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Krokusse

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      Beseeltes Holz

      Schon sind Details zu erkennen, der verklärte Gesichtsausdruck des Engels. „Im Prinzip ist es ganz einfach“, erklärt die Holzschnitzerin schmunzelnd: „Der Engel ist ja schon drin, in dem Holzblock, ich schneide nur das überflüssige Holz weg ... „
      Kunstfertig, jetzt mit einem feinen Messerchen und viel Liebe zum Detail, kerbt ihre geübte Hand das Antlitz des Himmelsboten aus dem Holz. Schon wirkt er lebendig, hat seine eigene Persönlichkeit. Eine ganze Woche benötigt Ingrid Thaler in ihrem Atelier in Treze Tílias, um mit Geduld und Bedacht aus einem Araukarien(Brasilkiefer)-Holzblock eine ihrer Figuren entstehen zu lassen, die dann zu Weihnachten bei der Krippe steht. Für die grobe Kontur kommt erst mal die Motorkettensäge zum Einsatz; aber anschließend sind dann das Augenmaß und die Hand der Künstlerin gefordert.   Ingrids Urgroßvater, Andreas Thaler aus Oberau/Wildschönau im Tirol, hätte es wohl einfacher haben können im Leben: Er war in Österreich Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft und ein angesehener Politiker. Aber die Not und die wirtschaftliche Ausweglosigkeit vieler Tiroler Bauern in den 20er und 30er Jahren des letzten Jahrhunderts gingen ihm zu Herzen und ließen ihn nicht ruhen. Nach eingehenden Prüfungen vor Ort hatte er den Entschluss gefasst, eine geschlossene katholische Siedlung im Süden Brasiliens entstehen zu lassen. Im September 1933 reiste er zusammen mit einer großen Gruppe Tiroler Bauern samt ihren Familien auf dem Schiff über den Atlantik in das fremde, ferne Land. Insgesamt wurde für mehrere hundert Menschen eine neue Existenz geschaffen.    Mehr als einen Monat dauerte die Reise. Mit von der Partie war auch der Sohn des Auswanderer-Pioniers, Andrä Thaler. In seinem Gepäck hatte dieser sein Holz- und Schnitzwerkzeug dabei. Nachdem ein paar Anfangsschwierigkeiten überwunden waren, entstanden in rascher Folge die Holzhäuser der Siedlung. „Dreizehnlinden“ nannten die Auswanderer ihr neues Zuhause. Schon in den ersten Monaten konnten die Schule und die Kirche errichtet werden. Und zur Feier der ersten Weihnachtsmesse in der neuen Kolonie stand bereits eine von Thalers geschnitzte Krippe in der Kirche. Bei einer Überschwemmung 1939 kam Andreas Thaler unter nicht ganz geklärten Umständen ums Leben. Der zweite Sohn des Schnitzers Andrä, Gottfried (in der neuen Heimat Godofredo genannt) wurde dann zum in ganz Brasilien berühmten Holzbildhauer.   Die Leidenschaft lag in den Genen Und dessen Tochter ist nun Ingrid Thaler, 1976 in Dreizehnlinden geboren, in Treze Tílias, wie das Dorf heute auf Portugiesisch heißt. Seit Kindsbeinen war ihr liebster Platz im Atelier des Vaters – und seine Werkzeuge ihr Lieblingsspielzeug. Sehr früh schon konnte sie mit Meißel, Stichel und Messer umgehen, schnitzte aus Abfall-Holzklötzen erste Figuren. Im Alter von elf Jahren sah sie sich bereits als offizielle Auszubildende bei ihrem Vater. Sie lernte während sieben Jahren in dessen Atelier – und studierte dann Kunstgeschichte und Bildhauerei in Florianópolis, Santa Catarina. Dank eines Stipendiums der Regierung konnte sie ihre Technik in den Bergen der Vorfahren in Europa perfektionieren: In den Jahren 1995 und 1996 verfeinerte sie ihre Holzschnitzkunst in der Schnitzschule in Sankt Jakob im Ahrntal. Apropos „dem Holz Leben einhauchen“: Ingrid Thaler erinnert sich noch lebhaft an diese Zeit in der Holzschnitzschule. Die Lehrer waren nicht nur studierte Künstler von der Fachschule, sondern auch ältere Bauern, die sich mit Holzkerben von Fastnachts-Masken und Fratzengesichtern ein Zubrot verdienten. Thaler sieht den „Motzile Bauern“ von da oben noch immer vor sich, mit Namen Hermann Reichegger. Grimmig und überzeugend habe er geschildert, wie ihm doch beim Schnitzer der Teufel höchstpersönlich erschienen sei. Und seit diesem Zeitpunkt wusste er natürlich ganz genau, wie eine teuflische Fratzenmaske auszusehen hatte …   Ein bisschen Tirol in den Subtropen Dreizehnlinden (Treze Tílias) ist heute ein beliebtes Ziel für Touristen. Von überall her kommen sie, um das „Tiroler Dorf“ im subtropischen Brasilien zu besuchen. Die meisten Häuser wurden im Tiroler Bergbauernstil erstellt und haben farbenprächtigen Blumenschmuck vor den Fenstern. Es kann zwar auch mal schneien, in dem 800 Meter hoch in den Sankt-Caterina-Bergen gelegenen Ort; dies aber eher im Juli – dann ist dort Winter.    Wer nun in Treze Tílias die Holzbildhauerei Thaler sucht, hat es nicht ganz einfach. Denn es gibt mehr von ihnen, als man an einer Hand abzählen könnte. Thalers jüngere Schwester Ellen ist ebenfalls Holzbildhauerin da, ihre Onkel und Tanten ebenso, und die nächste Generation hat auch bereits ihre Ateliers und raspelt Figuren aus der Brasilkiefer. Denn Talent und ein Gespür fürs Holz haben Familientradition.   Karl Horat