Hinweis

Ihre Browserversion wird leider nicht mehr unterstüzt. Dies kann dazu führen, dass Webseiten nicht mehr fehlerfrei dargestellt werden und stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Wir empfehlen Ihnen, Ihren Browser zu aktualisieren oder einen der folgenden Browser zu verwenden:

Krokusse

Ihr katholisches Magazin – ab Ostern 2024

Lernen Sie das Sonntagsblatt kennen – kostenlos und unverbindlich

    Lernen Sie das Sonntagsblatt kennen – kostenlos und unverbindlich

      Mehr
      Interview mit dem Bibelwissenschaftler Bernhard Heininger über das Buch der Bücher

      „Bibelauslegung ist Leidenschaft“

      Interview mit dem Bibelwissenschaftler Bernhard Heininger über das Buch der Bücher
      Würzburg. Als Bibelwissenschaftler des Neuen Testaments ist Professor Bernhard Heininger von der Universität Würzburg ein Spezialist in Sachen Bibel. Mit dem Würzburger katholischen Sonntagsblatt sprach er über seine persönlichen Bibel-Erfahrungen als Kind wie auch als Erwachsener, über mögliche Zugänge zu den biblischen Texten und über die Chance für Kirche und Theologie, aus der eigenen Geschichte zu lernen.
       
      Als Lehrstuhlinhaber für Exegese des Neuen Testaments beschäftigen Sie sich ständig mit der Bibel. Können Sie sich noch daran erinnern, wie Sie das erste Mal bewusst mit ihr zu tun hatten?
      Als kleiner Junge fiel mir die Bibel meines Onkels in die Hände. Ich habe darin fast jeden Tag gelesen. Damals haben mich die Bilder und Erzählungen fasziniert, vor allem das Alte Testament fand ich spannend. Manchmal hatte ich auch ein bisschen Angst, wenn es für das Volk Israel mal wieder kritisch wurde.
       
      Was bedeutet die Bibel heute für Sie?
      Als Exeget habe ich mich „professionell“ mit den Schriften des Neuen Testaments auseinander zu setzen. Das beinhaltet auch die Beschäftigung mit dem Judentum zur Zeit Jesu, mit griechischer und römischer Religion. Das alles würde ich allerdings nicht tun, wenn es mir keinen Spaß machen würde. Bibelauslegung bedeutet für mich Leidenschaft und die Chance, immer wieder etwas Neues zu entdecken. Dass es dabei zunehmend schwieriger wird, ohne jede „Absicht“ an den Bibeltext heran zu gehen, kann man sich denken. Dennoch versuche ich, mir den „unprofessionellen“ Zugang zur Bibel ein Stück weit zu bewahren, und nehme mir Zeit zur kontinuierlichen Bibellektüre. Für mich ist die Bibel das Buch, an dem ich am meisten hänge.
       
      Damit das mehr Menschen von sich sagen, haben die christlichen Kirchen das Jahr 2003 zum Jahr der Bibel erklärt. Hat die Heilige Schrift angesichts der enormen Verkaufszahlen Werbung überhaupt nötig?
      Das denke ich schon. Es gehört zwar noch immer zum Standard, eine Bibel im Bücherschrank zu haben, aber sie bräuchte mehr Leserinnen und Leser. Es gibt leider eine hohe Diskrepanz zwischen der Anzahl der verkauften Exemplare und der Zahl der Bibeln, die tatsächlich gelesen werden.
       
      Was daran liegt, ...
      ... dass es offenbar eine relativ große Scheu bei Menschen ohne biblische oder theologische Vorkenntnisse gibt, in das Buch hinein zu schauen. Und man muss ja auch zugeben: Nicht alles erschließt sich auf den ersten Blick, manches bleibt sogar völlig unverständlich. Deshalb braucht man hin und wieder eine gewisse Anleitung ...
       
      ... die man sich am besten in einer Ihrer Vorlesungen an der Universität holt?
      Nein, das meine ich nicht. Aber wer sich intensiver mit der Bibel beschäftigen will, benötigt ab und zu ein Lexikon oder einen kleinen Kommentar. Die Texte sind nun einmal nicht von heute, gestern oder vorgestern. Sie sind 2000 Jahre alt und vielfach noch älter. Dieser zeitliche Abstand kann zu Barrieren im Verständnis führen.
      Wo liegt dann der Bezug der Bibel zur Gegenwart?
      Die Bibel ist nicht nur ein Geschichts-, sondern auch ein Lebensbuch. Ob nun Liebe oder Hass, Geburt oder Tod, Krankheit und Heilung, all das, was uns Menschen ein Leben lang beschäftigt, finden wir in den biblischen Texten verarbeitet. Ob man sich von ihnen ansprechen und helfen lässt, hängt von der Offenheit des jeweiligen Lesers ab.
       
      Sie haben Liebe, Tod und auch Hass aufgezählt. Gibt es denn irgendetwas, das es in der Bibel nicht gibt?
      Das hängt sicherlich davon ab, welche Ansprüche man an die Texte stellt. Natürlich finden sich keine direkten Antworten auf Fragen zur Stammzellen-Diskussion, zum genetischen Klonen oder anderen Problemen der Moderne. Auch wenn einige von uns dies vielleicht möchten: Man kann mit der Bibel in der Hand nicht einfach Politik machen. Die Bibel ist eher ein Buch, das Orientierung gibt, im besten Fall auch einen festen Stand vermittelt, um mit schwierigen Lebenssituationen besser fertig zu werden.
       
      Soweit die speziellen Fragen und die entsprechenden Antworten der Bibel. Doch zu den allgemeinen Fragen ...
      .... wird jede Zeit ihre eigene Lösung finden müssen. Im Grunde genommen beschäftigen Menschen doch immer die selben Fragen: Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Wer sind wir? Juden und Christen finden die Antwort darauf in der Bibel, die für sie ja mehr ist als nur ein Buch. Die Bibel ist für sie das Buch, das alle letzten Fragen endgültig beantwortet. Theologen nennen das Offenbarung. Aber das muss jede Generation neu für sich entdecken.
       
      Die Methode der heutigen Theologie ist stark historisch orientiert. Sind denn die historischen Tatsachen und Ursprünge angesichts der langen Wirkungsgeschichte der Bibel nicht eher zweitrangig?
      Für die Theologie im Speziellen und die Kirche im Allgemeinen ist es wichtig zu wissen, wo sie herkommen, wie sie gewachsen sind und was in der Geschichte schief gelaufen ist. Momentan muss sich die Kirche in unserer pluralen Gesellschaft neu orientieren, und es ist nicht verkehrt, dafür auf die Ursprünge zu schauen. Schließlich hat sich das Christentum vor langer Zeit innerhalb einer Vielfalt von Religionen durchgesetzt. Wir möchten heraus finden, wie das abgelaufen ist, um aus der Geschichte zu lernen.
       
      Können Sie sich vorstellen, dass die Bibel für die Menschen irgendwann einmal keine Rolle mehr spielen wird?
      Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Zwar lässt das Wissen um die christliche und damit auch biblische Prägung der abendländischen Kultur immer mehr nach, da bin ich Realist. Und der Einfluss der Kirchen und damit auch der Theologie wird vermutlich noch weiter schwinden. Andererseits weht der Geist Gottes, wo er will, und die Bibel ist bekanntlich voll davon. Insofern ist mir nicht bange um die Bibel. Das Buch der Bücher hat sicherlich ein Potenzial, das wir auch nicht ansatzweise erfassen können.
      Martina Schäfer