Hinweis

Ihre Browserversion wird leider nicht mehr unterstüzt. Dies kann dazu führen, dass Webseiten nicht mehr fehlerfrei dargestellt werden und stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Wir empfehlen Ihnen, Ihren Browser zu aktualisieren oder einen der folgenden Browser zu verwenden:

Krokusse

Ihr katholisches Magazin – ab Ostern 2024

Lernen Sie das Sonntagsblatt kennen – kostenlos und unverbindlich

    Lernen Sie das Sonntagsblatt kennen – kostenlos und unverbindlich

      Mehr

      Auf den Spuren des 16. März 1945

      Marianne Erben sucht auf der Alten Mainbrücke nach einer Spur. Und dann wird die renommierte Museumspädagogin fündig: ein Sechseck im Granit des Bordsteins.
       „Obwohl die Würzburger Bürger und die Touristen 73 Jahre darüber gelaufen sind, kann man hier immer noch die Spur einer Stabbrandbombe sehen“, erläutert die gebürtige Berlinerin, die seit 1962 in Würzburg lebt. Knapp 20 Jahre hat sie Generationen von Schülern durch das Mainfränkische Museum geführt.
      Auch wenn sie den 16. März 1945, den „Schicksalstag“ Würzburgs, nicht vor Ort erlebt hat, kennt sie die Geschichte von Zerstörung und Wiederaufbau der Bischofs- und Universitätsstadt wie kaum jemand. Das Bedrückende an der Bombardierung Würzburgs sei, dass die fast völlig intakte Stadt kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs in 16 Minuten zerstört worden sei. Hunderttausende Stabbrandbomben und relativ wenige Sprengbomben haben die britischen 212 Lancaster Bomber der „No. 5 Bomber Group“ in jener wolkenlosen Nacht zwischen 21.25 Uhr und 21.42 Uhr während des Hauptangriffs abgeworfen.    „Wie bei Heinrich Dunkhase nachzulesen ist, ist eine Unmenge von Stabbrandbomben auf die Stadt geregnet. Sie haben alles, was sie an Brennbarem gefunden haben, in Flammen gesetzt.“ Orientierung für die Angreifer bot ein „Marking Point“ auf einem Sportplatz am linken Mainufer. Jeder Pilot hatte einen genauen Befehl, in welchem Abstand zum „Marking Point“ er seine Bomben abzuwerfen hatte. „Bomb as planned“ habe der Befehl“ gelautet, berichtet Erben. „Ein Bomberpilot konnte zu seiner Genugtuung während des Rückflugs über der Rhön berichten, dass sich der Himmel über Würzburg deutlich gerötet hatte“, sagt die Museumspädagogin.    Selbstverschuldet Schuldbewusstsein mussten die Bomberpiloten laut Erben nicht haben, denn zuvor hatten die Deutschen beispielsweise Coventry zerbombt. „Bereits vor dem 16. März waren in England Bomben eingeschlagen, ohne dass man ein Flugzeug gesehen hätte. Das war für die Briten ein schauerliches Erlebnis.“ Die Zerstörung Würzburgs war weder kriegsentscheidend noch friedensstiftend, sagt Erben. „Sie war unnötig und selbstverschuldet.“    Trotz des vernichtenden Angriffs habe man am Würzburger Rathaus einige Tage später lesen können: „Und dennoch werden wir siegen.“ Die Brücken habe man auf Befehl in die Luft gejagt. Um das bereits in Trümmern liegende Würzburg wurde kurz danach noch über eine Woche gekämpft, bis der letzte Widerstand von den amerikanischen Truppen gebrochen war. Von den heftigen Kämpfen um die Stadt zeugt noch ein Einschussloch im Hintern eines Bronzelöwen auf der rechten Mainseite der Löwenbrücke.    Glück hatte hingegen das Käppele auf dem Nikolausberg, das weitestgehend unversehrt blieb. Angeblich wurde hier der Befehl zur Sprengung der Wallfahrtskirche nicht ausgeführt. „Die Festung dagegen hat noch Tage lang gebrannt, da das Feuer wegen Wassermangels nicht gelöscht werden konnte.“ Allein das Zeughaus auf der Festung hatte sein Dach noch behalten. Deswegen konnten dort die aus den Trümmern des „Mainfränkischen Museums“ in der Maxstraße geborgenen und die ausgelagerten Kunstwerke wie die Skulpturen Tilman Riemenschneiders gesichert werden. So entstand auf dem Marienberg unter der Federführung Max H. von Freeden das jetzige „Museum für Franken“. Die Erinnerung an den Feuersturm, der in und über der Stadt tobte, hält der Gedenkraum im Fürstenbaumuseum wach.    Schikanederhaus Den 16. März einigermaßen unversehrt überlebt haben nur ganz wenige Häuser in der Würzburger Innenstadt. Ein erstaunliches Beispiel ist das sogenannte „Schikanederhaus“ in der Büttnerstraße. Das Gebäude wurde gerettet, weil sein Besitzer mit einem Feuerwehrschlauch das Wasser aus dem nahen Main pumpte und so den Brand löschen konnte. „In diesem Bereich wurde die kleinteilige Bebauung der Würzburger Altstadt völlig zerstört“, sagt Erben. „Jahre später noch breitete sich im Bereich der Büttnerstraße und der Glockengasse ein weiter Parkplatz aus.“    Das sogenannte „Schwanengelände“ war in der Nachkriegszeit viel diskutiert. „Was hier entstand, ist eigentlich die gröbste Sünde des Wiederaufbaus in Würzburg“, bedauert Erben. Benannt war dieses Gelände nach dem „Hotel zum Schwanen“, eine der ersten Adressen Würzburgs, die später dann von der „Reichsarbeitsfront“ genutzt wurde. Nach dem Angriff vom 16. März war es als Ruine noch einigermaßen erhalten. „Das Hotel war über dem ältesten Stadttor, dem in Renaissancestil zur Echterzeit erbauten „Schwanentor“, mit breiter Durchfahrt, Kasematten und Fallgittern errichtet.“ Vor der Zerstörung drängten sich zwischen der Brücke und dem Hotel 15 zum Teil sehr kleine Anwesen und zwei Gassen. An die 30 Häuser standen dort, so auch das Geburtshaus des bekannten Dichters Max Dauthendey.    Schwanengelände Anfang der 1970er Jahre wurde über die Bebauung des Geländes diskutiert. „Ich erinnere mich, dass der Verschönerungsverein seine Hauptversammung kurz vor einer Stadtratswahl hielt. Und man war erstaunt, wie viele Stadträte ihr Gesicht zeigten“, erinnert sich Erben. Als Höhepunkt des Abends habe der bekannte Historiker Werner Dettelbacher über die Geschichte des Mainufers referiert. Die Befürworter einer gemischten Bebauung hätten gehofft, dass die Ausführungen des Historikers die Stadträte zu einem –  aus ihrer Sicht – vernünftigen Entschluss bewegen würden. 
      „Aber was geschah? Der Vortrag begann, das Licht ging aus, und die Stadträte verschwanden wie die Würstl vom Kraut“, erzählt Erben. Geblieben seien nur die Stadträte Willi Dürrnagel, Erich Felgenhauer und Dr. Volker Keil. Das Ergebnis: Die Gassen wurden verkauft. Auf dem Gelände entstand eine riesige Baugrube und dann das Kaufhaus „Hertie“. „Ein Kaufhaus, in dem man nach innen schaut, in dem man die Waren begutachtet und der Schönheit Würzburgs den Rücken kehrt“, bemerkt die Museumspädagogin. „Das zu jeder Jahreszeit einmalig schöne Stadtbild von Burg und Berg, Fluss und Brücke kann man allenfalls von den Toiletten aus genießen.“ 
      Gitterbett-Fassade Der namhafte Architekt Alexander von Branca hätte an dieser Stelle gerne etwas anderes gebaut als ein Kaufhaus, berichtet Erben. Er suchte sich der alten Stadt anzupassen, beispielsweise mit dem Eingang am Vierröhrenbrunnen. Der aber wurde umgebaut, nachdem „Hertie“ sieben Jahre nach der Eröffnung Würzburg verlassen hatte. Die neue Fassade, die laut Erben an ein Gitterbett für Kinder erinnerte, wich Jahre später der jetzigen Glasfassade.  „Den Blick auf Fluss, auf Burg und Berg genießt man jetzt auf der Alten Mainbrücke im Stehen mit einem Weinglas in der Hand“, sagt die Museumspädagogin.   Stefan W. Römmelt