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      Von Prof. Stephan Ernst

      Christliche Ethik – was ist das?

      Von Prof. Stephan Ernst
      Ethik hat heute Konjunktur. Immer öfter wird der Ruf nach Ethik laut, etwa angesichts der Möglichkeiten, die sich in der Biomedizin heute abzeichnen. Ethikkommissionen werden gebildet, die die Grenzen des Verantwortbaren und Humanen in der Anwendung der Technik abstecken sollen. Ebenso wird der Ruf nach Ethik laut, wo Menschen dem gnadenlosen Gesetz der Wirtschaft und des Gewinns unterworfen werden. In den Schulen tritt der Ethikunterricht mehr und mehr in Konkurrenz zum Fach Religion. Doch, was ist mit „Ethik“ eigentlich gemeint? Was ist ihre Aufgabe, was kann sie leisten? Und was ist christliche Ethik? In einer Serie im Würzburger katholischen Sonntagsblatt stellt Prof. Stephan Ernst, Inhaber des Lehrstuhls für Moraltheologie an der Universität Würzburg, zentrale Begriffe christlicher Ethik vor. Im einleitenden Artikel erläutert er den Begriff „christliche Ethik“.
       
      Dass heute angesichts der rasanten Entwicklung der Technik so viel von Ethik die Rede ist, gibt schon einen Hinweis darauf, was mit diesem Wort gemeint ist. Ethik ist immer dann gefragt, wenn die gängigen alltäglichen Moralvorstellungen in einer Gesellschaft nicht mehr ausreichen. Was wir tun sollen, was richtig und gut, verantwortlich und menschlich ist, ist normalerweise in unserem Alltag geregelt. Es ist uns durch Erziehung, durch überlieferte gesellschaftliche Regeln, hinter denen lange Erfahrung von Menschen steht (das „Ethos“), aber auch von unserem eigenen Gefühl her meist klar. Immer wieder aber entstehen – etwa durch den technischen Fortschritt oder durch neue Entwicklungen in der Struktur der Gesellschaft – Fragen, die sich mit unseren bisherigen moralischen Überzeugungen nicht mehr eindeutig beantworten lassen. Verschiedene moralische Überzeugungen treffen vielmehr unversöhnlich aufeinander. Wir erleben das derzeit etwa in der Frage, ob wir Stammzellforschung, ob wir Präimplantationsdiagnostik, ob wir aktive Sterbehilfe zulassen sollten oder nicht.
       
      Wissenschaft vom richtigen Handeln
      In solchen Situationen, in denen moralische Überzeugungen gegeneinander stehen, ist Ethik gefragt. Sie versucht dann, die genauen Gründe und Argumente für die unterschiedlichen Auffassungen in den Blick zu nehmen und untersucht deren Überzeugungskraft. Sie lässt verschiedene widersprüchliche Auffassungen nicht einfach stehen, sondern fragt nach ihrer Gültigkeit und Wahrheit. Ursprünglich ist Ethik ja eine Wissenschaft, die Wissenschaft nämlich vom richtigen und verantwortlichen Handeln. Sie versucht Orientierung für unser Handeln zu erarbeiten, wenn bisher gültige Regeln und Überzeugungen versagen oder fragwürdig geworden sind. Sie fragt nach dem, was wahrhaft humanes Handeln ist, welche Entscheidungen dem Menschen wirklich dienen, was sein Leben letztlich glücken lässt.
       
      Vernünftige Argumente entscheidend
      Ethik ist eine Wissenschaft, die ursprünglich in die Philosophie gehört. Und auch heute geht es der Ethik darum, sich auf vernünftige Argumente unabhängig von allen weltanschaulichen Vorgaben zu stützen. Nur so kann sie in einer pluralistischen Gesellschaft wirklich Gehör finden und Einfluss auf politische Entscheidungen haben. Allerdings gibt es auch eine Tradition christlicher Ethik, einer Ethik also, die versucht, Orientierung im Handeln in der Sicht des christlichen Glaubens zu gewinnen. Doch steht sie damit nicht von vornherein unter Ideologieverdacht? Geht sie nicht von Voraussetzungen und Annahmen aus, die heute – im Unterschied etwa zum Mittelalter – keineswegs mehr alle Mitglieder unserer Gesellschaft teilen? Ist die Konsequenz nicht, dass die christliche Ethik ein Sonderethos behandelt, das keine Allgemeinverbindlichkeit mehr beanspruchen kann? Dies scheint aber dem Anspruch des Evangeliums zu widersprechen, eine Botschaft für alle Menschen zu sein und allen Menschen das letzte Wort über die Wirklichkeit dieser Welt mitzuteilen.
       
      Ein weitgehend angstfreier Blick
      Angesichts dieser Schwierigkeiten wird christliche Ethik, wenn es um Fragen konkreter Entscheidungen geht, versuchen, ihre Position mit den Mitteln vernünftiger und allgemein nachvollziehbarer Argumente zu begründen. Dies entspricht der immer schon in der christlichen Tradition beheimateten Lehre vom Naturrecht oder vom sittlichen Naturgesetz. Ethische Normen – dies ist der Sinn dieser Lehre – sind nicht unmittelbar aus der Offenbarung abzuleiten. Sie sind aber auch nicht einfach menschliche Festsetzungen, sondern werden mit Hilfe menschlicher Vernunft und Erfahrung im Umgang mit der Natur gewonnen. Worin aber besteht die Bedeutung des christlichen Glaubens für das ethische Urteilen und Handeln? Zum einen kann der Glaube dazu führen, dass Menschen einen weitgehend angstfreien und objektiven Blick auf die Wirklichkeit gewinnen. Zum anderen kann er Menschen motivieren, das, was sie als richtig und verantwortlich erkannt haben, auch tatsächlich zu tun und sich nicht von Angst oder Bequemlichkeit abhalten zu lassen. In den kommenden Monaten soll diese Sicht der christlichen Ethik weiter entfaltet werden.