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      Ombudsrat für Würzburg als „Solidarische Stadt”

      Angstfrei leben können

      Wie wäre das, in einer Stadt zu leben, wo man vor nichts und niemandem Angst haben müsste? Wo man wüsste: Man wird aufgefangen. Immer. Egal, ob man gerade ein Problem mit seinem Job hat. Oder aus der Wohnung muss. Kein Geflüchteter müsste mehr Angst vor Abschiebung haben. Kein Arbeitsloser bräuchte sich vorm Jobcenter fürchten. „Solidarische Stadt“ nennt sich das Konzept hinter dieser Utopie, für die der Ombudsrat in Würzburg kämpft.

      Die weltweite Bewegung „Solidarische Stadt“ kämpft für eine bessere Zukunft für ausnahmslos alle Menschen. Vorbild ist die kanadische Metropole Toronto. Dort startete die Initiative „Kein Mensch ist illegal“ zunächst Kampagnen gegen Abschiebungen. Später engagierten sich die Aktivisten zusätzlich für faire Löhne sowie dafür, dass alle Menschen Zugang zu Gesundheitsversorgung und Bildung erhalten. Dank dieses Engagements erklärte sich der Stadtrat von Toronto 2013 zur „Sanctuary City“. Im Juni empfahl der Würzburger Ombudsrat dem Stadtrat, sich, entgegen dem aktuellen Trend, ebenfalls zur dieser Idee zu bekennen.

      Das markanteste Beispiel für die europaweite Entwicklung hin zu einer gesellschaftlichen Entsolidarisierung sind die Bootsflüchtlinge, die im Mittelmeer ertrinken. „Eine Krise kennzeichnet die Migrations- und Asylpolitik der Europäischen Union“, sagt der Ombudsrat. Weil Bundesländer, Nationen und EU versagen, müssten die Kommunen gestärkt werden. Sie sollen der Idee „Solidarische Stadt“ zufolge eine neue Schlüsselrolle bekommen und „sichere Häfen“ für Geflüchtete werden.

      Die Städte selbst allerdings tun sich schwer, Ja zu sagen zu einer Idee, die mit radikalen Forderungen daherkommt. Die Bewegung „Solidarische Stadt“ verlangt von den Kommunen zum Beispiel, die Polizei zu veranlassen, keinen Menschen wegen einer Aufenthaltserlaubnis zu kontrollieren. Abschiebungen sollen prinzipiell tabu sein. „Manches schießt für mich übers Ziel hinaus“, erklärt Oberbürgermeister Christian Schuchardt. Etwa, wenn Tipps gegeben würden, wie man Abschiebungen und Polizeiarbeit behindern kann: „Wir können uns nicht gegen geltendes Recht stellen.“ Ein „Kommunalasyl“ analog eines „Kirchenasyls“ breche jedoch mit dem Recht.

      Angesichts von nahezu 2300 Bootsflüchtlingen, die 2018 ertranken, müssen laut den Ombdusmännern, Hochschulpfarrer  Burkhard Hose und Harald Ebert, Leiter der Don-Bosco-Berufsschule, die Fragen anders gestellt werden. Es darf nicht länger darum gehen, was aktuellen Gesetzen zufolge erlaubt ist. Die Gesetze selbst müssten auf den Prüfstand: Gehen sie mit dem Gedanken „Solidarität konform“? Ein Bekenntnis zur „Solidarischen Stadt“ bedeute auch keineswegs, am nächsten Tag Recht zu brechen, betont Harald Ebert, der sich seit kurzem im Auftrag des diözesanen Caritasverbands für die Idee „Solidarische Stadt“ einsetzt. Es bedeutet vielmehr, sich für die Ausweitung der kommunalen Handlungsfreiheit einzusetzen.

      Idee noch stärker verbreiten

      Dass manches in puncto Flüchtlingspolitik inaktzeptabel ist, findet auch Christian Schuchardt. Kürzlich kritisierte er zum Beispiel die Pläne des Bundesfinanzministeriums zur Kürzung von Flüchtlingshilfen. Letztes Jahr bot er dem Präsidenten der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, Hilfe bei der Rettung von in Seenot geratenen Menschen an.

      Für Burkhard Hose ist dies auch sehr anerkennenswert. Doch die Idee „Solidarität“ muss laut dem Theologen noch viel stärker propagiert und noch konkreter gelebt werden: „Und zwar nicht nur in Bezug auf Geflüchtete.“ Der Ombudsrat bekommt laut Hose vielfältige Formen von Diskriminierungen mit: „Uns kontaktieren derzeit zum Beispiel wöchentlich Personen, die sich auf dem Würzburger Wohnungsmarkt diskriminiert fühlen.“

      Dass sich die Stadt verpflichtet, solidarisch zu handeln, das fordert nicht nur der fünfköpfige Ombudsrat. Auch das „Würzburger Bündnis für Demokratie und Zivilcourage“ stimmte dem Konzept in seiner letzten Vollversammlung ohne Gegenstimmen zu. Damit stehen fast 80 zivilgesellschaftliche Organisationen hinter der Idee, die inzwischen weltweit von einem Netzwerk namens „Solidarity Cities“ getragen wird.

      Ein breites Bündnis

      Dazu zählen die Katholische Hochschulgemeinde, der Konvent St. Augustin des Augustinerklosters, die Diözesanverbände von BDKJ und KJG sowie das Ökumenische Nagelkreuzzentrum.

      Es braucht mehr Mut, Paroli zu bieten, wo Inhumanität um sich greift, betonen Burkhard Hose und Harald Ebert. Beide leisten schon lange auf ihre Weise durch ihr konkretes Wirken Widerstand. So erließ Ebert eine schriftliche Dienstanweisung, dass man die Polizei nicht ins Gebäude der von ihm geleiteten Don Bosco-Berufsschule lassen dürfe, wenn sie vorhat, einen Berufsschüler mit Fluchthintergrund abzuschieben.

      Letztlich stellt sich für Ebert und Hose die Frage, was denn das oberste Gebot ist: Ein Gesetz? Die Nächstenliebe? Die Menschenrechte? Ihr Eintreten für Solidarität stößt auf viel Sympathie. Wer findet es auch schon erstrebenswert, in einer unsolidarischen Gesellschaft zu leben, wo, wie der Philosoph Thomas Hobbes es formulierte, der Mensch dem Menschen ein Wolf ist. Auch für Würzburgs OB ist „Solidarität“ ein wichtiger Wert. Klaus Herzog, Amtskollege aus Aschaffenburg: „Viele Ziele der ‚Solidarischen Stadt’ werden in Aschaffenburg, auch im Hinblick auf Geflüchtete, seit Jahren gelebt.“

      Den Quantensprung, den das Konzept der „Solidarischen Stadt“ bedeuten würde, sieht aber auch Herzog als utopisch an. Als Ordnungsbehörde müssten Städte das Asylrecht vollziehen. Hierbei seien sie an staatliche Weisungen gebunden: „Dies gilt auch für den Vollzug von Abschiebungen.“ Und selbstverständlich müsse nach Aufenthaltserlaubnissen fragen: „Eine Stadt, die von ihren Bürgern erwartet, dass sie sich an Recht und Gesetz halten, kann sich nicht selbst rechtswidrig verhalten.“    

      Pat Christ