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      Im Hospiz: Leben bis zuletzt und in Frieden gehen dürfen

      Das Sterben annehmen

      Nur eines ist sicher: der Tod. So sagt es der Volksmund. Und dennoch fällt es vielen Menschen schwer, sich mit dem eigenen Sterben zu beschäftigen. Im Hospiz leben Menschen, die wissen, dass ihr Lebensende nahe ist. Ungefragt werden sie mit ihrem eigenen Sterben konfrontiert.

      „Na ob ich hier auf den Tod warte oder dort.“ Frau R. sagt dies in aller Ruhe. Sie ist zu diesem Zeitpunkt seit neun Wochen Gast im Juliusspital Hospiz Würzburg. Namentlich genannt werden möchte sie nicht. Zunächst habe sie gar nicht realisiert, dass sie vom Krankenhaus nicht mehr nach Hause komme und nun bald sterben werde. Der Grund dafür: eine Tumorerkrankung.

      Jeder zweite will jedoch zu Hause sterben. Das ergab 2022 eine repräsentative Studie des Deutschen Hospiz- und Palliativverbands (DHPV). Gleichzeitig gab nur ein Drittel der Befragten an, nahestehende Menschen seien zu Hause verstorben. Meistens starben die Menschen in Krankenhäusern, Heimen oder Einrichtungen wie dem Hospiz. Die Mediziner Dr. Burkhard Dasch vom Universitätsklinikum Münster, und Professor Dr. Peter Zahn, Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil Bochum untersuchten die Entwicklung der Sterbeorte in den Jahren 2001, 2011 und 2017. Demnach sterben immer mehr Menschen im Hospiz oder einer palliativen Einrichtung. Zu ihnen gehört auch Frau R.

      Gut versorgt sein

      Sie hat Magenkrebs. Ein Darmverschluss hat sie in höchster Not zuerst ins Krankenhaus und anschließend ins Hospiz gebracht. Doch Wut oder Angst merkt man ihr nicht an. „Wenn nur die Brecherei ab und an nicht wäre, wäre alles gut.“ Das Hospiz bemüht sich, wenn notwendig, mit Hilfe eines Bedarfmedikamentes die Beschwerden zu lindern. Die meisten Tage braucht es nicht einmal das.

      Sie sei bereits glücklich gewesen, sagt Frau R., als sie von der regulären Station im Krankenhaus auf die Palliativstation verlegt wurde. Die meisten Menschen verbinden Palliativstationen nicht unbedingt mit Glück. Bei ihr ist das anders. „Wenn Menschen um mich sind und ich versorgt bin, dann geht es mir doch gut“, erklärt sie. Und versorgt wird sie im Hospiz.

      Sibylla Baumann kennt die Vorzüge eines Hospizes. Sie ist die Leiterin des Juliusspital Hospiz Würzburg. „Ich würde auch lieber erstmal daheim bleiben“, gesteht sie. Aber durch die Hilfe des Hospizes hätten die Angehörigen mehr Ruhe und weniger Druck. Sie müssten sich nicht mehr um jeden Antrag selbst kümmern und sie könnten nachts in Ruhe schlafen, ohne wachsam sein zu müssen, ob ihre Hilfe gebraucht wird. So lasse sich die Zeit mit dem sterbenden Familienmitglied besser nutzen.

      Gäste, so werden die Bewohner genannt, erhalten im Hospiz je ein Einzelzimmer mit Terrasse. Ehrenamtliche gehen mit den Gästen soweit möglich auch mal raus. „Wir versuchen uns dem Alltag der Gäste anzupassen“, sagt Baumann. Sie seien für nahezu jeden Spaß zu haben, sofern es machbar sei.

      Große Familie

      Gerade zu Beginn im Hospiz habe Frau R. häufig Besuch aus der Familie gehabt, erzählt sie selbst. Sie hat elf Geschwister. Zusammen mit zahlreichen Nichten und Neffen ist die Familie groß und gerade die Familie ist ihr wichtig.

      Sie selbst ist das drittälteste Kind und die älteste Tochter. Schon früh musste sie Verantwortung übernehmen, hat die kleinen Geschwister mit großgezogen. So wie das damals eben war. Damals, das ist vor allem die Kriegs- und Nachkriegszeit. Die Seniorin ist 1935 geboren, in wenigen Wochen würde sie 87 Jahre alt werden. „Wenn Gott will. Aber das wird wohl nicht sein.“

      Mit 21 hat sie geheiratet und lebte fortan mit ihrem Mann auf einem Bauernhof in Lülsfeld. Dort lebte sie auch nach dem Tod ihres Mannes vor neun Jahren weiter und hat sich bis zuletzt vor allem um den Garten gekümmert. Der Garten war ihr Hobby. Außerdem singt sie gerne. Vor allem alte Volkslieder. Das habe sie von ihrer Mutter, die habe gut und gerne gesungen. Ein weiteres Hobby ist das Stricken. Das ist ihr geblieben. Auf dem Tisch vor ihr liegen angefangene Socken. Natürlich für die Familie.

      Dankbar und gelassen

      Gerne erzählt sie von ihrer Familie. Von den Nichten und Neffen. Von gemeinsamen Unternehmungen. Wenige Wochen zuvor sei sie mit einem Teil der Familie zum Würzburger Käppele hochgefahren, erzählt Frau R. „Da hat sich noch mal ein Wunsch erfüllt.“ Man merkt ihr die Dankbarkeit an. Überhaupt strahlt sie eine gelassene Zufriedenheit aus. Sterben muss nicht der aussichtslose Todeskampf sein.

      Was jedoch „gutes Sterben“ sei, sei individuell, wenngleich es einen Kern gebe, auf den sich viele Menschen einigen könnten, so Sibylla Baumann. Eine Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach aus dem Jahr 2019 bestätigt das. Für 90 Prozent der Befragten ist gutes Sterben damit verbunden, keine Schmerzen ertragen müssen. Und rund Dreiviertel gaben an, medizinisch gut versorgt und nicht alleine sein zu wollen.

      Frau R. sei es immer wichtig gewesen, Dinge anzunehmen, wie sie nun mal sind. Auch wenn es nicht so ist, wie sie sich selbst es wünscht. „Verbittert zu sein, das bringt doch nichts“, sagt sie. Das versucht sie auch anderen zu vermitteln. Einer ihrer Schwestern, die sich um sie sorgt, habe sie mal gesagt: „Reg dich doch nicht so auf. Irgendwann gehen wir alle mal. Das Leben geht weiter.“ Nur nicht für sie, möchte man traurig hinzufügen. Doch für Frau R. ist das kein Grund zur Angst. Die habe sie nicht. Nur Sorge, dass das Sterben zu lange dauere.

      Festes Gottvertrauen

      Dass sie so geduldig mit dem Ende ihres Lebens umgehen kann, führt sie auf ihren christlichen Glauben zurück. „Gott ist immer da“, ist sie überzeugt. Sie sei eine Marienverehrerin. Vor allem an die beiden Lourdesfahrten denkt sie nun im Rückblick auf ihr Leben gerne zurück. Gott erfülle nicht jeden Wunsch und schon gar nicht sofort, aber mit ihm gehe alles seinen Weg. Nach einem Warum habe sie nie gefragt. Ob sie sich nicht wenigstens mal kurz mit Gott gestritten habe, warum sie so krank sein muss. „Nein.“ Damit ist alles gesagt.

      In dem Hospiz, in dem sie nun lebt, fühlt sie sich wohl. „Ich fühle mich so angenommen.“ Alle Menschen seien freundlich, die Atmosphäre familiär. Das ist das Ziel des Hospizes. So ist auf der Homepage zu lesen: „Wir schaffen eine häusliche und private Wohnatmosphäre, die Geborgenheit und Sicherheit vermittelt.“ Cicely Saunders, Begründerin der modernen Hospizbewegung, soll gesagt haben: „Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben.“ Das Zitat ist zum Leitsatz der Hospize geworden.

      Lebensbejahend

      Natürlich gehe es im Hospiz auch darum, Symptome zu lindern, sagt Sibylla Baumann. „Da können wir nett sein, wie wir wollen. Wenn wir Symptome nicht kontrollieren können, wird es ungemütlich.” Aber darüber hinaus gebe es eine größere Lebendigkeit als etwa in Krankenhäusern. Wenn Haustiere zu Besuch kommen, oder Familien gemeinsam im Garten grillen. Außerdem werden diejenigen nicht vergessen, die ihr Zimmer nicht mehr verlassen können. Wenn etwa zu Mariä Himmelfahrt Kräutersäckchen gebastelt werden, bekommen auch diejenigen eines, die nicht mitmachen konnten.

      Für Baumann ist es ein Geschenk, sensibilisiert zu werden für Dinge, die man als gesunder Mensch kaum wahrnimmt. Etwa munteres Vogelgezwitscher im Ohr, leichten Sommerwind im Haar oder wärmende Sonnenstrahlen auf der Haut.

      Man merke den Angestellten an, dass sie nicht nur ihren Job erledigen, sondern mit Herz dabei seien, meint Frau R. „Ich kann es bloß jedem empfehlen“, wirbt sie, als ginge es um die nächste Urlaubsreise. „Ich hätte nie gedacht, dass ich mal so bedient werde.“ Nachdem sie früh im Leben schon viel Verantwortung für ihre Geschwister übernommen hat und im Leben oft für andere da war, darf das nun so sein, ist sie überzeugt. Sie nimmt es an, wie fast alles in ihrem Leben. Dann muss sie weiter. Gleich beginnt die Singstunde. Gesungen werden alte Volkslieder. Die mag sie gerne. Wer weiß, wie oft sie die Lieder noch singen kann.

      Alexandra Thätner

      Frau R. ist noch vor Erscheinen des Artikels verstorben.