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      Unterwegs mit der Würzburger Tafel

      „Bei uns soll jedem geholfen werden“

      Unterwegs mit der Würzburger Tafel
      Los geht’s um 10.57 Uhr bei Elektro-Albert in Grombühl. Ein älterer Mann mit Brille springt aus dem weißen Transporter, der im Hinterhof der Firma gerade gehalten hat. Ein paar Züge am Zigarillo und schon reißt er die Ladetür auf. Der Wagen ist fast voll gefüllt mit Backwaren, Obst und Gemüse. Seit acht Uhr ist Manfred Kraus (63), zweiter Vorsitzender der Würzburger Tafel, schon unterwegs und hat die Waren in sieben Supermärkten und Bäckereien im Raum Würzburg eingesammelt. Über eine Zeitungsannonce hatte der rüstige Rentner die Tafel-Idee kennen gelernt und wurde vor drei Jahren zu einem der Gründungsmitglieder der Würzburger Tafel. Marc Zanetti (36) kommt aus dem Gebäude der Firma Elektro-Albert, wo dem Tafel-Verein kostenlose Lagerräume zur Verfügung stehen. Der kräftige Mann, seit zwei Jahren Tafel-Helfer, hilft Kraus dabei, haltbare Lebensmittel, wie Mehl oder Soßenpulver, aus dem Lager in den Wagen zu räumen. Als Zanetti danach gerade in sein Wurstbrötchen beißen will, hat Kraus den Motor schon wieder angelassen. Schnell springt Zanetti in den Wagen und beide starten sofort zur Weiterfahrt.
       
      11.37 Uhr: Eine Bäckerei
      in der Gemeinde Kist

      In der Ladehalle stehen schon gefüllte Kästen zum Abholen bereit. Alles ist Ware vom Vortag, die nicht mehr verkauft wurde, aber noch in einwandfreiem Zustand ist. Dennoch beginnen Kraus und Zanetti jedes einzelne Stück zu prüfen. „Wir nehmen natürlich nur Waren mit, die wir selber essen würden“, erklärt Kraus. Der Missstand, dass gut erhaltene Lebensmittel auf dem Müll landen, während viele Menschen sie sich nicht leisten können, haben Kraus und Zanetti damals überzeugt, sich bei der Tafel zu engagieren. Wie bei dieser Bäckerei hatten sie bei vielen anderen Würzburger Unternehmen persönlich um Spenden nachgefragt. Einige größere Supermarktketten, aber auch Autohäuser oder Fernsehsender, unterstützen die Tafel-Vereine bundesweit.
       
      12.17 Uhr: Ein Mehrfamilienhaus in Höchberg
      „Was ist denn das?“ Der kleine Junge betrachtet skeptisch die Konservendose, die Zanetti ihm gerade in seinen Korb gelegt hat. „Beerencocktail“, liest der Frührentner ihm geduldig vor, „schmeckt super zu Griessbrei!“ Der persönliche Kontakt, der beim Verteilen der Lebensmittel zu den Menschen entsteht, ist Kraus und Zanetti besonders wichtig und motiviert sie. „Das ist der besondere Lohn unserer Arbeit“, meint Zanetti. „So können wir sehen, dass unsere Hilfe direkt bei den wirklich Bedürftigen ankommt“, ergänzt Kraus. Neben 15 sozialen Einrichtungen beliefert die Tafel rund 20 Privathaushalte im Raum Würzburg. „Wir sind kein Gratis-Essensdienst auf Rädern. Wir wollen es der sechs-köpfigen Familie oder der Witwe mit 300 Euro Rente monatlich nur ermöglichen, etwas Geld zu sparen, für Dinge, die sie sich sonst nicht leisten können“, erklärt Kraus. Zanetti fügt hinzu: „Im letzten Jahr konnte eine Familie so endlich mal wieder Weihnachtsgeschenke für ihre Kinder kaufen.“ Die Privatpersonen müssen allerdings einen Nachweis erbringen, dass sie bedürftig sind, zum Beispiel Sozialhilfe erhalten.
       
      12.50 Uhr: Mutter-Kind-
      Wohnungen, Zellerau

      Die Sozialarbeiterin Alexandra Mühlenbeck, die die Lebensmittel für die betreuten Frauen entgegen nimmt, hat eine Bitte an Kraus: „Ich habe früher in einem Asylantenheim in Würzburg gearbeitet, könnten sie da nicht vielleicht auch mal vorbeifahren?“ Viele Kontakte der Tafel entstehen auf Anfragen von Dritten. „Leider müssen wir immer häufiger sagen: es geht nicht mehr“, erklärt Kraus. Im Moment sind alle Transportmittel der Tafel ausgeschöpft. Von den dreißig Vereinsmitgliedern kann nur ein Drittel aktiv mitarbeiten. Es melden sich zwar immer wieder Freiwillige, die sich bei der Tafel engagieren wollen. Diese stehen aber meistens nur einmal die Woche, maximal drei Stunden zur Verfügung. „Aus logistischen Gründen ist das zu wenig,“ erklärt Kraus, weiß aber auch schon eine Lösung: „Ein eigener Tafelladen, also eine Verteilerstelle mitten in der Stadt, wo sich die Menschen die Lebensmittel selber abholen.“ Dort könnten Ehrenamtliche auch für nur wenige Stunden Arbeit eingesetzt werden. Außerdem entfielen die Anfahrtswege. „Dazu suchen wir aber noch jemanden, der uns die Miete erlässt oder spendet“, meint Kraus.
       
      13.17 Uhr: Notunterkünfte
      für Obdachlose, Zellerau

      Mit großem Hallo empfangen einige Hausbewohner der Notunterkunft für Obadachlose den Tafelwagen. „Am Anfang haben die Leute sich hier regelrecht um die Waren geprügelt“, erinnert sich ein Mitarbeiter der Stadt Würzburg in der Notunterkunft. „Oder es sind Leute in Limousinen vorbeigefahren und wollten Lebensmittel abholen.“ Deswegen habe das Ordnungsamt vor gut einem Jahr eingegriffen. Dreimal die Woche verteilen jetzt Mitarbeiter der Stadt die Lebensmittel von der Tafel an die Obdachlosen.
       
      13.40 Uhr: Spielzentrum (SPIELI) in der Zellerau
      Puddingmischungen und vor allem Gebäck gibt es für die Kinder im Spielzentrum. „Gerne würden wir auch frische Waren, wie Milchprodukte oder Fleisch verteilen“, erklärt Kraus. „Weil sie aber so schnell schlecht werden, ist der Transport in einem normalen Lieferwagen zu gefährlich.“ Deswegen wünscht sich der Verein auch ein Fahrzeug mit Kühlvorrichtung. Zur Zeit fehlen aber noch die Spender.
       
      14.04 Uhr: Bahnhofsmission
      Hauptbahnhof Würzburg

      Kaum hat der Wagen gehalten, stehen auch schon zwei Männer vor der Ladetür. „Du, wir wollten heute einen Salat machen, für zehn Leute! Habt ihr nicht was für uns?“, fragt einer von ihnen. Zanetti, der die Obdachlosen schon kennt, packt ihnen großzügig Gemüse ein. „Das reicht jetzt, sonst bleibt für die anderen nichts mehr“, ruft Kraus, als die Plastiktüten fast voll sind. „Soviel, wie wir an Waren gesammelt haben, soviel können wir dann natürlich auch nur an die Einzelnen verteilen“, erklärt er. Das sei eben jeden Tag unterschiedlich. Die Menschen, die die Tafel beliefert, können sich am Wagen aber selber etwas aussuchen. „Geier gibt es natürlich überall, aber das ist auch die Ausnahme“, bemerkt Kraus. „Mit denen reden wir dann eben mal, und dann ist es auch wieder in Ordnung!“, zeigt er sich überzeugt. Auch die Mitarbeiter der Bahnhofsmission haben schon auf Kraus und Zanetti gewartet. „Die Tafel ist für uns eine große Hilfe! Von dem was wir an Brot verteilen, machen die Spenden der Tafel mindestens 80 Prozent aus“, erzählt Daniela Glasstetter, Sozialpädagogin bei der Bahnhofsmission.
       
      14.35 Uhr: Wärmestube der
      Erlöserschwestern

      Thomas Güntner, der Koch der Einrichtung, läst sich persönlich blicken, um die Waren auszusuchen. Von den Erlöserschwestern werden die Lebensmittel nicht nur verteilt, sondern beim Zubereiten warmer Gerichte für Bedürftige verwendet. Mit diesem Stopp wurde die siebte Stelle im Raum Würzburg mit Lebensmitteln beliefert. Für den heutigen Tag stehen noch weitere vier Privat-Haushalte an, dann geht es noch zu den Notunterkünften in der Mainaustraße und zum Frauenhaus.
      Dreimal die Woche fährt Kraus eine solche Elf-Stunden-Tour von 100 Kilometern. „Das Benzin ist bei uns der größte Kostenfaktor“, erklärt Kraus. Deswegen sei der Tafel in ihrer momentanen Lage am ehesten durch eine Spende oder Vereinsbeitritt als Fördermitglied geholfen. Die Würzburger Tafel ist als mildtätiger Verein anerkannt, alle Mitglieder arbeiten ehrenamtlich. Unterstützung vom Staat, wie eine Kfz-Steuerbefreiung, Fehlanzeige! Oder einen öffentlichen Förderer, auch den gibt es nicht. „Wir wollen eigentlich auch unabhängig bleiben“, erklärt Kraus. „Bei uns soll jedem geholfen werden, egal welches Parteibuch er hat, oder welcher Konfession er angehört.“
       
      Tafeln in
      Deutschland

      Die Idee der Tafel-Vereine stammt aus den USA und wurde dort im Verein „New York City Harvest“ schon vor über 30 Jahren umgesetzt: Freiwillige sammeln Getränke und Lebensmittel, die in Supermärkten, Bäckereien oder Großmarkthallen nicht verkauft wurden, und verteilen sie an soziale Einrichtungen oder direkt an Bedürftige. 1993 wurde der erste Tafelverein Deutschlands in Berlin gegründet.
      Mittlerweile gibt es bundesweit in 310 Städten Tafelvereine mit insgesamt rund 15 000 ehrenamtlichen Mitarbeitern. Täglich sammeln sie nach eigenen Angaben über 150 000 Kilo Lebensmittel und verteilen sie an rund 180 000 Menschen.
      Informationen bei der Würzburger Tafel unter der Telefonnummer: 09 31/27 26 04 oder 01 73/29 17 641.