appetit ihrer Gäste mithalten konnte. „Die hatten es aber auch schon angekündigt, dass sie die Küche an ihre Grenzen bringen wollten“, verteidigt sie sich. Gelungen war dies einem Priesterbesuch samt Bischof aus Graz, erinnert sie sich lachend. Überhaupt das Lachen – Spaß gehört für Martha Dorsch zur Arbeit und so war sie auch in der Küche des Priesterseminars immer für ­einen Scherz gut. Wie würde etwa Regens Monsignore Herbert Baumann auf ein aus Grießbrei gebackenes Osterlamm reagieren?

      Das Herz des Hauses

      Martha Dorsch weiß, was eine gute Küche vermag. Einmal kam „Herr Regens“, damals Gerhard Weber, darauf, dass das „Herz des Hauses" die Kapelle sei. Worauf die Küchenchefin konterte, dass das Herz eines Hauses die Küche sei. Erst eine gute Küche sorge schließlich für die nötige Stimmung, um sich auf andere Dinge einlassen zu können.

      Ein Stück weit wirkte die Küche sogar erzieherisch. So sei es immer mal wieder passiert, dass einer der jungen Kandidaten, soeben zurück von der Universität, achtlos die Jacke über den Stuhl hängte, statt in die Garderobe, oder gar die Tasche auf den Tisch schmiss. Eine Rüge war ihnen sicher, quittiert mit dem Spruch „Oh, meine Buwwe“. Auch über Sorgen wurde gesprochen, manchmal auch bei einer gemeinsamen Tasse Kaffee. Das Daumendrücken vor Prüfungen, Mut zusprechen und ein beherztes In-die-Arme-Nehmen, wenn es geschafft war, gehörten auch dazu.

      Nur noch eine Handvoll

      Und doch: Im Speisesaal wurde es immer ruhiger: Nicht nur die Schwestern wurden weniger. Auch die Kandidaten. Als sie anfing, waren etwa 80 junge Männer zu versorgen, am Ende waren es nur noch eine Handvoll Seminaristen. Auch für Dorsch eine schwierige Zeit: „Es hat mir unheimlich Spaß gemacht, mit den jungen Menschen zusammenzuarbeiten“, erzählt sie. Veranstaltungen oder Kurse boten einen gewissen Ausgleich. Die Seminaristen fehlten jedoch.

      Kann sie sich vorstellen, dass einst junge Frauen im Priesterseminar für das Diakonat oder gar als Priesterinnen ausgebildet werden? „Na klar, warum nicht?“, muss sie nicht lange überlegen. Dass es dazu in absehbarer Zeit kommt, glaubt sie jedoch nicht.

      Christian Ammon