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      25 Jahre hat sich Marianne Grave für die Partnerschaft Lengfeld-Pacoti und die Menschen im Norden Brasiliens eingesetzt

      Aufhören war nie eine Option

      Ein lachendes Mädchen mit frechen Lockenzöpfen, eine baufällige Hütte unter Palmen, ein strahlender Teenager bei der Erstkommunion. Das sind nur drei Motive des Pacoti-Kalenders, den Marianne Grave jedes Jahr zusammenstellt. Vor 25 Jahren hat sie den Verein „Partnerschaft Lengfeld-Pacoti“ mitgegründet und ist seitdem mit Leib und Seele für die Menschen im armen Nordosten Brasiliens im Einsatz. Solches Engagement ist selten geworden. Und doch braucht es Menschen wie sie – heute mehr denn je.

      Als „gute Mischung aus Schlesien und Rheinland“ bezeichnet sich die gebürtige Düsseldorferin (Jahrgang 1938) gerne. Während der Vater „lustig-kommunikativ“ gewesen sei, habe sie von der Mutter, die oft mit den Kindern in die alte Heimat gereist war, die Reiselust geerbt. Als Kind einer gemischt-konfessionellen Ehe war sie zunächst evangelisch getauft worden, konvertierte 1952 zum Katholizismus und ist bis heute Mitglied des christlichen Heliand-Bunds. Nach einer Ausbildung zur Erzieherin arbeitete sie in unterschiedlichen Anstellungen, um dann ein Studium der Sozialpädagogik in Münster aufzusatteln. Als Sozialpädagogin betreute sie Familien in einem sozialen Brennpunktviertel der Stadt Düsseldorf, und als die Beziehung zu ihrem damaligen Freund in die Brüche ging, reagierte sie trotzig-selbstbewusst. „Ich wollte nicht warten, bis ein Prinz mich findet“, erzählt sie und bewarb sich beim Auswärtigen Amt um einen Auslandsaufenthalt. Weil im ersten Anlauf nicht das Richtige dabei war, ging sie zunächst nach Stuttgart in eine Einrichtung für Menschen mit Behinderung. Dann wurde in Lissabon eine Stelle frei und Marianne Grave leitete von 1969 bis 1976 den Kindergarten der Deutschen Schule mit rund 200 Kindern.

      Engagiert

      Zurück in Deutschland wählte Grave Würzburg, „weil es so schön in der Mitte liegt“. Ihren Lebensunterhalt verdiente sie beim Blindeninstitut, wo sie bis zum Ruhestand 1998 arbeitete. Anschluss suchte sie über die Kirchengemeinde in Lengfeld, engagierte sich als Lektorin und Kommunionhelferin und ließ sich 1982 in den Pfarrgemeinderat (PGR) wählen. Zwar sei man anfangs skeptisch gewesen, aber „da ich als Alleinstehende mehr Zeit anbieten konnte, wurde ich zur Vorsitzenden gewählt“, berichtet sie schmunzelnd, während sie weiter Fotos auf die Kalenderblätter klebt. 16 Jahre war Grave PGR-Vorsitzende, und dabei wurde ihr die Partnerschaft mit Pacoti gewissermaßen vor die Füße gelegt.

      Den Grundstein für die Verbindung nach Brasilien hatte der Lengfelder Salvatorianerpater Kilian Mitnacht gelegt, der 1942 als Missionar nach Pacoti gegangen war. Die Lengfelder unterstützten ihn mit Spenden, und als Pfarrer Wolfgang Rieser und Pater Kilian die beiden Gemeinden 1975 zu Schwestergemeinden ernannten, wurde die Verbindung weiter beflügelt. 1985 reiste Grave mit einer kleinen Lengfelder Delegation erstmals nach Brasilien und war sofort fasziniert von der Liebenswürdigkeit und Herzlichkeit der Menschen. Erste Kontakte wurden geknüpft und so manche Bekanntschaft wie die zu Dona Odete ist seitdem zu einer Lebensfreundschaft geworden.

      Um die Partnerschaft auf ein zukunftsfähiges Fundament zu stellen, gründeten Marianne Grave, Waltraud Ackermann, Wolfgang O. Hugo, Pfarrer Wolfgang Rieser und weitere 19 Lengfelder am 15. Januar 1996 den Verein „Partnerschaft Lengfeld-Pacoti e.V.“. Im Zentrum steht bis heute die finanzielle Unterstützung der Menschen in grundlegenden Bedürfnissen des täglichen Lebens: Das kann ein Zuschuss für kinderreiche Familien für die Hausreparatur sein oder eine Anschubhilfe, wenn Strom und Wasser wegen Zahlungsverzugs abgeschaltet wurden. Das sind Studienbeihilfen für junge Leute, die Bezahlung von Spezial-Medikamenten oder Lebensmittelpakete in Corona-Zeiten.

      Partnerverein

      Damit die Hilfe wirklich ankommt, hat Marianne Grave von 1999 bis 2017 bis zu sechs Monate jährlich in Pacoti gelebt. Drei Mal pro Woche hielt sie in ihrer kleinen Wohnung eine Sozialsprechstunde ab und besuchte die Menschen in ihren Häusern. Um die Organisation schrittweise an die Brasilianer zu übergeben, wurde 2010 der Partnerverein ASPEK (Associacão Solidária Padre Kiliano) gegründet. Drei ehrenamtlich arbeitende Mitglieder sammeln jetzt die eingehenden Bitten, besuchen die Menschen und leisten punktuell Hilfe. Das Geld dafür kommt aus Deutschland. In „normalen“ Jahren sind es rund 15000 Euro, die sich aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden und Aktionen wie Weihnachtsflohmarkt, Pacoti-Essen, Osterkerzen- und Marmeladen-Verkauf zusammensetzen. Durch Corona ist es gerade deutlich weniger, „aber zum Glück haben wir viele treue Mitglieder und Wohltäter, die weiter spenden“, ist Grave dankbar.

      Keine Einbahnstraße

      Dass aus der kleinen Vereinsgründung 25 Jahre pralles Engagement wurden, ist für Grave nichts Besonders. „Man wächst da einfach hinein“, zuckt sie die Schultern. „Wir haben einfach weitergeführt, was Pater Kilian uns vorgemacht hat. Die Welt ist weit und man sollte sich da engagieren, wo es Menschen schlechter geht“, so die 83-Jährige. Liest man den Spruch in ihrer Küche, glaubt man das gerne: „Sich regen bringt Segen“, steht da auf blau bemalten Fliesen. Natürlich habe es in all den Jahren auch Enttäuschungen gegeben – zum Beispiel, wenn Menschen sich unberechtigt Hilfe erschleichen oder als es Ärger mit dem Finanzdirektor der Erzdiözese Fortaleza gab. „In solchen Momenten haben mich die Brasilianer getröstet, meine Tränen und meine Enttäuschung aufgefangen. Da habe ich gemerkt: Unsere Beziehung ist keine Einbahnstraße!“ Neben dem ihr eigenen Mut zur Widerrede habe man ihr ein ganzes Stück Gelassenheit beigebracht, denn: „Es gibt überall Negatives.“

      Bei weitem überwiegt aber für Marianne Grave das Positive. Tragend sind für sie die Freude am Kontakt und die Dankbarkeit der Menschen. „Es macht mich froh, helfen zu können“, sagt sie und erzählt mit leuchtenden Augen von Telefonaten mit Menschen auf der anderen Seite des Globus, von der Freundschaft mit Odete, Audeciane, Conceição und deren Familien, von Gottesdiensten über Youtube, vom Gefühl zusammen zu gehören. Besonders stolz ist sie auf ihre fünf brasilianischen Patenkinder. „All das hat mich bereichert, es hat mich glücklich gemacht“, resümiert Grave. „Pacoti ist der rote Faden meines Lebens, die Menschen dort sind meine Familie“.

      Aufzuhören war für sie deshalb nie eine Option. Und doch haben das Alter, Corona und eine schwere Erkrankung sie im Oktober 2021 veranlasst, den Vereinsvorsitz an Peter Jaunich und Martha Öhrlein weiterzugeben. „Ich wünsche den beiden, dass sie viele persönliche Kontakte knüpfen und halten. Denn das ist es, was zählt!“ Ihr eigener größter Wunsch ist es, „wieder nach Pacoti zu fliegen“, sagt Grave und ein paar Tränchen rinnen über ihre Wangen. Bis es so weit ist, tröstet sich die sympathische alte Dame mit Kalenderbildern und Telefonaten. „Padre Mauricio wartet schon auf meinen Anruf“, schmunzelt sie, schraubt entschlossen den Klebestift zu und greift zum Telefonhörer.

      Anja Legge (Sonntagsblatt)

      Info: Partnerschaft Lengfeld-Pacoti e.V., Vorsitzender Peter Jaunich, Telefon: 0931/2785442, E-Mail: pacoti-lengfeld@gmx.de.